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Ausgabe:

1954 Nr. 10

Spalte:

621-622

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Vajta, Vilmos

Titel/Untertitel:

Die Theologie des Gottesdienstes bei Luther 1954

Rezensent:

Stupperich, Robert

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 10

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lexika. Adiaphora wird z. B. erläutert: „(eigentlich .Gleichgültigkeiten
') sind nach Melanch-thon (so abgeteilt!) und seinen
theologischen Anhängern gewisse Elemente des katholischen Kultus
. . ." Daß es sich um einen polemischen Wertungsbegriff handelt
, wird dem Leser nicht deutlich. Gottfried Arnold ist natürlich
„Prof. der K i r c h e n geschichte" in Gießen. Oder: „Lom-
bardus, Petrus, auch (weil aus der Lombardei stammend) der
Lombarde genannt... verfaßte um 1150 einen Sentenzenkommentar
(I). .." Man könnte die Liste derartiger „Erläuterungen"
beliebig erweitern. Besonders aufschlußreich für die urteilsmäßige
Gesamteinstellung des Vf. sind die in einem recht nützlichen
, aber nicht immer klar geordneten Literaturverzeichnis
(438—457) eingestreuten Bemerkungen und ausgeteilten Zensuren
. S. 442 sucht Vf. erhebliche Korrekturen der Auffassungen
Luthers durch die „neuere Exegese" zu buchen, wobei M. Lackmann
, O. A. Dilschneider und W. Stählin die Kronzeugen abgeben
, die einem Katholiken begreiflicherweise als bedeutsam erscheinen
müssen. Ein Namen- und Sachregister zu beiden Bänden
ist angefügt.

So bequem und darum nützlich eine derartige Quellensammlung
ist und so erhellend für das Zustandekommen bestimmter
geistesgeschichtlicher Urteile, man wird doch auch in diesem Band
den Eindruck nicht los, daß man von einem zünftigen Historiker
etwas mehr Genauigkeit in den einzelnen Angaben, etwas mehr
Umsicht und kritisches Vermögen erwarten dürfe.

Güttingen E. Wolf

Vajta, Vilmos: Die Theologie des Gottesdienstes bei Luther. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1952. XIX, 375 S. gr. 8° = Forschungen
zur Kirchen- u. Dogmengeschichte Bd. 1. DM 22.80.

Die Fragestellung dieses Buches ist eine ganz zentrale. Das
Buch geht daher nicht nur alle an, die sich mit der Theologie Luthers
befassen, sondern auch die praktischen Theologen, die sich
heute um eine Neuordnung und Begründung des Gottesdienstes
mühen.

Von Luthers Gesamttheologie her werden in ganzer Breite
und großer systematischer Geschlossenheit die Gedanken entfaltet,
die seine Gottesdienstauffassung bestimmen. Dem Verfasser geht
es um den Menschen vor Gott, d. h. um Gottes Wirken an ihm
und die Haltung, die dieses Wirken auslöst. Er nimmt dabei alles
auf, was die schwedische Lutherforschung der letzten Jahre erarbeitet
hat. An Weite und Gründlichkeit werden die bisherigen
Versuche auf diesem Gebiet weit überboten und manche früheren
Auffassungen korrigiert. Vor allem wird hier ein solide historische
und theologische Basis für eine genaue Untersuchung gelegt, ohne
••Selbstverständliches'' vorauszusetzen.

Daß die Darstellung mit einer Bestimmung des Gottes- und
Glaubensverständnisses bei Luther einsetzen muß, liegt auf der
Hand. Gute Beobachtungen und Feststellungen über Luthers
grundsätzliche Auffassung machen die Arbeit wertvoll. Auch über
die Gottesgemeinschaft und ihre Auswirkungen im Gottesdienst
Werden treffende Ausführungen gemacht. Daß Luthers Auffassung
v°n der Messe einmal gründlich dargestellt wurde, ist recht verdienstlich
. Dadurch wird der Unterschied im Gottesverständnis
zwischen ihm und seinen Gegnern um so einleuchtender. Daher
muß der Vf. auf die Versöhnungslehre eingehen und die Bedeutung
des Opfers Christi bei Luther deutlich herausarbeiten.

Die eigentliche Darstellung der Gottesdiensttheologie beginnt
mit der Kennzeichnung von Luthers Wortverständnis. In
sehr eindrücklicher Weise wird der Charakter des Wortes bei Luther
als Gottes Kampfesmittel gekennzeichnet, das die Herbeiführung
der Herrschaft Christi zum Ziel hat. Es stellt Gottes
Heilswerk als Versöhnungskampf dar und kennzeichnet damit den
Inhalt der Gottesbotschaft. Darin liegt zugleich das doppelte Handeln
Gottes an den Menschen begründet: in Liebe und Zorn und
dementsprechend das doppelte Predigtwort (Gesetz und Evangelium
). Inhalt der Predigt ist immer Christus. Ihre Stellung im
Gottesdienst wird bestimmt unter Abgrenzung von der römischen
ebenso wie von der schwärmerischen Auffassung. Da aber Gott
Selbst im Wort wirkt und allgegenwärtig ist, muß der Verf. auch
diesem Gedanken im Zusammenhang des Gottesdienstes nachgehen
. Ebenso muß er auf das Abendmahlsverständnis eingehen,
wobei Luthers christologischer Ansatz besonders herausgestellt

wird. In Verbindung mit dem kirchlichen Handeln, der Konsekration
und Distribution wird der Begriff des Amtes aufgenommen.
Dieser wird wiederum im Zusammenhang mit der Regimentenlehre
verstanden.

