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Ausgabe:

1954

Spalte:

494-495

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Repertorium der Musikwissenschaft 1954

Rezensent:

Moser, Hans Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 7/8

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union als einheitliche Zusammenfassung nachbarschaftlich abgegrenzter
Gemeinden und Inspektionen." Vgl. a. 215: „Es kann
sich nicht darum handeln, über die Union abzuurteilen. Die Pfarrer
und Gemeinden in Nassau denken nicht daran, die Union
aufzugeben". Darüber wird man streiten können. Unbestreitbar
aber sind andere, wichtige Feststellungen, die der Verfasser
trifft, und die nur scheinbar in entgegengesetzte Richtungen
weisen:

a) Die nassauische Union steht in einem geistigen Zusammenhange
mit der Heiligen Allianz, die als Nationalkirche
höherer Ordnung aufgefaßt wurde (139). Der Verfasser
nimmt damit das von ihm früher behandelte Thema: Nationalkirche
und Volkskirche im deutschen Protestantismus
wieder auf.

b) Die nassauische Union bringt den kirchlichen Selbständigkeitsdrang
zum Ausdruck, das ihr folgende Organisationsedikt
vom 8. April 1818 war die erste Kirchenverfassung
innerhalb des Protestantismus. Aber — diese entscheidende
Feststellung unterläßt der Verfasser — diese „Mündigkeitserklärung
der Kirche" gegenüber dem Staat erfolgte unter
nationalkirchlichcm, d. h. praktisch: landeskirchlichem Vorzeichen
. Die Wortprägungen „Landeskirche" und „Landesbischof
" sind wahrscheinlich in Nassau zuerst als kirchenamtliche
Ausdrücke angewandt worden (211).

Demgegenüber war es grade der lutherische „Konfessionalismus
" in Wilhelm Löhe, der den ökumenischen Charakter der
Kirche mit Nachdruck zur Geltung brachte. Insofern bestätigt
die nassauische Union mit besonderer Anschaulichkeit den kirchenfremden
Ursprung des Prinzips, wie es an der Wende von
der Aufklärung zur Romantik verstanden wurde, und die ideologische
Staatshörigkeit der Kirche, die auf diesem Wege zur Selbständigkeit
drängte.

Berlin Martin S c h ni i d t

GESCHICHTE DER KIRCHLICHEN KUNST

Eydoux, Henri-Paul: L'Architecture des Egliscs Cistercicnncs d'Alle-
magne. Paris: Prcsscs Universitaircs de France 1952. 190 S., 300 Abb.
gr. 8° = Travaux et Memoires des Instituts Francais en Allemagne,
1. Fr. 1. 200.—.

Das Buch von H. Eydoux über die deutschen Zisterzienserkirchen
ist vom Verfasser zur Orientierung seiner französischen
Fachkoll egen geschrieben worden. Für den deutschen Leser kann
es daher nur einen begrenzten Wert haben. Er liegt in der übersichtlichen
, reich bebilderten Darbietung des Materials, dessen
Beurteilung überall auf den derzeitigen Stand der Forschung gebracht
worden ist, in der Zusammenschau der neuesten französischen
Ergebnisse auf diesem Gebiet mit den deutschen Fragen
l|nd in der bequemen Zusammenstellung der Literatur zu diesem
Thema, die zwar nicht Vollständigkeit erstrebt, aber doch im allgemeinen
zuverlässig alles Wichtige, besonders der neueren und
neuesten Forschung, verzeichnet.

Seit Dohmes längst überholtem Buch (R. Dohme: Die Kir-
ehen des Cisterzicnserordcns in Deutschland, Leipzig 1869) ist
eigenartigerweise deutscherseits kein Versuch wieder gemacht
w°rden, das Thema zu behandeln, da Roses Buch (H.Rose: Die
Baukunst der Zisterzienser, München 1916) von einer stilkriti-
sdien, gesamteuropäischen Fragestellung ausgeht und nicht die
Absicht hat, die Denkmäler systematisch vorzuführen. Die Studie
Es sollte zur Schließung dieser Lücke anregen. Denn so eindrucksvoll
das Bild ist, das sie zeichnet, sie kann als gültiger derzeitiger
Abschluß nicht hingenommen werden. E. geht in der Art
der klassischen französischen Darstellung vor: Geschichtliches,
Grundriß, Aufriß, Einzelheiten, Schlußfolgerungen. Damit wird
ewe klare Überschaubarkeit des Materials gewährleistet, vor 81-
'em von der Systematisicrung der Grundrißlösungen her. Aber
es fehlt die Synthese, die den in Grundriß, Aufriß und Einzelteile
Zerlegten Bau wieder zusammenfügte, die ihm als Ganzem
seine Stelle in der zeitlichen und örtlichen Entwicklung anwiese.

