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Ausgabe:

1954 Nr. 10

Spalte:

620-621

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Dokumente 1954

Rezensent:

Wolf, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 10

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(audi die sicher echte Intentio regulae des Frater Leo wäre hierfür heranzuziehen
), sind aber gegenüber dem sonstigen Text des Spec. maius selten
. Von einem „bedeutenden Anteil" des Bruder Leo an dem Spec. maius
kann keine Rede sein.

Auch das Verhältnis des Speculum perfectionis zur Vita 2 Celano
wird neu auf die Frage hin zu überprüfen sein, ob nicht das
Abhängigkeitsverhältnis gerade umgekehrt ist, wie Sabatier es
sich dachte, nämlich daß Spec. maius von dem Celanen abschreibt.
Doch stehen wir mit solchen Andeutungen bereits in der Aussprache
. Jedenfalls hätte diese Übersetzung der Forschung einen
wertvollen Dienst geleistet, wenn sie zu einer neuen Untersuchung
des Speculum perfectionis anregen würde.

Kiel Carl Andresen

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Stephan, Horst, Prof. i. R.: Luther in den Wandlungen seiner Kirche.

2. Aufl., neu bearb. u. bis zur Gegenwart fortgeführt. Berlin: Töpel-
mann 1951. VIII, 135 S. gr. 8°. DM 8.50.

E. W. Zeeden hat in seinem 1950 erschienenen Buch „Martin
Luther und die Reformation im Urteil des deutschen Luthertums
" H. Stephans erstmals 1907 erschienene Skizze ziemlich herb
beurteilt (den Vf. „interessiert nicht, wie die einzelnen Zeitalter
Luther gesehen, sondern wieweit sie ein den modernen Historiker
befriedigendes Bild von dem Reformator überliefert haben
"), widerspricht aber dann S. 97 selbst der Begründung seines
Urteils (S. 6, Anm. 4). Gegenüber der 2. Aufl. von Stephans Buch
wird Zeedens Kritik sich kaum wiederholen lassen. Stephan hat
die erste Fassung durchgängig überarbeitet und stark erweitert,
namentlich im V. u. VI. Kap. (Luther im deutschen Idealismus;
Luther im 19. Jhdt.), und durch ein Kap. VII (Luther im Jhdt.
der Krisis), das fast ein Drittel des Ganzen ausmacht, ergänzt.
Es ist ihm durchaus bewußt, mit seiner Darstellung „eine schmale
aber doch lehrreiche Linie der deutschen Geistesgeschichte" nachzuzeichnen
, wofür die „Kirche Luthers" recht weit gefaßt wird.
Das Urteil ist dabei stets sorgfältig abgewogen, die Buntheit des
Bildes recht anschaulich betont, und zwar nicht nur, soweit-es
von Theologen gestaltet ist, sondern auch in einem größeren
kulturgeschichtlichen Rahmen. Die Frage nach dem Anteil der
Beschäftigung mit Luther an der Überwindung der Aufklärung
wird so z. B. zwar ziemlich negativ, aber sachlich doch wohl zutreffend
beantwortet; A. Ritschis Bedeutung für die,.Wiederbegegnung
" mit Luther wird eindrucksvoll davon abgehoben (S. 79 ff.),
ebenso werden das Bleibende „kirchenfremder Lutherliebe" (R.
Eucken, A.Berger, C.F.Meyer, Geibel), aber auch die starke „Verbürgerlichung
" Luthers zu Beginn des 19. Jhdts. und die durch
sie wachgerufene Abneigung gegen Luther vorgeführt. Kap. VII
dürfte am meisten interessieren. St. bemüht sich, die Wandlung
des überlieferten Lutherbildes im Ganzen der theologischen und
weltanschaulichen Krise des 20. Jhdts in ihren wesentlichen Linien
zu erfassen, bis hin zur nationalistischen Mythisierung
(Schomerus, Deutelmoser) und zum „Gegenmythus" (Thomas
Mann, W. von Hanstein, aber auch, wohl etwas zu summarisch
eingeordnet, K. Barth). Neben die Versuche einer z.T. noch durch
den Idealismus bestimmten neuen historischen Einordnung Luthers
durch Troeltsch (geistesgeschichtlich) R. Seeberg (theologiegeschichtlich
) und Peuckert (kulturgeschichtlich) tritt die
durch die neuere Lutherforschung vermittelte theologische Neubegegnung
mit dem Reformator; Holl (Gewissensreligion), Barth
(der Lehrer der Kirche), das Neuluthertum (der „ganze" Luther).
Ähnlich wie einst W. Köhler (Luther und Luthertum in ihrer
weltgeschichtlichen Auswirkung. 1933, S. 134) urteilte, daß das
Lutherverständnis der dialektischen Theologie „vielfach historisch
als das richtige erscheint", meint auch Stephan (der Köhler
nicht erwähnt) von Barth, welcher trotz seiner Kritik an Luther
auf politischem Gebiet „in all seinen Wandlungen dem Reformator
treu" geblieben sei (112): „Rein historisch betrachtet,
mag Barth die Gestalt Luthers an manchen Punkten richtiger sehen
als der neuere Protestantismus, vielleicht auch richtiger als
mancher Lutherforscher der Gegenwart" (116). Aber freilich:
„wirklich geschichtstreu sieht auch er ihn nicht". Vom Neuluthertum
(Preuß, Eiert, Sommerlath, Sasse) mit seiner „das Gemüt
einschließenden Tiefenbeziehung zu Luther" unter dem Gesichtspunkt
der Ganzheit kann dies auch nicht gelten. St. stellt
an ihm „romantische" Züge fest, vor allem an seinem Sakramen-
tarismus und seiner antispiritualistischen Betonung der „Inkarnation
", der Betonung des Naturhaften in seiner „anthropologischen
Hilfskonstruktion". Diese sei „biblisch... schwer zu
rechtfertigen" und lasse „wenig Raum für die Geistigkeit des
Menschen, auch nicht für die Fähigkeit des Hörens, des Sollens,
der Entscheidung" (123). Das Lutherbild dieses Neuluthertums
präsentiere sich so als „der Gegenwurf zu dem von Holl und
Barth". — Gewiß, derartige Urteile geben in Abbreviatur die
unmittelbaren und stärksten Eindrücke wieder, aber man wird
sie nicht einfach als zu „pauschal" abtun dürfen, zumal St. mit
ihnen nicht für eine eigene, vierte Position kämpft, sondern sehr
gründlich abzuwägen sucht. Allerdings, das Verhältnis der Lutherbilder
zueinander auf eine glatte Formel zu bringen hält auch
er nicht für möglich. Zwar sind mit der Mannigfaltigkeit auch
innere historische Zusammenhänge verbunden, an denen auch
ein gewisser „Fortschritt" feststellbar ist, aber das im historischen
Sinn gültige Lutherbild fehlt noch immer. Die Kategorien des
Reformators, des Kirchenlehrers und der schöpferischen Persönlichkeit
genügen alleine nicht. Der Begriff der Zeugenschaft und
der — gefährliche — des Propheten bieten sich als sachgemäßer an.

