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Ausgabe:

1954 Nr. 10

Spalte:

611-614

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Jentsch, Werner

Titel/Untertitel:

Urchristliches Erziehungsdenken 1954

Rezensent:

Foerster, Werner

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 10

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Die Herausgeber haben sich darauf beschränkt, die Texte
abzudrucken, und sowohl auf textkritische Bemerkungen wie auf
sachliche Erläuterungen verzichtet. Die einzelnen Stücke sind nicht
datiert, und im allgemeinen wird nicht einmal ihr genauer Fundort
angegeben. Das kann man natürlich bedauern. Doch hat dies
Verfahren bei einer Anthologie, die im akademischen Unterricht
gebraucht werden soll, auch seinen guten Sinn, weil auf diese
Weise die Benutzer unnachsichtlich zur eigenen Bemühung um
die Texte genötigt werden. Ein glücklicher Gedanke ließ die Herausgeber
dem Buch zudem 16 Tafeln mit Abbildungen von spanischen
hebräischen Handschriften (auch Bibel), Urkunden und Inschriften
der verschiedensten Art beigeben. So läßt sich mit seiner
Lektüre auch eine Einführung in das Lesen von hebräischen Originalen
und in die Schriftarten des nachbiblischen Hebräisch
verbinden.

Alles in allem: Hier liegt ein Textbuch für den Unterricht im
nachbiblischen Hebräisch vor, wie wir es in Deutschland bis jetzt
nicht haben. Um so mehr sollten auch wir es uns zunutze machen,
zumal es, vom Vorwort und von einzelnen Überschriften abgesehen
, spanische Kenntnisse beim Benutzer nicht voraussetzt. Es
ist durchaus geeignet, auch bei uns anregend und fördernd zu
wirken.

Münster/Westf. Karl Heinrich Rengstorf

Tbomsen, Peter f: Die Palästina-Literatur. Eine internationale Biblio-
rfl ' graphie in systematischer Ordnung mit Autoren- und Sachregister
hrsg. VI. Bd. Lfg. 1. Berlin: Akademie-Verlag 1953. 15*, 288 S.
gr. 8°. DM 28.—.

Thomsens Bibliographie der Palästinaliteratur ist ein seit
Jahrzehnten eingeführtes und anerkanntes Unternehmen, das in
den Spalten dieser Zeitschrift immer wieder mit Dank gegen den
Verfasser und den Verlag angekündigt worden ist, zuletzt
BandV in ThLZ 63 (1938)' Sp. 437 f. Der neue Band führt die
Sammlung und Rubrizierung aller nur erreichbaren Bücher und
Aufsätze, die sich irgendwie mit Palästina beschäftigen, über das
Jahr 193 5 hinaus fort. Eine Unklarheit besteht insofern, als das
Titelblatt als untere Grenze des bearbeiteten Zeitraumes das
Jahr 1944 nennt, während im Vorwort nur von 1939 die Rede
ist. Die vorliegende Lieferung 1 enthält, so weit ich sehe, nichts
nach 1939 Erschienenes. Anscheinend soll der im Vorwort erwähnte
7. Band, dessen Manuskript von Thomsen ebenfalls fertiggestellt
sei, nun den Rest bringen. Man kann nur staunen über
den Sammeleifer und die Entsagung, mit der der hochbetagte
Herausgeber seine Arbeit geleistet hat, und ihm von Herzen
dankbar sein. Das Verzeichnis der Abkürzungen der kontrollierten
Zeitschriften und Sammlungen des In- und Auslands umfaßt
allein elf eng bedruckte Seiten; dazu kommt die Menge der
nichtabgekürzten Monographien usw. Kein Wunder, daß die
18 Bogen der 1. Lieferung erst die Abschnitte I. Allgemeines
(S. 1—118: Bibliographien, Buchhändlerische Anzeigen, Zeitschriften
, Sammelwerke, Enzyklopädien, Jahresberichte, Biographisches
) und II. Geschichte (S. 120—288: A. Gesamtdarstellungen
, B. Zeitrechnung, C. Religionsgeschichte, D. Einzelne Zeiträume
bis Abteilung 4 „Zur jüdischen Geschichte (a. Quellen)
b. Darstellungen" umfaßt. Noch stehen völlig aus die Abschnitte
III. Archäologie, IV. Historische Geographie und Topographie
, V. Geographie, VI. Palästina heute samt den besonders
wertvollen Registern. Die Drucklegung haben L. Rost und
F. Maass in Berlin überwacht. Sie wollen die Arbeit auch über den
7. Band hinausführen. Man kann ihnen nur alles Gute dazu wünschen
. — PS. Peter Thomsen ist im Mai heimgegangen. So ist
dieser Band der letzte gewesen, den der fast Erblindete noch erlebt
hat. Das Werk bleibt als Denkmal, das Peter Thomsen sich
selbst gesetzt hat.

