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Ausgabe:

1954

Spalte:

487-489

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Codices burghesiani bibliothecae Vaticanae 1954

Rezensent:

Stegmüller, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 7/8

488

für die evgl. Unterweisung, A3) Göttingen 195 3, verwiesen,
weil dieses Quellenbudi wirklich solide gearbeitet ist, auch wenn
man die Auswahl tür die Neuzeit nicht glücklich nennen kann
(K. Heim als Höhepunktl). Unter der Leitung von R. Stuppcnch
wird jetzt eine neue Reihe vorgelegt, von der hier zwei Helte
zur Anzeige vorliegen. (Die Verspätung der Anzeige fällt nicht
dem Rezensenten zur Last.) Der Zweck dieser neuen Sammlung,
die wohl tür Religionslehrer und Jugendleiter bestimmt ist, wird
vom Herausgeber dahingehend charakterisiert, daß durch sie „die
wesentlichen Abschnitte der Kirchengeschichte an Hand zeitgenössischer
Zeugnisse anschaulich" gemacht werden sollen. Die
beiden Hefte zeigen allerdings kaum, daß die Bearbeiter diese
Zielsetzung vor Augen hatten, sind vielmehr überwiegend Kommentar
und verbindender Text und nicht Quellentexte.

Hans Preuß „Aus den Märtyrerakten der Alten Kirche" will
durch die ausgewählten Beispiele (von der neronischen bis zur
diokletianischen Verfolgung) die „rührenden" Martyrien aus der
Zeit der „Morgendämmerung" der Kirche lebendig werden lassen.
Die Texte sind nur zum Teil richtig übersetzt, weitgehend aber
paraphrasiert. Wer Stilblüten sammeln will, kommt aut seine Kosten
: Stephanus ist der Erste, der die Ehre hatte, sich zum „Wolfsopfer
" darzubieten (S. 7, nach Mt. 10, 16). Das Schreckensbild
der Verfolgung von Lyon klingt aus „in eitel Giockenläutcn"
(S. 19). Line Variante im lateinischen Text des Martyriums der
Perpetua (canebant statt cadebant, von Robertson als Text geboten
) wird als „noch märchenseliger" bezeichnet (S. 23) usw.
Die eigentlichen Probleme der Christenverfolgungen werden nicht
gesehen oder verzeichnet oder mit frommen Redensarten zugedeckt
. Jedenfalls ist das Heft unbrauchbar.

Etwas, aber auch nicht viel besser ist das von O. Schlisske
zusammengestellte Heft über das Mönchtum. Hier nehmen Darstellung
und Erläuterungen einen noch breiteren Raum ein als
bei Preuß. Man hat den Lindruck, einen sehr ausführlichen Wörterbuchartikel
mit ein paar Textproben vor sich zu haben. Immerhin
vermittelt das Heft etwas von der Geschichte und dem
Wesen des Mönchtums (bis zur Gegenwart), wenn auch durch die
Kürze die Konturen verwischt werden. Warum für die Anfänge
des Mönchtums die Schilderung der Vita Antonii des Athanasius
und nicht ein paar Apophthegmen ausgewählt wurden, ist nicht
einzusehen.

Im Ganzen muß gesagt werden: Quellenhefte in deutscher
Ubersetzung sind eine besonders verantwortungsvolle Sache, weil
der Fachmann dadurch in einen weiten Raum wirken kann. Es ist
zu bedauern, daß es dem Herausgeber offensichtlich nicht gelungen
ist, die notwendigen Fachleute für ein solches Unternehmen
zu gewinnen.

Güttingen W. Schneemelcber

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

M ■ i e r, Anneliese: Codices Burghesiani Bibliothecae Vaticanae. Cittä
del Vaticano: Biblioteca Apostolica Vaticana 1952. 496 S. 8° =
Studi e Testi 170.

Der Fondo Borghese der Vatikanischen Bibliothek enthält
387 lateinische Handschriften; davon stammen 330 aus der alten
päpstlichen Bibliothek von Avignon; darin besteht seine besondere
Bedeutung.

Als Johann XXII. (1316-1334) den päpstlichen Thron bestieg
, fand er nur wenige Codices vor. Doch nahm die Bibliothek
in den folgenden 50 Jahren durch das Spolienrecht, durch Ankauf
, Widmungsexemplare, Anfertigung auf Bestellung und durch
den persönlichen Nachlaß der Avignoneser Päpste einen großen
und raschen Aufschwung. Das unter Urban V. (1362—1370) im
Jahre 1369 angefertigte und von F. E h r 1 e, Historia Bibliothecae
Romanorum Pontificum I (1890) 284—437 edierte Besitzerinventar
zählt bereits 2059 Nummern. Die Bibliothek der Sorbonne in
Paris, die im Jahre 1338 bereits 1722 Nummern zählte, und die
päpstliche Bibliothek in Avignon waren damals die bedeutendsten
Bibliotheken der Christenheit. Einen Vergleich der Bestände
beider Bibliotheken gab F. Ehrle, Historia p. 748—754; vgl.
dazu A. P e 1 z e r, Addenda et emendanda ad F. Ehrle Historiae
Bibliothecae Romanorum Pontificum tom, I (1947) 182—184.

