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Ausgabe:

1954 Nr. 10

Spalte:

625-626

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Stommel, Eduard

Titel/Untertitel:

Studien zur Epiklese der römischen Taufwasserweihe 1954

Rezensent:

Benz, Suitbert

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625 Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 10 626

finden wir vom Jahre 1 526, die schließlich in der sog. Honterschen
(Honter war auch der Drucker), im Anschluß an mitteldeutsche
Kirchenordnungen herausgegebenen Kirchenordnung aller Deutschen
in Sybenbürgen 1547 ihre erste Ordnung und Zusammenfassung
erhielt. Aus ihr ist erwähnenswert, daß Honter statt der
Perikopen eine lectio continua vorschlug. Doch fiel dieser Vorschlag
später wieder. Zu den dort (S. 116) angeführten Kollekten
hätte wohl auch auf P. Althaus (d. ält.), Forschungen zur ev. Gebetsliteratur
, Gütersloh 1927, S. 206 ff. zurückgegriffen werden
können.

Später erschien die: Agenda sacra, d. i. Kirchenordnung in
Hermannstadt Auffs new vbersehen, gebessert und auffgelegt
Anno 1653 und: Agenda sacra das ist: Kirchenordnung zum
heutigen Gebrauch der Hermannstädtischen wie auch der übrigen
evangelischen Kirchen in Siebenbürgen, von neuem übersehen,
vermehrt und aufgelegt im Jahre 1748 Hermannstadt, die z.B.
auch eine Begräbnisordnung enthielt, die bis dahin noch fehlte.
Später ist ihr ein Auszug aus der Pfalzsulzbachischen Liturgie
angebunden. Jedoch setzten sie sich nicht durch infolge des überzeugten
Traditionsbewußtseins der Siebenbürger Bauerngemeinden
. Um 1768 sollten eine Reihe von Festtagen abgeschafft werden
. Auch erschien ein neues Gesangbuch 1793 in Anlehnung an
das Diterichsche rationalistische Berliner Gesangbuch 1780. Im
19. Jhdt. gebrauchte man auch die Badische Liturgie und die
Weimarer Agende. Im Jahre 1 885 wurde eine Burzenländergottes-
dienstordnung vorgeschlagen. Weitere Versuche zur Neuordnung
und Überwindung etwaiger rationalistischer Bestandteile blieben
im Versuch stecken, wozu auch die turbulenten Zeitläufte beitrugen
.

Aber den eigentlichen Gottesdienst sieht man hieran nicht,
sondern, wie auch vielfach im übrigen Deutschland, aus den Berichten
der einzelnen Gemeinden. Daraus erfahren wir u. a., daß
die Privatbeichtc noch vielfach Ohrenbeichte genannt wurde, daß
man in der Fastenzeit auch die Komplet, Compelt genannt, beging
, daß man um 1764 in der Hermannstädter Stadtpfarrkirche
noch an die 1000 Gottesdienste jährlich hatte! Das ist eben in
dieser sonst so grundlegenden Untersuchung ein Hauptverdienst
Roths, sich nicht nur auf die vorliegenden Kirchenordnungen zu
beschränken, sondern in unendlich entsagungsvoller Kleinarbeit
sich an der Hand des Kirchenjahres um die eigentlichen Gottesdienste
der einzelnen Gemeinden bemüht zu haben. Dieser Umstand
macht sein Buch so wertvoll, auch für die Erforschung der
Liturgien außerhalb Siebenbürgens, nicht nur für den Theologen,
sondern ebenso auch für den Historiker.

Hannover-Ricklingen P""1 Oraff

s tommtl, Eduard, Dr. theol.: Studien zur Epiklese der römischen
Taufwasserweihe. Bonn: Hanstein 1950. IX, 112 S. gr. 8° = Theo-
phancia. Beiträge zur Religions- und Kirchcngcschichte des Altertums.
Begr. F. J. Dölgcrf / Th. Klauser. H. 5. DM 7.80.

Die Arbeit umfaßt mehr, als der Titel besagt. Bevor der Vf.
die Epiklese selbst gründlich untersucht, behandelt er zunächst
die Taufwasserweihe im allgemeinen. Nach einer kurzen Einleitung
über die Vorgeschichte der Taufwasserweihe (1—6) folgen
in übersichtlicher Gliederung Text und Übersetzung des heutigen
Formulars nebst einer Darlegung des Aufbaues (7—15). Entgegen
den Ausführungen des Vf. (54) wird man im Text des Gebetes
respice in faciem ecclesiae tuae (10) nicht gratia mater
zusammenlesen dürfen. Viel näher liegt es in der mater die zu
Beginn des Gebetes genannte ecclesia zu verstehen. Das ganze
Gebet ist nur eine einzige Satzperiode, deren beide Eckklammern
ecclesia und mater bilden. Gratia ist Ablativ. Es entsprechen
sich: (ecclesia) sumat qratiam und pariat gratiä mater. Der
Begriff gratia mater als Mutter Gnade ist sonst nirgendswo belegt
, hingegen ist die mater ecclesia eine bekannte Größe
(vgl. Vf. S. 59 ff.; H. Uscner, Das Weihnachtsfest J[191l[ 174.
Anm. 5 3). Der nächste Abschnitt „Zur Geschichte des Textes"
(20—34) bietet zwar wertvolle Anregungen, befriedigt aber nicht
•n allem (vgl. die Besprechung von B. Botte in Bulletin Theol.
anc. med. 6, 408, Nr. 1396). Dem Vf. standen damals noch nicht
die inzwischen durch M. Andrieu veranstalteten Editionen der

