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Ausgabe:

1954 Nr. 10

Spalte:

610-611

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Cantera Burgos, Francisco

Titel/Untertitel:

Antología hebraica postbíblica 1954

Rezensent:

Rengstorf, Karl Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 10

610

Ein Exkurs versucht, das „königliche Zionfest" als Ursprungsort
der messianischen Hoffnung aufzuzeigen
; der bei dem Fest immer neu vernommene und vergegenwärtigte
Zuspruch Jahwes an den davidischen König erweckt die
Sehnsucht nach dem vollkommenen David, dem zukünftigen
Heilskönig.

6. Im Exil habe Deuterojcsaja durch seine Verkündigung,
daß Jahwe zum Zion zurückkehrt und das Königtum selbst antritt
, die Umgestaltung des bedeutungslos gewordenen
,,königlichen Zionfestes" herbeigeführt; wichtigste Belegstelle:
Jes 52, 7-10.

7. In der Einzugsprozession des am l.Tischri begangenen
Neujahrsfestes, dessen Liturgie in den ersten Versen der
Psalmen 50. 81 und 95 entdeckt wird, habe sich ein Rest des
vorexilischen „königlichen Zionfestes" erhalten, nämlich dessen
erster Akt: der Aufzug der Lade zum Zion.

8. In dieser Einzugsprozession, die mit der Inthronisation
Jahwes ihren Abschluß fand, sollen die Thronbc-
steigungspsalmen ihren Sitz im Leben haben.

Diese kurze Inhaltsangabe vermag kaum einen Eindruck davon
zu geben, wie zielbewußt und gewandt der Verf. seine Hypothese
entwickelt und verficht. Und doch weist das Gefüge seiner
Schlüsse und Folgerungen sehr schwache Stellen auf.

Zunächst verspricht der Titel des Buches zu viel. Das gewaltige
Thema der „Königsherrschaft Gottes im AT" ist nicht
in Angriff genommen. Das Buch hat auch in der vorliegenden
Form nur den Titel verdient, den die ihm zu Grunde liegende
Bonner Habilitationsschrift trug: „Das königliche Zionfest",
denn auf den Erweis dieses Festes zielt die ganze Untersuchung
ab. Auch die Behandlung der Thronbestcigungspsalmen ist ganz
daran ausgerichtet.

Die Selbstverständlichkeit, mit der der Beweis für die Herkunft
des Messiasglaubens aus der Feier des „königlichen Zionfestes
" geführt wird (S. 90—99), ist für die heute verbreitete
Überschätzung des Kults im Leben Alt-Israels bezeichnend.

In den Paragraphen 6—8 werden die Verse Jes 52, 7—10 zur
entscheidenden Beweisstelle für die Umwandlung des „königlichen
Zionfestes" durch die Prophctie Deuterojesajas erhoben
(S. 103—109. 119—122), die Psalmen 50,1-3 81,1-6 und
95,1—7 als Kultlyrik des Neujahrsfestes (S. 116 f.) und die
Thronbesteigungspsalmen als Liturgie seines einführenden Kultaktes
, der Einzugsprozession erklärt (S. 123-143). Die Argumentation
ist hier sehr eindrucksvoll. Sie hat aber eine zu schmale
und unsichere Basis, um überzeugend zu sein. Auch dabei bleibt
die form- und kultgeschichtliche Analyse und Deutung Konstruktion
.

Ohne große Mühe rechtfertigt K. seine Behauptung von der
Umgestaltung des „königlichen Zionfestes" durch Deuterojesaja
vor der geschichtlichen Tatsache, daß einige Jahre nach Deuterojesaja
ein Mensch in Fleisch und Blut von Propheten und Priestern
zum messianischen König erklärt wurde (Hag. Sach).

Die Auseinandersetzung mit der „Llppsala-Schule" bleibt
auf wenige Bemerkungen, meist am Rande, beschränkt.

Wenn von wichtigen Aussagen der „mischnischen Tradition'
gesprochen wird (S. 119), wüßte man gern die Belegstellen.

Im Stil der im übrigen gut geschriebenen Arbeit wirkt die
übertriebene pädagogische Rhetorik der vielen Fragen und rein
formalen Belehrungen störend.

Die entscheidende Argumentation dafür, daß es im alten
Israel ein königliches Zionfest gegeben habe, erfolgt in § 3: Aus
der Parallelität von 1 Kön 8 und II Sam 6 sei auf eine wiederholte
festliche Aufführung des Einzugs der Lade zu schließen.
Beide Berichte tragen jedoch so deutlich den Stempel des Einmalig
-Historischen (wie der Verf. in Anlehnung an L. Rost gegen
Mowinckel selbst geltend macht, S. 31), daß auch die Darlegungen
über den Inhalt und Zusammenhang der Kapitel (Verbindung
von II Sam 6 und 7) und über die Art der „Publikation"
des hieros Iogos (S. 38) keinesfalls als Beweis für einen festen
Ritus der Ladeprozession angesehen werden können. Die betonte
Sicherheit, mit der K. das tut, ist unverständlich; die sehr anfechtbare
Behauptung, daß kein Kommentar die „Identität der