Doch der weiteren Schicksale dieser stolzen Sammlung kann
man nur mit Trauer gedenken. Das abendländische Schisma hatte
auch eine Spaltung der Bibliothek zur Folge. In den Jahren 1403—
1409 überführte Benedikt XIII. (Petrus de Luna; 1394-1424) den
größeren Teil der Bibliothek von Avignon nach Peniscola. Der
nach 1410 angefertigte Standortkatalog der Libraria maior von
Peniscola zählt 1090 Nummern und wurde ediert von M. F a u-
c o n, La librairie des papes d'Avignon II (1887) 43—151. Daneben
gab es noch die Libraria minor (libri qui portantur ubique
pro servitio domini nostri papae), deren Verzeichnis handschritt-
lich im Vatikanischen Archiv, Registr. Avenion. 231 (Clemens
VII, tom. 27) f. 96—104 erhalten ist (vgl. A. P e 1 z e r, Addenda
p. 128). Von diesen Beständen in Peniscola ist nichts in
die Vatikanische Bibliothek zurückgekommen; ein Teil davon
befindet sich heute nach wechselvollen Schicksalen in der Biblio-
theque Nationale zu Paris. Vgl. L. D e 1 i s 1 e, Le Cabinet des
Mss. I—III (1868-1881).

Der in Avignon zurückgebliebene Rest umfaßte noch 970
Bände. Ein Besitzerinventar dieses Restes wurde 1411 begonnen,
aber nur bis zu Nr. 637 geführt. Es ist in der Biblioteca Vaticana
, Archivio di S. Pietro cod. A 76. handschriftlich erhalten.
234 Hss. blieben unkatalogisiert.

Aber auch nach der Beendigung des Schismas versäumten es
Martin V. (1417—1431) und Eugen IV. (1431—1447), wenigstens
die Restbibliothek sobald als möglich nach Rom zurückzuholen.
So fiel sie einer immer größeren Verwahrlosung anheim. Die
Handschriften lagen im Palast zu Avignon zum Teil am Boden.
Motten und Staub taten ihr Werk. Viele Handschriften wurden
zerstückelt oder fielen auseinander, und wurden erst viel später
und dann sehr willkürlich wieder zusammengebunden. Vor allem
aber sind in den Jahren 1411—1594 etwa 640 Codices, also 65 %
des Restbestandes, einfach verschwunden. Davon finden sich
heute 45 Handschriften in der Vatikanischen Bibliothek, und
zwar 43 unter den Codices Vaticani latini und 2 unter den Codices
Ottoboniani. Wohin aber die übrigen 595 Handschriften in
den Jahren 1411—1594 geraten sein mögen, ist noch völlig rätselhaft
.

Erst im Jahre 1594 ließ dann Kardinal Ottavio Acquaviva
als Legat von Avignon eine Bestandsaufnahme der nach diesen
gewaltigen Verlusten in Avignon noch vorhandenen Trümmerbibliothek
machen. Dieses Inventar weist nur noch 329 Nummern
auf, und zwar 187 libri theologici, 68 libri iuris canonici,
21 libri iuris civilis, 5 3 libri philosophici. Es ist noch in 3 Exemplaren
vorhanden und wurde ediert von Dr. Anneliese M a i e r.
Der letzte Katalog der päpstlichen Bibliothek von Avignon,
Roma 1952 (= Sussidi eruditi 4).

Etwa in den Jahren 1609—1618 ließ nun Kardinal S c i p i-
one Borghese, der 1607—1621 Legat von Avignon und
1609—1618 Kardinalbibliothekar war, den gesamten Restbestand
nach Rom überführen. Zweihundert Jahre nach Beendigung des
Schismas und zweihundertfünfundzwanzig Jahre nach der Rückkehr
der Päpste aus Avignon gelangten so die Trümmer der ehemals
so stolzen päpstlichen Bibliothek an den Sitz des Papsttums.
Aber Kardinal Scipione Borghese führte diesen Restbestand nicht
etwa der Vatikanischen Bibliothek zu, sondern bildete daraus
den Grundstode der Familienbibliothek der Borghese.

Der Ursprung dieser Biblioteca Borghese wurde bald vergessen
, und blieb es, bis der spätere Präfekt der Vatikanischen
Bibliothek und Kardinal Franz Ehrle auf Grund des Katalogs
von 1594 in ihr die alte Bibliothek der Avignoneser Päpste wiedererkannte
.

Bei dem Konkurs des fürstlichen Hauses der Borghese
konnte dann der apostolische Stuhl im Jahre 1891 sein altes
Eigentum zurückkaufen und den Fondo Borghese für die Vatikanische
Bibliothek erwerben.

Im vorliegenden Band beschreibt nun Frl. Dr. Anneliese
M a i e r in 390 Nummern sämtliche 387 Codices des Fondo Borghese
nach den für die Kataloge der vatikanischen Bibliothek geltenden
Regeln. Der Katalog ist eine großartige Leistung und entspricht
an Genauigkeit und Zuverlässigkeit allen Erwartungen.
Aus reichster Kenntnis der Quellen und der Literatur konnte die
Verfasserin viele Anonyma identifizieren. Besonders sei noch