Tübingen Karl El liger

NEUES TESTAMENT

Jen t sc h, Werner: Urchristliches Erziehungsdenken. Die Paideia Kyriu
im Rahmen der hellenistisch-jüdischen Umwelt. Gütersloh: Bertelsmann
[1951]. 302 S. gr. 8° = Beiträge zur Förderung christl. Theologie
, hrsg. v. P. Althaus u. J. Jeremias. 45. Bd., 3. H. DM 16.—.

Der Ausgangspunkt zu dieser Arbeit war die Frage, was
sich aus dem Neuen Testament für die Aufgabe einer christlichen

Jugenderziehung gewinnen lasse. Sie führte nach zwei Richtungen
von selbst weiter, einmal zur Frage nach dem neutestamentlichen
Erziehungsdenken überhaupt, zum anderen zu der nach der Erziehung
in der Umwelt des Neuen Testaments.

Nach einem kurzen geschichtlichen Überblick über die bisherige Behandlung
des Problems werden zunächst einige Grundbegriffe geklärt,
wobei die Unterscheidung von Zucht und Unterweisung für die Folge
besonders wichtig ist. Die drei großen Abschnitte, in die sich das Buch
gliedert, — das Erziehungsdenken in der griechisch-römischen Umwelt
— in der alttestamentlich-jüdischen Umwelt — im Neuen Testament —
sind je mit einem sprachlichen Abschnitt eingeleitet. In der Umwelt des
Neuen Testaments tritt uns griechische Erziehung als Entfaltung
des Menschentums und alttestamentlich-jüdische Zucht als
seine Begrenzung entgegen, beide Welten berühren sich in dem
hellenistisch beeinflußten Judentum. Treffend ist J.s Formulierung, daß
das Judentum aus seiner Religion eine Paideia, das Griechentum aus
seiner Paideia eine Religion gemacht habe. (239)

Die griechische Entwicklung wird mit ihren verschiedenen
, geschichtlich wirksam gewordenen Erziehungstypen charakterisiert
und dann einige Männer aus der weiteren Umgebung des Neuen
Testaments etwas ausführlicher behandelt: Musonius, Seneca, Epictet,
Marc Aurel und (Ps.-) Plutarch. Das Ergebnis charakterisieren folgende
Sätze: „Die griechisch-römische Pädagogik hält den Erzieher weithin
für erziehungsmächtig . . . und den Zögling für erziehungsfähig . . . Der
griechisch-römischen Erziehung fehlt es zwar nicht an Eros, aber an
selbstverleugnender Liebe zum Zögling, die um Distanz und Verbindung
weiß . . ." Wegen mancher „großen, z. T. einsamen Männer", die
etwas von der Grenze der Erziehung ahnten, „kann auch die griechische
Pädagogik zur Zeit des NT nicht in Bausch und Bogen abgelehnt werden
: sie hat etwas Großes an sich. Ihre religiöse, z.T. gottgläubige
Haltung läßt sich nicht leugnen." (S. 83 f.)