Ordines Romani zur Verfügung. Bei eingehender Beschäftigung
mit den nun sehr zahlreichen Quellen muß man manchen mit
„wohl" eingeleiteten Konstruktionen des Vf. widersprechen. So
kann man m. E. der vom Vf. (26 f.) behaupteten Gleichzeitigkeit
der Einfügung des cuius Spiritus . . . manare fecit durch Alkuin
im Gebete unde benedico te mit der Einführung der
Rubrik, das Wasser nach 4 Seiten auszugießen, nicht zustimmen.
Die Rubrik steht mit dem Einschub Alkuins in keinerlei zeitlichem
Zusammenhang. Im Cod. Ottob. 313 der alkuinischen Re-
cension des Gregorianums steht weder die Rubrik noch wird
irgendein Kreuzzeichen an dieser Stelle erwähnt (Lietzmann. 5 3).
Eine Rubrik fehlt, wiewohl der Text vorhanden ist, im Sakra-
mentar von Rheinau (Zürich 30, Fol. 129r), im Pontifikale von
Donaueschingen (Metzger, 98+), im Fuldense (Richter, 351), im
Ordo romanus Hittorps (De div. off., Rom [1591] 53) und natürlich
fehlt jegliche Rubrik in all den Quellen, die auch den Text
nicht haben. Zum ersten mal begegnete mir eine Rubrik über
das Ausgießen des Wassers an unserer Stelle in einem alemani-
schen Missale, das Gerbert dem 10. Jhdt. zuspricht (Mon. vet.
lit. alem., St. Blasien [1779] Bd. 2, 8). Seit dem 12. Jhdt. erscheint
beständig eine Rubrik, und zwar zunächst in einfacher
Form, die nur ein Teilen des Wassers in 4 Teile besagt, vgl.:
Ordo rom. X, 21 (von Mabillon, PL 78, 1015); Martine,
de antiq. eccl. rit. [1764] 3, 159 = L e r o q u a i s, Les pontif i-
caux manuscrits 2, 184); Rituale von St. Florian (Franz. 68),
Pontificale rom. des 12. Jhdt. (M. Andrieu, Le Pontif. Rom.
au Moyen Age 1, 243 ff.). Im 13. Jhdt. kommt dann noch das
Ausgießen nach den 4 Himmelsrichtungen hinzu: vgl. Pontif. rom.
im 13. Jhdt. (M. A n d r i e u a.a.O. 2, 475); Durandus v.
Mende (M. A n d r i e u a.a.O. 3, 590); Rituale Heinrichs I. v.
Breslau 1302—1319 (Franz, 13). Bei einer derartigen Lage der
Quellen wird man wohl schwerlich einen zeitlichen Zusammenhang
zwischen der Einschiebung Alkuins und der Einführung der
Rubrik vertreten können. Ähnliches wäre zu anderen Aufstellungen
des Vf. zu sagen. Unverständlich ist mir, wie Vf. ein Missale
des 15. Jhdts. heranziehen kann, um damit die bei luminis
admixtione iectindet an Stelle der heutigen kreuzförmigen
Berührung des Wassers vermutete ursprüngliche kreuzförmige
Einscnkung der Kerze zu rechtfertigen (22). Mehr als 700 Jahre
werden ohne Zwischenglied übersprungen. Die kreuzförmige Fin-
senkung der Osterkerze. die im 16. Jhdt. auch im Osten zu finden
ist (vgl. Miss, von Posen 1524, Fol. 96r; Miss, von Krakau
1 532, Fol 98r), ist m. E. eine spätere Erweiterung des einfachen
Ritus. — Die endgültige Redaktion des Textes wird nach B. Botte
(a. a. O.) mit dem Ende des 7. Jhdts. zu spät angesetzt. Das
2. Kap. über „Formale Eigentümlichkeiten der Epiklese" (35—43>
bietet interessante Belege zur lit. Verwendung der Dreizahl. Es
schließt allerdings etwas resigniert mit der Feststellung, daß der
älteste dem Vf. bekannte Zeuge für die Dreizahl der Epiklese aus
dem Jahre 1473 stammt. Ich möchte als ältesten mir bekannten
Zeugen das Rituale Heinrichs I. von Breslau (1302—1319) erwähnen
(Franz, 13). Das 3. Kat>. behandelt die Einsenkung der
Osterkerze (44—64) und widerlegt gut aus den Väterzeugnissen
der Entstehungszeit dieses Ritus die Ansicht derer, die in dem
Einsenken der Osterkerze einen fortlebenden sexuellen Fruchtbarkeitsritus
der Antike erblicken wollten. Im letzten Kap. befaßt
sich der Vf. mit der Hauchung und dem Hauchzeichen
(65—104). Die bisherigen Deutungsversuche des Hauchzeichens
(als psi von griech. Psyche, als Lebensrune, als Lebensbaum, als
Segenskreuz u. a. m.) werden widerlegt. Das Zeichen wollte ursprünglich
nur Anweisung sein, wie die Hauchung über das
ganze Taufbecken auszuführen sei, analog zu dem Ritus der In-
zensation und Aspersion, bei dem zuerst die Mitte, dann die
rechte und schließlich die linke Seite inzensiert bzw. aspergiert
werden. Ob aber die Deutung des Zeichens auf die virtus des
HI. Geistes richtig ist, die Vf. als neuen Lösungsversuch bringt
(100 f.), möchte ich dahingestellt sein lassen. Eine weitere Beschäftigung
mit dem Thema der Taufwasserweihe wird sicher
noch manches Wissenswerte zur Liturgiegeschichte beisteuern
können.

Abtei Maria Laach Suitbert Bern