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Ausgabe:

1954

Spalte:

484-486

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Böhlig, Alexander

Titel/Untertitel:

Ein Lexikon der griechischen Wörter im Koptischen 1954

Rezensent:

Kahle, Paul Eric

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483

"Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 7/8

484

prüfen, da er sich nicht wie seine Vorgänger auf die Mitteilung
ausgewählter Varianten beschränkt. Der Fortschritt in der Gestaltung
des lateinischen Textes beruht teils auf genauerer Lesung
der Hss., teils a.uf ihrer zutreffenderen Bewertung oder überhaupt
auf der Rückkehr zu den alten Handschriften fort von dem gedruckten
textus receptus; dagegen ist S. mit Recht in der Aufnahme
von Konjekturen zurückhaltend gewesen.

Auch die schon bekannten griechischen Fragmente konnte
er durch Benutzung neuerer Ausgaben und besserer Handschriften
ergänzen und im Text verbessern; dabei ergibt sich die wichtige
Beobachtung, daß in den Fragmenten Theodorets der bessere
griechische Text öfter die lateinische Übersetzung bestätigt. Hervorzuheben
ist die Vorsicht, mit der S. die etwaige Anpassung der
Irenäus-Zitate an ihre neue Umgebung erwägt. — Während sich
die — für die Textherstellung wichtigeren — syrischen Fragmente
bereits in Harveys Anhang finden, kann S. zum ersten Male drei
armenische Fragmente benutzen, die erst 1911 entdeckt wurden.

Als Beispiel einer geglückten Textherstellung sei S. 324, 28 genannt
. S. nimmt das von CV gebotene Wort counitus in den Text auf,
das Harvey verwarf, weil es sonst nicht belegt sei. Aber diese Form ist
richtig. Denn sie entspricht in der wortgetreuen Übersetzungsweise, die
der ganze lateinische Text zeigt, dem griechischen Wort ovmjvdfit],
das Theodoret erhalten hat; außerdem gibt es noch einige Belege für
dieses Wort, wie der Thes. Ling. Lat. zeigt. Da sie erst dem 4. und
5. Jhdt. entstammen, erwecken sie freilich die Frage, ob die lateinische
Übersetzung wirklich auf den Anfang des 3. Jhdts. oder sogar in die
Zeit des Irenaus zurückgeht, wie S. meint (S. 5). — S. gibt die Schreibweise
der führenden Handschriften weder diplomatisch getreu noch planmäßig
vereinheitlicht wieder, sondern läßt mit Recht Formen wie epi-
stola und epistula nebeneinander stehen und enthält auch zahlreiche
Schreibfehler dem Leser nicht vor. Der Druck ist sehr sorgfältig; doch
ist versehentlich dieselbe Lesart auf S. 76 mit c, auf S. 386 mit t gedruckt
. Bei der großen Genauigkeit im ganzen vermißt man S. 290, 21
im Apparat die Angabe, daß nach Harvey in den Hss. A und V „quem-
que" statt „quem et" steht und daß Massuet und Stieren die Überlieferung
aus AV als Text bieten. — Es ist eine grundsätzliche Frage,
ob man einstimmig überlieferte Worte, die im Text durch eine Konjektur
ersetzt sind, nicht trotzdem in das Wortregister mit besonderem
Kennzeichen aufnehmen soll. Z.B. übernimmt S. auf S. 134, 12 die
Konjektur „plasmant", aber sowohl dieses Wort wie das überlieferte
„blasphemant" fehlt im Register. — Den Vergleich mit Harveys Ausgabe
würde es erleichtern, wenn der Anfang von dessen Seiten im Text
oder in der Übersetzung kenntlich gemacht wäre; die Angabe der Seitenzahl
auf dem oberen Rand genügt dafür nicht.

Gemäß der Anlage der Sources chretiennes bietet Sagnards
Ausgabe außer einer editio critica minor des Textes auch eine
Übersetzung, die vollends durch ihre Zwischentitel, ihre Fußnoten
und Anhänge zum Verständnis des Textes wesentlich beiträgt;
dann schließen gute Register der Schriftzitate, Eigennamen, gno-
stischen Begriffe und des Wortschatzes den Band ab. Die, wie S.
sagt, „sehr analytische" Art der Übersetzung erkennt man beispielsweise
aus der berühmten Stelle über das Ansehen der römischen
Kirche. Die Worte „propter potentiorem principalitatem"
übersetzt und deutet er als „en raison de sa plus puissante auto-
rite de fondation" und rechtfertigt diese Deutung in einer Fußnote
und Anhang A eingehend. In der Übersetzung sind alle erläuternden
Zusätze, eigentlichen Zitate und bloßen Anspielungen
am Druck zu erkennen.

In seiner Einleitung handelt S. zunächst kurz von Irenaus
und dem Sinn des Martyriums, dann ausführlicher über Anlage
und Gedankengang des 3. Buches, hierauf über die Gnostiker und
die Einrichtung seiner Ausgabe. Er ist auf Grund früherer Untersuchungen
überzeugt, daß der Bericht des Irenäus über die Gno-
sis wirklich sachkundig ist und daher auch durch die reichen Funde
von Nag Hammadi nicht seinen Wert verliert. Seine neue Ausgabe
eröffnet S. aber nicht mit diesem Bericht in Buch I und II,
sondern mit Buch III, weil dieses nicht polemisch, sondern darlegend
die christliche Lehre aus Schrift und Tradition enthalte.
Daher will er auch zunächst deren Fortsetzung in Buch IV und V
folgen lassen, darauf erst die beiden ersten Bücher. Nach Abschluß
dieser Ausgabe ist eine editio critica maior mit den Lesarten
aller lateinischen Handschriften, aber ohne Übersetzung
geplant. Bände mit Registern, dem Neuen und Alten Testamente
des Irenäus und eine Ausgabe der Demonstratio sind außerdem
vorgesehen. Erst die große Ausgabe wird manche Annahme und
Entscheidung des vorgelegten Bandes nachzuprüfen gestatten.