Nicht weniger intensiv befaßt sich der Verf. mit der Gemeinde
, die als glaubende und empfangende am Gottesdienst teilnimmt
und in ihm ihr Leben hat. Hier ist vom Wesen des Glaubens
und des neuen Lebens die Rede, anschließend von Heiligkeit
und christlicher Vollkommenheit. Schließlich geht der Verf. weiter
zum Kirchengedanken und zum Priestertum, um vom Werk des
Glaubens im Lobopfer und in der Ordnung der Kirche und der
Welt zu handeln.

Diese Inhaltsübersicht deutet den Gehalt des gründlichen
und reifen Buches an, das unsere Luther-Literatur ungemein bereichert
und manche neue Betrachtungsweise vermittelt. Wird man
in mancher Beziehung mit dem Verf. nicht einverstanden sein
können, aufs ganze gesehen ist dieses Buch eine beachtliche Leistung
in der so fruchtbaren skandinavischen Luther-Forschung
und ersetzt nahezu eine Gesamttheologie Luthers.

Münster/Westf. R. Stupperich

Ii IRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Reinhard, Ewald: Die Münsterische „Familia sacra". Der Kreis um
die Fürstin Gallitzin: Fürstenberg, Overberg, Stolberg und ihre
Freunde. Münster: Regensberg 1953. 227 S., 1 Taf. gr. 8°. Hlw.
DM 9.80.

Seit mehr als 20 Jahren bemüht sich der Verfasser um die
Erforschung der Münsterischen Geistesgeschichte im ausgehenden
18. Jhdt. Das vorliegende Buch faßt ältere und neue Forschungen
des Verfassers zusammen. Ohne Überraschungen zu bieten, vermittelt
es ein gründliches und sorgfältig erarbeitetes Bild, das
auch für die kirchliche Lage der Zeit typisch ist und die religiösen
Fragen in charakteristischer Weise wiedergibt.

Nähere Kenntnis handschriftlicher Bestände der Gallitzin-,
Fürstenberg- und Buchholtz-Nachlässe befähigt ihn, einzelne
Genrebilder zu entwerfen und das Leben in dem von der Aufklärung
berührten, für das geistige Leben der Zeit aufgeschlossenen
Kreise mit neuen Farben zu malen. Die Kleinmalerei
verdeckt bisweilen die durchgehenden Linien. Das Buch besitzt
aber seine unzweifelhaften Vorzüge, indem es gleichsam einen
Kommentar zu den Schriften der Beteiligten bietet. Im Vordergrunde
stehen neben der Fürstin Gallitzin durchaus Fürstenberg
und Overberg. Gestalten wie Hamann und Jacobi bleiben, obwohl
sie zu den bedeutendsten dieses Kreises gehören, mehr im
Schatten.

Die solide Arbeit verdient Anerkennung. Es sei hervorgehoben
, daß der Verfasser als Beilage z. T. erstmalig 87 Briefe veröffentlicht
. Dadurch wird der Wert des Buches noch besonders
erhöht.

Münster/Westf. R. Stupperich

N e w a 1 d, Richard: Die deutsche Literatur vom Späthumanismus zur
Empfindsamkeit. 1570—1750. München: C.H.Beck 1951. VII, 556 S.
8" = Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur
Gegenwart. Von Helmut de Boor und Richard Newald. 5. Bd. =
Handbücher für das germanistische Studium. DM 18.— ; Lw. DM 22.—

Das vor Jahrzehnten neuerwachte Interesse am deutschen
Schrifttum der Barockzeit bescherte uns die Gesamtdarstellungen
von Cysarz, Günther Müller und Hankamer. Ihnen reiht sich nun
Newalds Buch an. Zwar befaßt sich dieses auch noch mit der Aufklärungsepoche
, sein letzter Teil nimmt jedoch nur ein Sechstel
vom Umfang des ganzen Werkes ein und ist daher mehr skizzenhaft
gehalten, womit aber nicht gesagt sei, daß er keinerlei neue
Beiträge zur Kenntnis auch dieser Literaturepoche enthielte. Newalds
Herkunft aus den Stammländern der alten Donaumonarchie
und sein jahrelanges Wirken an der Universität Freiburg
in der Schweiz geben seiner Darstellung das Gepräge. Er sdienkt
sein Augenmerk der oft so stiefmütterlich behandelten österreichischen
Dichtung und bespricht besonders eingehend das religiöse
Schrifttum der deutschen Barockzeit, das deutsche wie auch