Das Alte Testament dagegen hat kein sich selbst tragendes
Erziehungsideal. Wenn überhaupt von einem Erziehungsziel gesprochen
werden kann, „so kann es sich nur um das Hineinwachsen des einzelnen
Volksgliedes in die Gebundenheit Gesamtisraels an Jahwe handeln"
(94). Der junge Mann in Israel wächst durch die väterliche Gewalt und
Zucht, durch Gewöhnung, durch Teilnahme an den Festen u. ä. in die
Geschichte seines Volkes und ihre Verpflichtung hinein. „Dem alttesta-
mentlichen Menschen bedeutet Zucht ein besonderes Konkretwerden der
Bindung an Jahwe." (110)

„Das Neue Testament scheint auf die Erziehungsfrage eine
ihm eigentümliche, pädagogisch nicht mehr faßbare, eben die neu-testamentliche
Antwort zu geben, die es auf alle Fragen des Lebens zu erteilen
gewohnt ist." (140). Beides, Zucht und Bildung, stehen unter der
Kritik des Evangeliums „und die eigentümliche Spannung im Verhältnis
der beiden Erziehungen zueinander wird überboten von der neuen, umfassenderen
Spannung .Erziehung und Evangelium'" (150). Darum kann
das Neue Testament viel von seiner Zeit übernehmen und fügt den
vorhandenen Erziehungsanschauungen keine neue hinzu. Das cn kyriö
der Erziehung des Neuen Testaments trägt vielmehr den Charakter
eines „Vorzeichens vor der Klammer", das Neue Testament gibt keine
neuen Einzelanweisungen für die Erziehung, wohl aber ein neues Motiv:
Liebe und Selbstverleugnung.

Im einzelnen unterscheidet J. in einem ersten Abschnitt auch im
Neuen Testament die Bedeutungsnuancen des Wortes paideuein, Zucht
und Bildung, die sich beide in ihm finden. Dann werden zunächst die
Hauptstellen, an denen sich das Wort paideuein/paideia findet, besprochen
, und in einem zweiten Abschnitt unter der Überschrift: „Gott als
Erzieher" zunächst ausführlich Hebr. 12 besprochen (alttestamentlicher
Paideia-Begriff), dann unter der Überschrift „Das Gesetz als Erzieher"
Gal. 3, 24 ff. („An der Negativität des Fädagogen-Bildes läßt sich nicht
herumkorrigieren" [178], m. E. zu Recht), endlich unter der Überschrift
„Die Gnade als Erzieher" die Stellen der Pastoralbriefe (2. Tim. 3, 16
liegt „ein Sachverhalt zugrunde, der nicht aus der Welt zu schaffen ist:
daß Verstehen und Erziehung auch im Allerheiligsten einander korrespondieren
", 180 f.; Tit. 2, 11 „arbeitet die Kraft der Gnade zu realer
Neugestaltung vorbildlich heraus", 185).

Der dritte Abschnitt, „Der Mensch als Erzieher", geht von Eph. 6, 4
aus. Leider wird diese Stelle, die für J. fundamental ist, nicht sorgfältig
exegesiert und weder der Gegensatz von vs. 4a zu 4b für das Verständnis
ausgewertet, noch die Nebeneinanderstellung von paideia und nuthe-
sia; über den letzteren Begriff wird erst viel später einiges gesagt. Mit
Recht wird der Genitiv kyriu Eph. 6, 4 als Genitivus limitationis oder
(wohl besser) qualitativus bestimmt und aus der kyriotes Jesu die Folgerung
gezogen, daß damit „auch der Raum des Erzieherischen . . . von
dem Kyrios her in Frage und unter seine Botmäßigkeit gestellt" ist
(192). So tritt neben das anthropozentrische und das theozentrische
das kyriozentrische Erziehungsdenken. Das „aeonologische" Denken der
Urchristenheit hilft uns dazu, die Spannung von Gesetz und Evangelium
, von Paideia und Kyrios zu begreifen: der neue Äon ist bereits
angebrochen, aber er hat die doppelte Struktur des „schon" und „noch