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Ausgabe:

1954

Spalte:

482-484

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Livre III 1954

Rezensent:

Karpp, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 7/8

482

Nicht für besonders glücklich kann ich es ansehen, daß Verf.
in der Syntax des Nomens den Dativ, den es bekanntlich im
Hebräischen nicht gibt (so auch Grether, § 7lf), in einem besonderen
Abschnitt behandelt (§ 74). In der Verballehre (vgl. vor
allem §§ 25—30) und der Syntax des Verbums (besonders
§§ 79—80) wird man m. E. mit Recht beanstanden dürfen, daß
die Präformativ- und Afformativkonjugation, bezw. „Imperfektum
" und „Perfektum" nicht in ihrem geschichtlichen Zusammenhange
vom Altkanaanäischen her gesehen werden. Es hat den
Anschein, als ob z. B. weder G. Bergsträßers glänzend geschriebene
..Einführung in die semitischen Sprachen" (1928) und seine wertvolle
„Hebräische Grammatik 11" (1929) = W. Gesenius' Hebräische
Grammatik", noch C. Brockelmann, „Zur Syntax der
Sprache von Ugarit" (= Orientalia 10 |l94l], 223—240), genügend
ausgewertet und für den Unterricht dienstbar gemacht sind.
Sonst wären Sätze wie „Das Imperfekt... legt den Nachdruck
darauf, daß eine Handlung unvollendet (im-perfektum |sic!j)
ist" (§ 30d), schwerlich denkbar.

Bei der eigentlichen Satzlehre wird man es kaum für angebracht
halten, daß noch immer im Rahmen des zusammengesetzten
Satzes der veraltete und semitischem Sprachempfinden keineswegs
Rechnung tragende Begriff „casus pendens" eine Rolle
spielt (§ 95).

Die angeführten Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß
das neue Lehrbuch ohne Zweifel nicht überall ungeteilten Beifall
finden wird. Wie weit es geeignet ist, sich seinen Platz im akademischen
Unterricht zu erobern, muß die praktische Erfahrung
zeigen.

Jena Rudolf Meyer

Hübscher, Arthur: Die große Weissagung. Texte, Geschichte und
Deutung der Prophezeiungen von den biblisdien Propheten bis auf
unsere Zeit. München: Heimeran |l952j. 256 S. gr. 8U. Lw. DM 14.50.
Das Buch ist in zwei große Abschnitte gegliedert. Der erste
Abschnitt bietet die Texte der Weissagungen, beginnend mit
Jesu, 3b—9, Daniel 7, 1—26, Markus 13, 6—30, ferner neun
Stücke aus der Offenbarung Johannes. Neunzehn außerbiblische
Weissagungen folgen, die letzte davon ist die Kriegsprophetie des
Brunnenbauers Alois Irlmeier aus Freilassing in Oberbayern 1950.
Der zweite große Buchabschnitt ist überschrieben „Geschichte und
Deutung" und wird in fünfzehn Kapitel gegliedert. Die Zielsetzung
des Verfassers wird aus der Einleitungsseite deutlich. Unter
der Überschrift „Über den Umgang mit Weissagungen" setzt er
sich als Ziel die Beantwortung der beiden Fragen: „Was ist prophezeit
worden? Und was ist davon eingetroffen"? Schon einen
Satz zuvor wird die Meinung des Verfassers deutlich: „Es gibt
n'cht viele und verschiedene Weissagungen. Es gibt nur eine
große Weissagung, die sich durch alle Zeiten wiederholt. Weissagung
rechnet mit der Ungeduld, der Erlösungsbedürftigkeit des
Menschen". Eingetroffen ist nach Meinung des Autors von all
den geweissagten Vorgängen nichts. Im letzten Kapitel „Ein unbenutzter
Notausgang" weist der Verfasser auf die Möglichkeit
einer philosophischen Rechtfertigung der Prophetie hin. Das Zu-
K"nftsschaucn gründet im großen allseitigen Zusammenhang des
pUs (S. 206). „Das Bild des Sehers wird aus dem Meer der Zeit-
,C)sigkeit heraufgeholt" (S. 208). Von daher kann er S. 210 eine
Positive Würdigung der Prophetie versuchen: „Und doch behält
s'e mit der Jahrtausende hindurch bewahrten Endverheißung
!hren Platz. Sie legt uns nahe, daß die große Zeit des Friedens
irgendwann noch einmal kommen kann..." Aber der letzte Satz
des Buches stellt dann doch eine unentschiedene Frage dar: „Ha-
~fn wir eine Geschichte menschlicher Dummheit und menschli-
*en Aberglaubens erzählt oder die Geschichte einer großen unerfüllten
Sehnsucht der Menschen von Anbeginn und einer großen
nie getilgten Angst?" In einem Anhang werden zu den einzelnen
Kapiteln reiche Quellen- und Literaturangaben gestellt,
?le zu den alttestamentlichen Propheten und zur jüdischen Apo-
p'yptik entweder veraltet sind oder nicht in den neuesten Auf-
agcn benutzt worden sind.

