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Ausgabe:

1954 Nr. 10

Spalte:

615-616

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lundström, Sven

Titel/Untertitel:

Zur Historia Tripartita des Cassiodor 1954

Rezensent:

Hanslik, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 10

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Der Schlußabschnitt (auctores veteres philosophi cruuntur,
S. 75—104) führt Andeutungen des Kommentars weiter aus und
sucht Spuren von Kerkidas, Cleanthes und anderen Stoikern sowie
von Heraclit nachzuweisen, Ausführungen, die sehr häufig
überlegte Zurückhaltung bekunden. Überall bewundert man gleichermaßen
die volle Literaturbeherrschung, die Reife des Urteil?
und das Geschick im Aufspüren verborgener Zusammenhänge.

In den eigentlich christlichen Partien dieses Gedichtes ist der
Kommentar nicht so eingehend gehalten wie in denen, die deutlich
den Anschluß an die sogen. Diatribe verraten. Ich denke hierbei
besonders an die Verse 19—21, 23—26, 104—111, 189—218,
die vom ßioq nve.vfiaxiy.öc: handeln, das Idealbild des Armen
zeichnen und darunter unverkennbar den Mönch verstehen. Hierüber
ließe sich manches sagen, Ausführungen aus anderen Schriften
Gregors könnten herangezogen werden, und ein Vergleich
mit einschlägigen Stellen aus Basilius wäre recht lehrreich. Die
Verbindung mönchischer Gedanken mit Mahnungen und Ratschlägen
der Diatribe ist auch sonst nachweisbar, findet sich bereits
bei Philo, dessen Einfluß im ganzen Gedicht spürbar ist. So
richtig die Schlußausführungen des Autors auch sind: suus fuit
dominus Semper: omnia quidem usurpavit. . ., sed tarnen nova
confecit (S. 104), so wird der Leser diesen Eindruck doch nur
dann erhalten, wenn beide Seiten gleichmäßig betont
werden. Den Wert dieses im flüssigen Latein geschriebenen Buches
sehe ich darin, daß es uns in zuverlässiger und überzeugender
Weise zeigt, wie verwurzelt Gregor in der antiken Bildungswelt
ist, wie er deren Schätze sich innerlich zu eigen gemacht hat, und
wie virtuos er die Regeln der Metrik und Rhetorik handhabt.
Behaupte ich zuviel, wenn ich mit dem Satze schließe, daß die
Auslegung dieses kurzen Gedichtes ein kleines Kabinettsstück
philologischer Interpretationskunst ist?

Mainz Walther Völker

Lundström, Sven: Zur Historia Tripartita des Cassiodor. Lund-
Gleerup [1952]. 32 S. gr. 8° = Lunds Universitets Arsskrift. N. F.
Avd. 1. Bd. 49, Nr. 1. sdiw. Kr. 3.25.

Daß sich Sven Lundström nach seinen Arbeiten zum lateinischen
Irenaeustext auch mit der Historia tripartita des Cassiodor,
besser gesagt des Cassiodor-Schülers Epiphanius bechäftigt hat,
das hat seinen guten Grund: wir dürfen von diesem hervorragenden
schwedischen Gelehrten eine große Arbeit über das Übersetzungslatein
erwarten. Das verlangt zunächst Detailarbeit an den in Frage
kommenden Texten. Unter ihnen aber nimmt die Historia tripartita
eine hervorragende Stellung ein, da von diesem Werk in den
Kirchengeschichten des Sokrates, Sozomenos, Theodoret und des
Theodorus Lector die griechischen Vorlagen erhalten sind. Für
seine Arbeit glaubte Lundström auf das Erscheinen der geplanten
Ausgabe der Historia tripartita im CSEL nicht hoffen zu können,
da der dafür in Aussicht genommene Bearbeiter, Walter Jacob,
vom Kriegsschauplatz nicht mehr zurückgekommen war. So ging
er daran, nicht auf Grund der Handschriften, die ihm nicht zur
Verfügung standen, sondern auf Grund seiner philologischen Schulung
sich den Text selbst zu erstellen, soweit er ihn brauchte. Er
wußte nicht, daß ich an dessen Edition arbeitete, die im gleichen
Jahr 1952 erschien, und ich wußte leider nichts von Lundströms
Arbeiten; sie wären der Ausgabe sehr zugute gekommen. Trotz
des erschienenen Textes jedoch, oder besser gesagt, im Verein mit
ihm haben die Untersuchungen des schwedischen Gelehrten ihren
großen Wert für jede künftige philologische Arbeit an der Historia
tripartita. Ich möchte besonders darauf hinweisen, daß Lundström
sofort nach dem Erscheinen meiner Ausgabe in einem vorzüglichen
Artikel: Sprachliche Bemerkungen zur Historia tripartita
des Cassiodor im Archivum Latinitatis Medii Aevi XXI11
(1953) Stellung genommen und viel Lehrreiches gesagt hat. In der
hier zu besprechenden Schrift heilt Lundström zunächst eine Reihe
von Stellen bei Migne bloß auf Grund von Beobachtungen über
den Rhythmus, alle völlig richtig bis auf VII 30, 4 = 1090 D,
wo nicht memoriae contradetur, sondern memoriaeque contraditus
zu lesen ist und kein cursus velox, sondern ein cursus tardus vorliegt
. Bis auf Kleinigkeiten sind richtig auch die Korrekturen, die
S. 8—13 gegenüber Garets Ausgabe gemacht sind, wo dieser geglaubt
hatte, von den ihm zur Verfügung stehenden Handschriften
abweichen zu sollen. Das kommt vor allem Konstruktionen von