Kuhakte" von II Sam 6 und I Kön 8 „ernstlich in Frage stellt"
(S. 41), ist dahin zu erläutern, daß die meisten Kommentare gar
nicht auf den Gedanken kommen, in II Sam 6 und I Kön 8 den
Beweis für einen regelmäßigen Kultakt der Ladeüberführung zu
sehen. Da der Verf. Mowinckels Thronbesteigungsfest-Hypothese
in so beredter Weise als zu gewagt und unvorsichtig hinstellt
(S. 22 f. 28 f. 142) und die at-Iiche Wissenschaft zu Nüchternheit
und Vorsicht mahnt (S. 23), ist man sehr begierig auf seine
Gründe für die Annahme eines „königlichen Zionfestes". Der
Rezensent gesteht, die entscheidenden Seiten (38—59) mit gespannter
Erwartung des mehrfach angekündigten (und schließlich
konstatierten) Beweises gelesen zu haben. Aber außer den fragwürdigen
Folgerungen aus der „Parallelität" von II Sam 6 —
I Kön 8, dem überbelasteten Vers I Kön 8, 16 und der kulthistorischen
Ausbeutung von Ps 132 kann kein diskutables Indiz für
die Existenz dieses Festes angeführt werden; und damit erhebt
sich der schwerste Einwand: das „königliche Zionfest" ist eine
Konstruktion, die ein noch schwächeres Fundament hat als Mowinckels
„Thronbesteigungsfest". Gewiß könnte man auf dies?
Art noch andere Feste „entdecken". Es fragt sich nur, ob die gewagte
Hypothese der at-lichen Wissenschaft auch heute noch
förderlich ist. Sofern für einen neuen Versuch der Aufhellung
tausendfach durchleuchteter Texte kein neues Material beigebracht
werden kann, geht es im wesentlichen darum, die Forschungsarbeit
zu sichten; und dabei sollte heute der Hauptgesichtspunkt
sein, die gesicherten Ergebnisse und textlich wirklich
gestützte und gut begründete Schlußfolgerungen von rein hypothetischen
Herleitungen zu sondern.

Berlin F. Miass

Cantcra y Burgos, Francisco, u. Perez'Castro, Federico:
Antologia Hebraica Postbiblica. Madrid: Faculdad de Filosofia y
Letras, Instituto Arias Montano (zu beziehen durch Libreria Cienti-
fica Medinaceli, Madrid) 1953. VIII, 150S., löTafeln, 8°. Kart.
Pes 75.—.

Von dem bemerkenswerten Aufblühen der hebraistischen
Studien in Spanien, die in dem Instituto Arias Montano des Con-
sejo Superior de Investigaciones Cientificas in Madrid über ein
großzügig gefördertes wissenschaftliches Zentrum verfügen, legt
die Antologia Hebraica Postbiblica der beiden Vertreter des Hebräischen
an der Universität Madrid ein weiteres schönes Zeugnis
ab. Aus ihrer Zusammenarbeit ist ein ebenso handliches wie nützliches
Arbeitsbuch für den akademischen Unterricht entstanden.
Die ausgewählten Texte, sämtlich unvokalisiert, reichen vom hebräischen
Sirach bis zu Samuel David Luzzatto, Mendele Mochcr
Sefarim, Achad Haam und Bialik und ermöglichen einen unmittelbaren
, zuverlässigen Überblick über die Entwicklung des Hebräischen
in nachbiblischer Zeit. Dankenswerterweise geschieht das
mit Hilfe von Texten, die neben der zunächst angestrebten sprachlichen
Belehrung eine Fülle von Iiteratur- und religionsgeschichtlichen
Kenntnissen vermitteln und da und dort auch an wichtige,
nicht ohne weiteres zugängliche historische Quellen heranführen.
So ist neben einem Stück aus der Damaskusschrift (7, 1—9, 13
Rost) schon ein Abschnitt aus dem Manual of Discipline (III 13—
IV 14) aufgenommen. Auf ausgewählte Proben aus der Haggadn
und der Mischna folgen zwei Piutim, darunter Jannais berühmtes
„Und es geschah um Mitternacht. . .", ein Abschnitt aus Saadja
und Raschis Kommentar zu Gen. 1 und zu Ps. 2. Besondere Aufmerksamkeit
ist, da das Buch zunächst für spanische Studenten
bestimmt ist, der spanisch-hebräischen Literatur gewidmet. Die ihr
entnommenen Texte bilden den gewichtigen Hauptteil des Ganzen
(S. 31—118). Hier begegnen die bedeutendsten Geister der Blütezeit
des spanischen Judentums in Dichtung und Wissenschaft wie
Gabirol, Mose ibn Esra, Jchuda ha-Levi, Maimonides und Nach-
manides, aber auch Benjamin von Tudela und Salomo ibn Verga,
sowie Abraham Zakuto. Sogar Josua aus Lorca, ein Konvertit, der
sich nach seiner Taufe unter dem Namen Geronimo de Santa-Fe
der Judenbekehrung widmete, an dem für die spanischen Juden so
folgenreichen Rcligionsgespräch von Tortosa (1413/14) auf der
christlichen Seite führend beteiligt war und später die in seiner
Jugend erworbene gründliche rabbinische Bildung auch literarisch
für seine Missionsarbeit fruchtbar zu machen suchte, ist mit einem
hebräischen Brief an den Bischof Paul von Burgos, der ebenfalls
getaufter Jude war, vertreten.