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Ausgabe:

1954 Nr. 10

Spalte:

605-606

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Molin, Georg

Titel/Untertitel:

Die Söhne des Lichtes 1954

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Seite 1

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605

Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 10

606

ALTES TESTAMENT

M o 1 i n, Georg: Die Söhne des Lichtes. Zeit und Stellung der Handschriften
vom Toten Meer. München - Wien: Herold [1954]. 245 S.
1 Kte, gr. 8°. Brosen. DM 14.80; Lw. DM 17.50.

Der erste der drei Teile, in die das vorliegende Buch gegliedert
ist, „Die Texte" (S. 9—59), bietet eine — kritischer Begründung
entbehrende, aber auf selbständiger Arbeit an den Texten
beruhende — Übersetzung von Habakuk-Kommentar, Micha-
Kommentar, Sektenkanon, Hymnen, Buch vom „Krieg der Söhne
des Lichtes mit den Söhnen der Finsternis", Apokalypsen-Fragment
(De Vaux, RB 56, 1949, S. 605; Sukenik, Meg. Gen. II,
1950, S. 53), Damaskus-Schrift. Teil II, „Religionsgeschichtliche
und theologische Untersuchung" (S. 61—188), beschreibt, nachdem
zunächst von dem Hergang des Fundes der Handschriften in
Höhle 1 sowie von deren Alter die Rede gewesen (Kap. I und II)
und die beiden Jesaja-Rollen samt den Leviticus-Fragmenten
ganz kurz gewürdigt worden sind (Kap. III), genauer Art und Inhalt
der in Teil I übersetzten Texte sowie — soweit das auf Grund
der von diesem noch nicht entrollten Dokument abgesplitterten
Teile möglich ist — der Lamech-Apokalypse (Kap. IV—VII), um
weiterhin die Theologie dieser Texte und die Herkunft ihrer
Gedanken (Kap. VIII), ihre Beziehungen zur apokalyptischen
Literatur (Kap. IX), ihre oder ihres Quellortes, der Sekte von
'En Fescha, Ausstrahlungen auf das Judentum, die Täufer-Gemeinde
, die Ebioniten, den Islam, die Großkirche (Kap. X) zu behandeln
und dann noch auf das in Fundhöhle I zu Tage gekommene
Fragment einer dem Sektenkanon ähnlichen Rolle (Barthe-
lemy, RB 59, 1952, S. 203—205; Habermann, Hä'äres vom
12. Sept. 1952) zu sprechen zu kommen (Kap. XI). Der als „Anhänge
" bezeichnete III. Teil (S. 189-239) geht in 1.-6 (l. Die
Datierung der Rollen und die Geschichte der Sekte; 2. Die Texte
von 'En Fescha und die Damaskus-Schrift; 3. Die Sekte von 'En
Fescha und der Essenismus; 4. Bemerkungen zum Verhältnis
'En Fescha — Neues Testament; 5. Vergleichstabelle: 'En Fescha,
Apokalyptik, Neues Testament; 6. Stellenverzeichnis zur Ha-
lacha) auf einige in Teil II. bereits angeschnittene oder angedeutete
Fragen noch etwas genauer ein und bringt in 7. ein Verzeichnis
der Abkürzungen, in 8. Wichtige Literatur und in 9. Anmerkungen
zu S. 66-230. Ein Register (S. 240-245) sowie eine Kartenskizze
(S. 247) beschließen das Buch.

Das mit Besonnenheit und Umsicht geschriebene und sich
seiner - schon mit der LInvollständigkeit der Veröffentlichung
und Bearbeitung des aus Fundhöhle I stammenden Materials und
mit der Auffindung neuen Materials in anderen Höhlen gegebenen
— Grenzen durchaus bewußte Buch hat die Aufgabe, die
es sich gestellt, allen an der Übergangszeit zwischen dem Spätjudentum
und dem frühen Christentum Interessierten mit dem
neuen Material und seinen Problemen vertraut zu machen, vollauf
erfüllt. Die von anderen hinsichtlich des Alters der Texte,
der Entstehungszeit der Sekte von 'En Fescha und der von Damaskus
und ihrer beider Beziehungen zu Judentum und Essenismus,
zu Parsismus und Christentum sowie über die Gestalten des
frevelhaften Priesters und des Lehrers der Gerechtigkeit vorgetragenen
Auffassungen werden, wenn auch nicht ohne Polemik,
ebenso sachgemäß dargelegt wie die Antworten, die der Verfasser
selbst auf diese und andere Fragen zu geben hat. Versucht
man seinen eigenen Standpunkt ganz kurz zu umreißen, so wäre
etwa dieses zu sagen: Unter Antiochus Epiphancs oder schon
früher, also jedenfalls zu Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr., hat
sich aus Priestern und Laien ein auf genaue Befolgung des jüdischen
Gesetzes bedachter Orden gebildet, der zunächst mit anderen
zur Verteidigung der jüdischen Religion entschlossenen
Gruppen vereinigt war und mit ihnen die Partei der Asidäer bildete
. Als die Makkabäer aber nach der hohenpriesterlichen Würde
griffen, schieden die damit nicht einverstandenen Gruppen, neben
dem Orden auch die Pharisäer, aus der Koalition aus. Die Ausrichtung
des Ordens auf einen mit der Würde eines eschatolo-
gischen Propheten umkleideten Lehrers der Gerechtigkeit hatte
dann die Abspaltung der Pharisäer zur Folge, so daß der Orden,
der sich nun Gemeinde des Neuen Bundes nannte, für sich allein
stand. Das Kriegsbuch wird aus der Zeit stammen, da die Asi-