Verben der Bewegung zugute, die nicht nach klassischem Sprachgebrauch
geändert werden durften. Auch in einem anderen Abschnitt
, S. 13—16, wo Lundström wenigstens durch irgend eine
Angabe Garets über Handschriften oder durch die griechischen
Vorlagen einen Anhaltspunkt hatte, hat er mit sicherem Instinkt
das Richtige getroffen. Nur VIII 1, 169 = 1106 D ist doch nicht
deo de eo, sondern nur deo zu lesen und VI 9, 7 = 1035 D heißt
es richtig: per totam pompavere (nicht pompaverunt) civitatem et
circa sera (nicht sero). Schwierig war es natürlich, an die Heilung
von Stellen heranzugehen (S. 16—31), wo jede Grundlage an Handschriften
fehlte. Für mich ist es da besonders erfreulich zu sehen,
daß Lundström mit mir übereinstimmt, wo ich gegen die gesamte
Überlieferung geändert hatte. So hatte ich VII 10, 34 = 1076 B
ein non getilgt, was auch Lundström tut; IV 34, 1 hatte ich [non]
fortuitis geschrieben, ebenso Lundström; IX 30, 27 einhellig überliefertes
causam zu pausam geändert, so auch Lundström. Ansprechend
ist Lundströms Vorschlag, V 7, 44 = 989 B gegen alle
Hss. statt ante Mariam zu lesen: ex Maria; VII 2, 167 = 1067 A
statt responso zu lesen responsum. Manchmal kommt Lundström
dem Richtigen sehr nahe, so IX 14, 151 f. = 1133 A, wo er Garets
inhumanationes vero Domini zu inhumanationis vero Christi
sermonem verbessert, wo bloß statt sermonem einzusetzen ist:
verbum; ebenso ist IX 37, 27 = 1153 A treffend Garets ecclesiis
zu apostolis geändert, nur ist davor noch et aufzunehmen. An vielen
Stellen ist durch die Kenntnis der üblichen Fehlerquellen wie
Ausfall von Buchstaben oder Silben, von abgekürzten Worten,
Anpassung einer Endung an ein benachbartes Wort, Garets Text
wirklich emendiert. Natürlich gelingt das nicht immer; daß die
heikle Stelle XII 2, 19 = 1201 D durch Lundströms Vorschlag in
Ordnung sein soll, glaube ich nicht recht. Die Ausführungen über
VII 8, 14 = 1073 C super vos sind hinfällig, da nach meinen
Aufzeichnungen alle guten Hss. supra bieten. Mit welcher Vorsicht
man die griechischen Vorlagen zur Korrektur heranziehen
muß, zeigt mir z. B. IX 42, 16; da steht bei Sozomenos, der Nil
habe das Land überflutet und im Theater von Alexandria hätten
Leute aufgeschrien, weil der Fluß wie ein Greis und Wahnsinniger
f£ovprjaFV. In der Historia trip. steht quia velut senex et dele-
rus (so!) evanuisset Nilus. Hier statt evanuisset zu schreiben
eminxisset, geht m. E. deshalb nicht an, weil Epiphanius solche
,,unzüchtigen" Worte und Wendungen öfters nicht wiedergibt,
sondern lieber sinnlosestes Zeug dafür einsetzt. Auch in VIII
1, 258 muß man den Mönch Dorotheus doch ,,im Dreck", in ster-
core einschlafen lassen und nicht auf der Binsenmatte, in storea,
da hier der griechische Genitiv gmoc mit dem Nominativ gvnoq
von Epiphanius verwechselt wurde. Besonders sattelfest im Griechischen
war er nicht.

Überlegt man rückschauend, unter welch schwierigen Umständen
Lundström eine Unmenge von Stellen in dem schwer verderbten
Garet-Text geheilt hat, so steht man einer bedeutenden
philologischen Leistung gegenüber, würdig des Namens ihres
Verfassers.

Wien Rudolf Han«Iik

Augustinus, Aurelius: Die Lüge und Gegen die Lüge. Übertr.
u. erläut. v. Dr. Paul Keseling. Würzburg: Augustinus-Verlag 1953.
IL, 158 S. 8° = St. Augustinus, Der Seelsorger. Deutsche Gesamtausgabe
seiner moraltheol. Schriften. Im Auftr. d. deutschen Provinz
der Augustiner-Eremiten hrsg. v. A. Kunzelmann u. A. Zumkeller.
Geb. DM 14.20.

Im Auftrage der Deutschen Provinz der Augustiner-Eremiten
geben P. Dr. Kunzelmann und P. Dr. Zumkeller die moraltheologischen
Schriften Augustins in deutscher Übersetzung heraus
. Die Reihe trägt den Titel: Sankt Augustinus, Der Seelsorger,
und ist auf 12 Bände berechnet. Aus dieser Reihe liegt hier der
Band zur Besprechung vor, der die Schriften: „Über die Lüge"
und „Gegen die Lüge" enthält.

„De mendacio" ist um 395 entstanden und spiegelt Augustins
„unablässiges, mühevolles Ringen mit den Schwierigkeiten
des ethischen Problems der Lüge" (S. XXII) wider. Augustin
selbst urteilt über diese Schrift, daß sie „cum aliquo labore in-
telligitur, habet tarnen non inutilem ingenii et mentis administra-
tionem magisque moribus ad veriloquium diligendum proficit"
(Retr. I 26, CSEL XXXVI, 129 s.). Er wollte sie nach seiner