Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1954

Spalte:

495-496

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Das Dankgebet der Kirche 1954

Rezensent:

Schneemelcher, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

495

Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 7/8

496

die Grenze ist naturgemäß schwer zu ziehen. Ein Beispiel für die
Nützlichkeit des Unternehmens: von meiner „Mehrstimmigen
Vertonung des Evangeliums" sind infolge der politischen Verhältnisse
und Kriegszerstörungen schätzungsweise höchstens 20
Stück erhalten geblieben — dreizehn weist die Bibliographie nach.

Ein bedeutender Anteil des den Theologen Berührenden findet
sich in der Abteilung „Biographien und Monographien"
(wie alle Gruppen, so auch die Beiträge zu jedem Meisternamen
in sich alphabethisch geordnet), so unter Bach. Buxtehude, Händel
, Pachelbel, Reger, Scheidt, Schein, Schütz, Johs. Walter; vielleicht
hätte der Name Luther auch hier statt im Verlauf des Abschnitts
„Evangelische Kirchenmusik" Platz finden können. Daß
manchmal grundlegende Biographien als Zeitschriftenabhandlungen
erschienen sind, verhinderte ihre Aufnahme — und das
mit Recht, denn diese „Bücher"kunde wollte und durfte ja kein
Musiklexikon ersetzen.

Für die bald zu erwartende Zweitauflage ein paar Kleinigkeiten:
Orni-top-ardi (Vogelmeier?) darf kein th erhalten; unter den Lexicis
vermisse idi den Dizionario von Gatti und Deila Corte; als 472a
sollte nadi Ph. Spittas „Zur Musik" der 2. Essaiband ..Musikgeschicht-
lidie Aufsätze", (1894) statt unter 598 stehen; statt Ph. Wackernagels
Sammlung der Lutherlieder wäre Winterfelds Ausgabe als audi melo-
dienhaltig besser zu nennen gewesen, vor allem aber unser 35. Bd. der
Weimarer Lutherausgabe (1923). Idi vermisse unter Bizet das Budi von
Ad. Weißmann (1907), unter Büttstedt das von Ernst Ziller (1935);
Corelli muß vor Cornelius kommen: eine der besten Darstellungen von
Couperin und Rameau ist Eta Harich-Schneider, Zärtlidie Welt; bei
Debussy fehlen La Laurencie (1909) und Suarez (fr. 1923, 36, auch
engl.); zu Gounod Hillemadier (1914); zu Ph. de Monte fehlt die Überschriftzeile
; der Vorname des Ramos heißt Bartolomeo (—ei ist Genitiv
): 2769 lies Mascandio. Sonstige Druckfehler (nicht zahlreich) seien
übergangen. Die Ausstattung ist sehr erfreulich, das Ganze höchst begrüßenswert
1

Berlin Hans Joachim Moser

Strangfeld. Georg Josef, S. J.: Das Dankeebet der Kirche. Lateinische
Präfationen des christlichen Altertums, übers. Mit einer Einleitung
von Josef Andreas Jungmann S. J. 2., verb. Aufl. Freiburg: Herder
[1952]. VIII, 96 S. 8° = Zeugen des Wortes, hrsg. v. K. Schmidthüs
u. R. Scherer. Pp. DM 2.80.

Winterswyl, Ludwig A.: Gebete der Urkirche. Ausgew. u. übertr.
2. Aufl. Freiburg: Herder [19521. H. 80 S. 8° = Zeugen des Wortes,
hrsg. v. Karlheinz Sdimidthüs u. Robert Sdierer. Pp. DM 2.80.

„Es läßt sich kaum eine bessere Möglichkeit denken, um
zum innersten Geheimnis der Kirche vorzudringen, als wenn wir
sie in ihrem Gebet belauschen können." Mit diesen Worten beginnt
LA. Junemann seine Einleitung zu dem Bändchen „Das
Dankgebet der Kirche" und gibt damit für beide Publikationen,
die hier zur Besprechung vorliegen, die rechte Kennzeichnung:
Es geht darum, dem heutigen Menschen altchristliches Gebetsgut
zu vermitteln, um ihn so in die Gemeinschaft der betenden Kirche
aller Zeiten hineinzustellen und ihm „zu besinnlicher Lesung
und zu religiöser Geistesnahrung" (S. 8) etwas von dem Reichtum
der alten Kirche zu vermitteln.

In dem Bändchen „Das Dankgebet der Kirche" hat G. J. Strangfeld
aus dem Schatz der lateinischen Präfationen des Altertums 79 Fassungen
des eucharistischen Hochgebetes (des Ante-Sanctus) ausgewählt und
übersetzt. Eine Einleitung von J. A. Jungmann gibt Hinweise auf den
Charakter des Gebetes, seine Stellung innerhalb der Liturgie und seine
geschichtliche Entwicklung. Daß diese knappe und allgemein-verständliche
Einleitung von der Hand eines berufenen Fachmannes lesenswert
und gut ist, bedarf wohl keines weiteren Hinweises. Strangfeld hat als
Quelle für seine Auswahl die von Muratori herausgegebenen Sakramentare
, sowie die mozarabische (nadi Ferotin) und die mailändische (nach
Paredi) Liturgie benutzt. Die Anordnung ist nadi inhaltlichen Gesichtspunkten
erfolgt: Menschwerdung. Erlösung und Heimholung, unter diesen
drei Themen werden die Gebete geboten. Jede Präfation hat in
drei bis vier Zeilen eine Überschrift, die das spezielle Anliegen zusammenfaßt
. Die Übersetzung ist flüssig und zumeist wortgetreu (S. 20, 17
muß es natürlich heißen: nimmer).