Es fehlt auch der Versuch, das Zisterziensische als Stilphänomen
klar zu umschreiben. Die Feststellung, daß trotz aller (mit großem
Recht betonten) örtlichen Unterschiede der Wille zur Armut
(volonte de depouillement) die Zisterzienserkirchen einander
wieder nähere, reicht nicht aus. Roses Arbeit kann die Richtung
andeuten, in der man hier weiterkommen könnte.

Diese Bemerkungen sind weniger gegen das Buch von E. gerichtet
, das solche Ziele sich gar nicht steckte, als vielmehr als
Anregungen für ein zu schreibendes Werk über die deutschen
Zisterzienserkirchen von zweifellos großartigem Eindruck gedacht
. Im gleichen Sinne muß zur Abgrenzung des Themas noch
ein Wort gesagt werden. Daß E. nicht Zisterzienserarchitektur
allgemein, also nicht auch die Klöster, sondern nur die Kirchen
behandelt, ist sachlich begründet. Die sich ergebende Einseitigkeit
sucht E. durch Bilder und reichliche Hinweise etwas aufzuheben.
Auch eine größere Publikation dieses Stoffes müßte, wollte sie
nicht ins Riesige wachsen, zunächst die Klosterbauten beiseite
lassen. Bedauerlicher ist die geographische Grenzziehung. Die
Auslassung des Elsaß zwar konnte ein französischer Autor wohl
schwerlich vermeiden, die Auslassung Österreichs bleibt aber eine
bedauerliche, wenn auch erklärliche Lücke.

Das vorliegende Buch ist klar und knapp geschrieben. E.
rührt alle wesentlichen Fragen an und nimmt eine kluge, abwägende
Haltung ein. Unbedeutende Irrtümer und Fehler sind hier
nicht zu erörtern. Die von vollem Verständnis für die deutschen
Verhältnisse zeugenden Beurteilungen der Denkmäler und die
Einsicht in die weitgehende Selbständigkeit der örtlichen Sonder-
entwickluncen berühren überaus sympathisch. (Vielleicht geht
E. in der Ablehnung der „Einflüsse" gelegentlich sogar schon zu
weit.) Hier wird aus den kriegsbedineten Möglichkeiten der Forschung
wirklicher Gewinn gezogen. Daß es ein Gewinn nicht nur
für die französische Forschung ist, sondern auch der deutschen
Anregungen zu geben vermag, ist erfreulich festzustellen.

Jena Edgar Lehmann

LITURGIE WISSENSCHAFT

Kahl, Willi, u. Wilhelm-Martin Luther: Repertorium der Musikwissenschaft
. Musikschrifttum, Denkmäler und Gesamtausgaben in
Auswahl (1800—1950). Mit Besitzvermerken deutscher Bibliotheken
und musikwissenschaftlicher Institute. Im Auftrag der Gesellschaft
f. Musikforsch, bcarb. Kassel: Bärenreiter-Verlag 1953. VIII, 271 S.
gr. 8°. DM 12.-; Lw. DM 14.50.

Zwei bestausgewiesene Buchkundler, der Kölner und der
Göttinger Musikbibliotheksleiter, haben sich der heiklen Informations
-Aufgabe unterzogen, heikel vor allem hinsichtlich der
wertenden Auswahl. Gerade diese ist taktvoll und mit bestem
Gelingen vorgenommen worden, da ja der nicht völlig in der Materie
beheimatete Benutzer durch Uferlosigkeit mehr geplagt als
geleitet zu werden pflegt. Der Wert des Unternehmens liegt heut
vor allem auch darin, sämtliche deutschen Öffentlichen und Seminarbibliotheken
aufzuzählen, in denen die betr. Auflage gefunden
wird; also bei soviel zerstörten oder beraubten Büchereien
eine große Hilfe für „Bestellungen von auswärts".

Unerfüllte Desideria wüßte ich nur hie und da mehr in
außertheologischem Bereich aufzuzählen; für evang. Liturgik,
Hymnologie und Kirchenmusikgeschichte ist ziemliche Vollständigkeit
des billig zu Erwartenden dankbar festzustellen. Der hierfür
hauptsächlich einschlägige Abschnitt „Evangelische Kirchenmusik
" bietet die für den begrenzten Zeitraum wichtigsten geschichtlichen
Darstellungen von Winterfeld, Kade, Liliencron,
Stahl, v. d. Heydt, Blume, die Hauptarbeiten zum Kirchenlied von
Zahn, Fischer, Nelle, Fuchs, Söhngen, Mahrenholz (die wesentlich
nur „literarischen" Bücher blieben richtig unzitiert), zur Liturgiegeschichte
findet man U. Leupold — P. Graff hätte es auch
verdient, genannt zu werden —, die wichtigsten Gesangbuchfacsi-
milia begegnen, neuere Schriften wie H. Hoffmann und Wallau
^"""'eichen. Während hier Tuchers und Schöberleins „Schätze"
stehen, findet man Amelns „Handbuch" unter Denkmälern —