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Ausgabe:

1954 Nr. 11

Spalte:

661-670

Autor/Hrsg.:

Haendler, Otto

Titel/Untertitel:

Praktische Theologie als theologisches Problem 1954

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. ll

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posophischen Kreisen zuzuzählen ist. In schöner Sprache, aber
ohne die nötigen historischen Kenntnisse und lediglich aus zweiter
Hand schöpfend, zeichnet Meyer ein Bild des von inneren Erlebnissen
bewegten und bestimmten Lebens, das zur ,,Zeitenmacht
" werden sollte. Der Verfasser betont das Naturgefühl und
zugleich die Liebeskraft des Franziscus, in dem für ihn ein Heranreifen
zum „Geist-Erwachen" sich darstellt. Ereignisse, von
denen die Legende spricht, will er als „astralisches Hellsehen"
deuten und dadurch „die kosmische Würde" des Franziscus betonen
. Diese Gedanken werden bewußt den Anschauungen Rudolf
Steiners entnommen. Sie haben mit Franciscus selbst nichts
zu tun.

Das Mönchtum weiß sich gefragt, ob es sich nur nach den
großen Vorbildern der Vergangenheit zu orientieren hat, oder
ob es neue Formen und Gestalten zu entwickeln berufen ist. In
den Klöstern wird gefragt, ob etwa die Problematik der Gegenwart
das monastische Leben auf neue Bahnen führt. Den grundsätzlichen
Fragen des Mönchslebens, der Kontemplation, aber
auch der praktischen Seite, der Beziehung zum Nächsten, wie
sie hier gepflegt wird, steht die katholische Gegenwart offen gegenüber
. In der Welt der Vermassung wird der Weg des Einzelnen
, der durch die Verinnerlichung zur Vertiefung des christlichen
Lebens und Verstehens führt, bewußt bejaht. Auch das
Ideal der Jungfräulichkeit wird in diesen Kreisen neu geschätzt.
Die Orden betonen die neuen Wege der Gemeinschaft über Liturgie
und Askese. Diese Gemeinschaften werden als Abbilder
des Gottesreiches inmitten einer zerstörten Welt bezeichnet.
Auch wird der Gedanke „der geistlichen Vaterschaft" besonders
betont. Die Orden und Klostergemeinschaften wissen um ihre

Lebens. Stuttgart: Urachhaus in Gemeinsch. mit Columban-Verlag Arlesheim
[1951]. 147 S., 1 Bild, kl. 8°.

Verantwortung den sie aufsuchenden Menschen gegenüber und
sind gewillt, unter Aufgebot aller Kräfte ihren alten Idealen
mit allem Ernst zu entsprechen. In dem Sammelband „Mönc h-
tum in der Entscheidun g"10 werden diese Gedanken,
Erwägungen und Betrachtungen zusammengetragen, um ein deutliches
Bild und eine einhellige Antwort auf die Fragen der Gegenwart
über das Mönchtum zu geben. Teils im Rundgespräch, teils
als Bericht wird die Gegenwartslage erörtert und die Stellung des
Mönchs in der heutigen römisch-katholischen Welt dargestellt.
Um die Einstellung der öffentlichen Meinung zum Mönchtum zu
klären, wird auch auf die Behandlung des Mönchs im zeitgenössischen
Roman hingewiesen. Die römisch-katholische Welt, nicht
nur der Episkopat und das Kloster, weiß genau, was es an seinem
Mönchtum hat und weiß daher, es auch in seinen bisherigen
Aufgaben zu halten und es für neue Aufgaben zu gewinnen.

Aber auch Nigg schreibt aus der Überzeugung heraus, daß
dem Mönchtum in der gegenwärtigen Welt eine besondere Aufgabe
zufällt. In ihm, meint er, liegen Kräfte, die Vernichtungstendenzen
der Zeit zu überwinden und Wege in die Zukunft zu
bauen. In der Gestalt des Mönchs sieht er sich „an die ewigen
Realitäten herangeführt". Sosehr seine sachliche Einstellung anzuerkennen
ist, fragt es sich doch, ob er im Grundsätzlichen
nicht zu stark ausgleidit und für das christliche Dasein nicht Regeln
aufstellt, die ihm als solchem nicht zukommen. In der römisch
-katholischen Welt sieht man diese Erscheinungen kritischer
und nüchterner an. Hier besitzt man den Vorzug der Erfahrung
und weiß sie zu schätzen.

"') Bogler, Theodor, P. OSB: Mönchtum in der Entscheidung.

Gesammelte Aufsätze hrsg. Maria Laach: Verlag Ars Liturgien 1952.
110S., 4 Abb. auf Taf., 8° = Liturgie und Mönchtum 3. Folge, H. XI.