Im ganzen wie im einzelnen eine sehr anregende Studie,
die dazu helfen kann, innerhalb einer vielschichtigen „Lutherrenaissance
" wegweisende Ortsbestimmungen vorzunehmen.

Göttingen E. Wolf

Zeeden, Ernst Walter, Dez.: Martin Luther und die Reformation im

Urteil des deutschen Luthertums. II. Bd.: Dokumente zur inneren
Entwicklung des deutschen Protestantismus von Luthers Tode bis
zum Beginn der Goethezeit. Freiburg: Herder 1952. IX, 473 S. gr. 8°.
Lw. DM 23.50.

E. W. Zeeden, Dozent für Neuere Geschichte an der Universität
Freiburg, legt nunmehr die in dem ThLZ 1951, Sp. 271 ff.
angezeigten I. Band seines Werkes in Aussicht gestellte Textsammlung
— von Dokumenten wird man genau genommen nur
in einzelnen' Fällen sprechen können — vor. Ihre Auswahl ist
durch die These des ersten Bandes und deren Durchführung bestimmt
, also durch die Absicht, das die innere Geschichte des
Protestantismus gestaltende Spannungsverhältnis von Gewissensund
Schriftprinzip in seinen historischen Auswirkungen klarzulegen
. Luthers Zeitgenossen, die zweite Generation der Reformation
(Flacius, Spangenberg, Chyträus, Selneccer, Gloccer), die
Orthodoxie des 17. Jhdts. samt etlichen „Calvinisten", L. von
Seckendorf, Leibniz, Spener, G. Arnold und orthodoxe Gegner
des Pietismus, Cyprian, Löscher, Walch, Semler, Lessing, Goeze.
Friedrich IL, Justus Moser, Isaak Iselin, schließlich Herder, Hamann
und Jung Stilling werden über ihre Meinung zu Luther und
zum Protestantismus verhört, Jung Stilling nur knapp als „Zeuge
eines neuen Verhältnisses zwischen den Konfessionen". — Zur
Auswahl Stellung zu nehmen verbietet deren Festlegung durch
Band I. Man findet eine Fülle von Bekanntem, aber auch von
weniger oder gar nicht Bekanntem und kann das Ganze auch als
eine bequeme Zusammenstellung zu anderen Untersuchungen
über das Lutherbild in der Geistesgeschichte, z. B. zu dem schönen
Abriß von H. Stephan, gebrauchen. Die Texte werden in
deutschem Wortlaut dargeboten, wobei Z. neben vorhandenen
auch eigene Übersetzungen verwendet, die freilich nicht immer
glücklich sind. Vgl. z.B. S. 118 aus J. C. Dannhauers „Alethea
saneta sive vindex" (p. 130): „Ad Lutherum terminabantur ora-
cula Prophetarum praesaga quo genere divinae sponsionis olim
Timotheus prius Dei calculo notatus fuit quam hominum suffra-
giis electus — Auf Luther bemessen sind die weissagenden Sprüche
der Propheten. Eine solche Art göttlicher In-Dienst-Stellung
war es z. B. auch, durch welche einst Timotheus zuvor von Gott
erwählt worden war, noch bevor er durch die Abstimmung von
Menschen gewählt wurde." Wo die Texte nur in Ausgaben aus
der Zeit vor 1800 vorliegen, wird neben der Übersetzung der
„Urtext" abgedruckt. Angefügt sind (S. 395—437) Erläuterungen
„zu einigen weniger bekannten Sachen und Personen", leider
nicht ganz vollständig (so fehlt z. B. der kaum bekannte Georg
Gloccer) und zumeist im dürftigen Stil kleinerer Konversations-