Mit dem Dank für die tüchtige bisherige Leistung verbindet sich
der Wunsch, P. Sagnard möge die baldige Fortsetzung und Vollendung
seines Werkes beschieden sein.

Bad Godesberg H. Karpp

Bö hl ig, Alexander: Ein Lexikon der griechischen Wörter im Koptischen
. — Die griechisch-lateinischen Lehnwörter in den koptischen
manichäischen Texten. München: Lerche 1953. 39 S. gr. 8° = Studien
zur Erforschung des christlichen Ägyptens, hrsg. v. A. Böhlig,
H. 1. DM 2.-.

Diese Arbeit ist gedacht als Einführung in eine Serie zur Erforschung
des christlichen Ägyptens, mit besonderem Hinblick auf
die griechischen Lehnwörter im Koptischen. Sie besteht aus zwei
Vorträgen, die Böhlig auf den internationalen Papyrologenkon-
gressen in Genf (1952) und Paris (1949) gehalten hat. In dem
ersten (späteren) Teil gibt der Autor bekannt, daß er damit angefangen
hat, ein Wörterbuch der griechischen Wörter im Koptischen
zu bearbeiten, und er bespricht philologische und technische
Schwierigkeiten, die ein solches Unternehmen bietet. In
dem zweiten Teil behandelt er die griechischen (und lateinischen)
Lehnwörter in den manichäischen Texten und versucht dabei dem
Problem näherzukommen, wie die griechischen Wörter in das
Koptische eingedrungen sind. In den folgenden Heften der Serie
will Böhlig weitere Vorstudien für diese Arbeit bieten.

Griechische Lehnwörter sind in der koptischen Sprache in
großer Anzahl vorhanden; etwa ein Fünftel aller Wörter, die in
koptischen Texten vorkommen, sind dem Griechischen entnommen
. W. E. Crum hat sich bei seinem Coptic Dictio-
n a r y auf koptische Wörter beschränkt und griechische Lehnwörter
mit geringen Ausnahmen nicht berücksichtigt. Crum
konnte sich als Privatgelehrter über 30 Jahre lang ganz dieser
Arbeit widmen und sein Wörterbuch beruht auf über 240000
Zetteln, die er zum größten Teil selbst ausgeschrieben hat. Der
Versuch, die griechischen Lehnwörter in derselben Weise zu behandeln
, ist an sich sehr zu begrüßen; jedoch sollte man im Hinblick
auf die Größe des Unternehmens meines Erachtens sich überlegen
, ob man die Arbeit nicht in verschiedene Gebiete aufteilen
könnte. Man könnte daran denken, die drei Hauptgebiete der
koptischen Literatur, Bibel, theologische Texte und nicht-literarische
Texte (Briefe, Rechtsurkunden, Rechnungen) separat zu
behandeln, um so mehr als die Bedeutung der griechischen Lehnwörter
auf jedem dieser Gebiete verschiedene Hintergründe hat.
Auf dem Gebiet der Bibel sind schon eine Reihe von Vorarbeiten
erschienen,besonders von L. Th. Lefort, und ein Wörterbuch
der griechischen Wörter in den koptischen Übersetzungen des Alten
und Neuen Testamentes sollte in absehbarer Zeit fertiggestellt
werden können. Diesem könnten die anderen Teile folgen.

Es ist natürlich eine wichtige Frage, wie die griechischen
Wörter in das Koptische eingedrungen sind. Es ist mir jedoch
zweifelhaft, ob man dabei von den verhältnismäßig späten manichäischen
Texten ausgehen kann. Böhlig ist der Überzeugung
(pp. 11,23), daß die griechischen Lehnwörter zum größten Teil
aus der Volkssprache stammen, und schon in die Sprache der
einheimischen Bevölkerung eingedrungen waren, bevor die christlichen
Schriften in die Landessprache übersetzt wurden. Verschiedene
Gelehrte, die sich mit diesem Problem befaßt haben, insbesondere
F. LI. Griffith und C. Schmidt, sind jedoch anderer Meinung
gewesen; auch die Funde der letzten 30 Jahre sprechen meines
Erachtens sehr entsdieidcnd dagegen.

Im Demotischen, welches 5 Jahrhunderte lang neben dem
Griechischen in Ägypten als Schriftsprache gebraucht worden ist,
bis es im 3.-4. Jahrhundert nach Christi Geburt vom Koptischen
abgelöst wurde, kommen griechische Lehnwörter äußerst selten
vor, und diese beschränken sich in der Hauptsache auf spezielle
Ausdrücke, die das Demotische schwer wiedergeben konnte.
Selbst in dem Demotischen Magischen Papyrus von London und
Leiden, der noch im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung geschrieben
ist, und den Sethe1 einen koptischen Text in demotischer
Schrift nennt, sind griechische Lehnwörter nur in ganz geringer
Anzahl vorhanden; unter diesen finden wir weder Verben noch
Konjunktionen, sondern fast ausschließlich Spczialausdrückc. Fer-

>) ZDMG LXXVIII (1924) S.LXXIII, vgl. LXXIX (1925) S. 290 ff