Alle theologische Arbeit und alles kirchliche Wirken steht
zuerst und zuletzt im Dienste der Verkündigung. Deren Ziel ist
die Durchdringung der Welt mit dem Geiste Gottes durch die
Christusoffenbarung, damit eine Reinigung und Erneuerung der
Welt, die Gott durch menschliche Verkündigung wirken will und
soweit er sie durch diese Verkündigung nach seinem Willen
schafft.

An dem Abstand zwischen neutcstamcntlicher Offenbarung
und gegenwärtiger kirchlicher Situation aber entsteht die Problematik
der Theologie, denn theologische Erkenntnis steht in
Wechselwirkung mit Fortschritt und Rückschritt in Geschichte.

Auch die Problematik der „Praktischen Theologie" hat sich
diesem Gesetz entsprechend entwickelt und ist darum erst jetzt
zu entscheidender theologischer Begründung und Versclbstän-
digung gelangt. Der Gang der Entwicklung sei im folgenden
skizziert, als Voraussetzung für die Wertung des zu besprechenden
Werkes1.

I.) Stufen der werdenden Problematik

1. Verkündigung als Getriebensein vom Geist

Das Neue Testament ist Urgrund und Maßstab aller theologischen
Problematik. Es selbst aber hat noch keine Problematik
in unserem Sinne. Es ringt nicht auf gleicher Ebene mit
anderen Überzeugungen, sondern es offenbart die durch keines
Menschen Herz auszudenkende Gnade Gottes, die die Welt erlöst
und erneuert. Es hofft nicht in menschlicher Weise auf den Sieg
der guten und helfenden Mächte, sondern es durchdringt die Welt

') Müller, Alfred Dcdo: Grundriß zur evangelischen Theologie
. Gütersloh: Bertelsmann 19 50 (Grundrisse zur evangelischen Theo

Praktische Theologie als theologisches Problem

Von Otto H a e n d 1 e r, Berlin

mit der Gewißheit, daß Gottes souveräner und gnädiger Wille
in Christus die dämonischen Mächte überwindet.

Darum tun die Männer des Neuen Testaments zwar alles,
was den Späteren Problem wird. Sie predigen, sie unterrichten,
sie pflegen die Kranken und die Armen, sie treiben Scel-
sorge u.s.f. Aber alles das ist ein unmittelbares Getriebensein
vom Geiste Gottes, ohne die Problematik einer zum Rückgriff
auf den zeitlich getrennten Urgrund gezwungenen Kirche. Was
wir dann dem Neuen Testament als Hinweis entnehmen für
unser Tun, das ist dort nicht Aufwerfen oder Aufgreifen eines
Problems, sondern Erkenntnis aus Erleuchtung durch den Geist
Gottes.

Das Neue Testament ist die Quelle aller Theologie, aber es
selbst ist noch nicht im späteren kirchlichen Sinne Theologie auf
Grund zeitlich zurückliegender Offenbarung, sondern Offenbarung
als Grund aller Theologie. Das gilt auch von allen den
Aussagen, die theologisch gedacht und ausgerichtet sind einschließlich
des Theologen Paulus. Sie sind durchdrungen von
ursprünglichem Offenbarungsgehalt.

2. Pastoraltheologie als pfarramtliches Problem

Geschichte in ihren positiven Kräften ist Gestaltung, die
Geschichte der Kirche ist Bemühen um Gestaltung nach den gottgegebenen
Ordnungen. Alle Gestaltung aber vollzieht sich in
Stufen nicht nur des Geschehens, sondern auch des Fragens und
des Erkennens.

Die Probleme, die später zur „Praktischen Theologie" führen
, haben sich von jeher um das praktische Handeln gruppiert
und sind Fragen, die den Amtsträger angehen und für sein Amt
brennend sind. Sie sind Fragen allein des Amtes und

Iogie, hrsg. v. P. Althaus, F Baumgärtel, C.H.Ratschow) 363 S. gr. 8». ««• * »na r ragen a e , n « e s nm t e s und

Lw. DM 11.50. Lizenzausgabe für die Dcutsd,e Demokratische Rcpu- s e in e s T rag e r s gebl.eben solange die K.rche als solche

blik Berlin: Evangelische Verlagsanstalt o. J. (1954) 365 S. gr. 8
DM 5.80

im Abendland die unbestrittene Macht der Lebens- und Geistesgestaltung
war. Denn sie sind in diesem Räume eingebettet in

(Seitenzahlen bei Zitaten jeweils erst Gütersloh, dann Berlin). eine sie tragende und legitimierende Daseinsgestalt, die zugleich