däer-Koalition noch bestand, und der Sektenkanon sowie das Jubiläenbuch
jedenfalls vor dem Auftreten des Lehrers der Gerechtigkeit
anzusetzen sein. Etwas jünger sind Habakuk-Kommentar
und Hymnen-Buch. Vor den Verfolgungen des Alexander Jannai
(103—76), dem „Frevelpriester", ist die Gemeinde nach Damaskus
geflohen und hat sich hier in der Damaskus-Schrift eine neue
Ordensregel gegeben; damals werden auch die Testamente der
12 Patriarchen dort entstanden sein. Unter Herodes (37—4 v.Chr.)
ist die Gemeinde nach Palästina zurückgekehrt und hat hier an
der Stätte von Qumrän eine Art Mutterhaus errichtet, das bis
zum ersten jüdischen Aufstand (66—70 n. Chr.) als solches bestanden
hat. Die Essener, von denen Philo, Josephus und Plinius
berichten, sind mit dieser Qumrän-Gemeinschaft identisch. Weiter
weisen die aus ihr stammenden Schriften nicht nur mit dem
Neuen Testament, sondern auch mit dem Barnabas-Brief, der Di-
dache und dem Pastor Hermae so viel Beziehungen auf, daß man
ihr einen bedeutsamen Einfluß auf die Ausbildung der christlichen
Theologie nicht absprechen kann. So ist — um solch eine Einzelheit
zu nennen — angesichts der besonders nahen Verwandtschaft
von Epheser- und 1. Petrusbrief mit den Sekten-Schriften einerseits
und der für die Abfassung oder Mitabfassung dieser beiden
Briefe durch den Acta 15, 22 und 1. Petrus 5, 12 genannten Si-
las-Silvanus sprechenden Gründe anderseits die Möglichkeit, daß
dieser Silas mit den Gedanken der Sekte vertraut gewesen ist
und sie etwa während seiner Acta 15, 22 bezeugten Tätigkeit als
Lehrer in Jerusalem kennen gelernt hat, ernsthaft zu erwägen.

Was von den auf die mannigfachen Fragen, zu denen die
neuen Texte Anlaß geben, erteilten Antworten M o 1 i n s besonderes
Eigentum darstellt, etwa die Gleichsetzung des „Frevelpriesters
" mit Alexander Jannai und des nach M o 1 i n von jenem
zu unterscheidenden „Lügenmannes" mit dem pharisäischen Führer
Simon ben Setach, dessen — tatsächlichen oder angeblichen —
Schwager, (S. 90) oder die Beteiligung des mit dem Gedankengut
der Sekte vertraut gewordenen Silas am Epheser- und am 1. Petrus
-Brief, von der eben die Rede war (S. 179. 222), wird mit
einer Zurückhaltung vorgetragen, die dem Leser den für die Bildung
eines eigenen Urteils nötigen Spielraum beläßt. Ein paar
Angaben aber, die, wie es scheint, unzutreffend sind, haben zu
wenig Gewicht, als daß sie den Wert des Buches beeinträchtigen
könnten.

So widerspricht die S. 100 stehende Mitteilung, der Stktenkanon
rede von Frauen überhaupt nicht, der von der Übersetzung S. 19 vorausgesetzten
Ergänzung des beschädigten Anfangs dieser Schrift: ..[Dies
sind die Vorschriften für die ganze Gemeinde einschließlich der Frl
auen [und Kinder]", und die Angabe von S. 105, daß das Kriegsbuch
neben „dem Heere Belials, den Edomitern, Ammonitern, Moabitern und
Philistern" auch die Kittäer von Assur und Mißraim zu den Söhnen
der Finsternis zähle, stimmt doch wohl mit dem. was Sukenik, Meg.
Gen. I, 1948, S. 18 f. über den Inhalt dieses Buches mitteilt, insofern
nicht überein. als nach ihm das Kriegsbuch neben den Kittäern von
Assur die Kittäer von Mißraim zwar auch erwähnt, aber nicht ausdrücklich
zu den Kindern der Finsternis zu rechnen scheint.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

Wright, G. Ernest: God who acts. Biblical Theology as Recital.
London: SCM Press [1952]. 132 S. 8° = Studies in Biblical Theology.
8°. s. 8.—.

Was bei dieser Arbeit aufmerken läßt, ist der Versuch des
Verfassers, seine am AT gewonnene Grundthese der Deutung
biblischer Theologie für die gesamte Theologie wirksam zu machen
. Seine These ist: Theologie ist Darstellung der Taten Gottes
. „Biblische Theologie ist die bekennende Wiedergabe der
erlösenden Taten Gottes in einer besonderen Geschichte" (13).
Diese These steht im Gegensatz einerseits zu der Auffassung von
der Bibel als „Gottes Wort", sofern dieser Begriff zu einer reinen
Abstraktion geworden ist, in der die realen, geschichtlichen
Taten Gottes verflüchtigt wurden. Sie steht andererseits im Gegensatz
zu dem Begriff von Theologie, der sie bestimmt als ein
System von Lehrsätzen oder Dogmen.

Im ersten Kapitel: „Die Notwendigkeit des AT für die Kirche"
zeigt der Vf., von der weitgehenden Geringschätzung des AT in der
Vergangenheit ausgehend, wie diese notwendig eine Verzeichnung oder
Verfälschung der neutestamentlichen Botschaft zur Folge haben mußte.
Die eigentliche Verneinung des Heidentums enthält nicht das NT, sondern
der bekennende Bericht des AT; tritt er in den Hintergrund, so