Ist es in dem Büchlein von Strangfeld-Jungmann e i n liturgisches
Stück, das in seiner reichhaltigen Ausgestaltung uns nahe gebracht wird,
so hat L. A. Winterswyl sich bemüht, aus der ältesten Zeit (d. h. aus
den ersten vier Jahrhunderten) Beispiele für Gebete bei verschiedenen '

Gelegenheiten darzubieten: 5 eucharistische Gebete, 11 Fürbittgebete,
2 Gebete, die mit dem Wort- und Predigtgottesdienst zusammenhängen.
Morgen-, Abend- und Tischgebete stehen hier nebeneinander und vermitteln
einen Einblick in den Reichtum der Gebetsformeln der ältesten
Kirche. In der kurzen Einleitung macht der Herausgeber mit Recht darauf
aufmerksam, daß man an diesen Gebeten sehen kann, wie die junge
Christenheit sich des vor- und außerchristlichen Gebetsgutes bemächtigt
hat. es aber christianisiert hat (besonders deutlich ist das an dem Gebet
jüdischer Herkunft S. 23 (f.). Auch in diesem Bändchen ist die Übersetzung
zumeist gelungen. Allerdings ist an manchen Stellen eine „Glättung
" gegenüber dem Urtext vorgenommen, die nidit notwendig wäre
(z.B. die Umstellung von Didache 10,4 vor 10, 3 auf S. 10; die Auslassung
von tweWrJeTJJ« rjz nfirotc r!c ri/iljv tov Xnimnv S. 36
Zeile 17/18).

Beide Bändchen, die 1940 schon in erster Auflage erschienen
sind und nun unverändert in zweiter Auflage vorliegen, sind
wirklich empfehlenswerte Zusammenstellungen aus dem Schatz
der Alten Kirche und machen das Gebetsgut der alten Christenheit
lebendig. So werden die Beter der alten Zeit zu Zeugen des
Wortes heute.

Göttingen W. Schneemelcher

Rietschel, Georg: Lehrbuch der Liturgik. Bd. 1: Die Lehre
vom Gemeindegottesdienst. Bd. II: Die Kasualien. 2.. neu bearb.
Aufl. von Paul Graff. Göttingen: Vandenhocck «c Ruprecht 1951/52.
515 u. 437 S. gr. 8°. Lw. DM 72.—.

Seit Jahren hat R.s Lehrbuch der Liturgik im Antiquariat zu
den gesuchtesten Büchern gehört. Eine Generation, die sich in
zunehmendem Maße von subjektiven, ästhetisch oder religiös-
erlebnismäßig begründeten liturgischen Experimenten abwandte
und eine theologisch wohlfundierte Gottesdienstanschauung, sowie
deren sachgemäße praktische Auswirkungen auf die Neugestaltung
unseres gottesdienstlichen Lebens anstrebt, mußte immer
schmerzlicher ein Buch entbehren, das wie kein anderes geeignet
ist, vor allem solide liturgiegeschichtliche Kenntnisse zu
vermitteln. Gerade in dieser Hinsicht ist R.s Werk immer mehr
als nur ein „Lehrbuch" gewesen. Es bedeutete bei seinem ersten
Erscheinen die Zusammenfassung des gesamten bisherigen Ertrages
der liturgischen Wissenschaft in der Sicht evangelischer
Theologie. Es vermochte darum auch jenen, die auf dem Gebiet
der Liturgik selbständig mitarbeiteten, wertvolle Anregungen
und Hinweise zu geben. Andererseits mag es an dieser, seiner
Anlace als der eines umfassenden Lehrbuches gelegen haben, daß
der Durchschnittsstudent nicht danach zu greifen pflegte und es
so der weitverbreiteten Unbildung auf dem Gebiet der Liturgik
in unserer Pfarrerschaft wenig Abbruch tat.

Leider war das Werk, als es abgeschlossen vorlag, schon
wieder in manchen einzelnen Ergebnissen, speziell in liturgicge-
schichtlicher Hinsicht, überholt (der I. Bd. war 1900 abgeschlossen
, während die ersten Lieferungen etliche Jahre früher
begannen; der II. Bd. erschien in den Jahren 1906—1908). Ich
brauche zur Begründung nur die Namen Smend. Drews und Rcnd-
torff zu nennen, um anzudeuten, wie erfolgreich sich die evange'
lische Theologie um die lahrhundertwende gerade der Liturgiegeschichte
zugewandt hatte. Trotzdem wagte sich lange Zeit
niemand an eine Neubearbeitung, da das Werk nicht nur in
seiner gründlichen Gelehrsamkeit und der zur Weiterarbeit anregenden
Herausstellung der Probleme, sondern zugleich in der
Kunst seiner Darstellung wie der Gruppierung des überreichen
Stoffes zu den klassischen Werken evangelischer Theologie z«
rechnen ist. Der Bearbeiter, der sich nun endlich gefunden hat,
Pastor i. R. D. Paul Graff-Hannover, durfte sich freilich in besonderer
Weise zu dieser Aufgabe gerüstet wissen. Neben einet
Fülle kleinerer Arbeiten hat sich D. Graff durch sein großartiges,
wahrhaft unerschöpfliches Werk „Geschichte der Auflösung der
alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche
Deutschlands" als der evangelische Liturgiewissenschaftlcr der
Gegenwart ausgewiesen. Seine Neubearbeitung des „Rietschel
hat uns nicht nur das für jede gründliche wissenschaftliche vte
praktische liturgische Arbeit unentbehrliche Buch endlich wieder
zugänglich gemacht, sondern hat es, mindestens in liturgiegeschichtlicher
Hinsicht, zugleich nach Kräften auf den Stand unserer