r Es ist ein ungeheuer großes, vielfältiges und kompliziertes
Gebiet, das der Verfasser unter der einfachen Fragestellung aufgenommen
hat. Weissagungen können verschieden betrachtet wer-
flen. religionsgeschichtlich, volkskundlich, psychologisch, auch

völkerpsychologisch, man kann sie theologisch angehen, und bei
allen Betrachtungsweisen kann ein religiöses Sensorium wohl
kaum entbehrt werden. Dieses zeigt der Verfasser leider nicht.
Daher dringt er auch nicht in die Tiefe. Die rein pragmatische
Fragestellung verbaut ihm den Zugang zu den Tiefen, aus denen
die Weissagung kommt. Daß hinter den einzelnen Weissagungen
sich eine bestimmte Geschichtsbetrachtung verbirgt, die ihrerseits
besondere Aufmerksamkeit erfordert, wird in seinem Betrachtungsfeld
nicht sichtbar. Von daher wird man sich manche journalistische
Redeweise, die dem Gegenstand nicht adäquat ist, erklären
können. Man vergleiche dazu den ersten Satz des Buches:
„Die Weissagungen sind wie die Frauen: sie machen sich mit
Kleidern, Putz und Schminke schöner als sie sind. Aber darin
sind sie anders als die Frauen: sie machen sich älter als sie sind."
Es verdient bemerkt zu werden, daß der Autor über den biblischen
Prophetismus ernster urteilt, aber es entgeht ihm, daß der
biblische Prophet Vorhersagungen aus seinem Divinationsver-
mögen getan hat, die eingetroffen sind. In einer Zeit, die auf
mancherlei Weissagungen zu hören bereiter ist als ein anderes
Zeitalter, muß von dem Buch eine gewisse Ernüchterung, die gewiß
heilsam ist und für manche praktische Bedeutung haben kann,
als Wirkung erwartet werden. Den religiösen Menschen wird es
nicht fördern, und ein Beitrag zur Weissagungsforschung, der für
die theologische Wissenschaft ertragreich wäre, kann in ihm nicht
gesehen werden. Wenn der Verfasser, der als verdienstvoller
Schopenhauerforscher bekannt ist, sich eine stärkere Begrenzung
im Stoff auferlegt hätte zugunsten einer tieferen Erfassung der
geschichtstheologischen und religionsgeschichtlichen Probleme,
hätte sein Schaffen größere Bedeutung erlangen können.

Leipzig Hans Bardtkc

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Irenee de Lyon: Contie les heresies. Mise en lumierc et refu-
tation de la pretendue „Connaissance". Livre 111. Texte latin, frag-
ments grecs. Introduction, traduetion et notes de F. S a g n a r d,
O. P. Edition critique. Paris: ßd. du Cerf; Lyon: £d. E. Vitte 1952.
480 S. 8° = Sources Chretiennes, Collection dirigee par H. de Lubac
et J. Daniclou. ffr. 1.740.

Seit langem wartete man auf eine kritische Ausgabe der
Schriften des Irenaus, aber man blieb auf die Ausgabe von Harvey
(1857, Nachdruck 1949) oder ältere Ausgaben angewiesen, denn
der Versuch Manuccis (1907) blieb unvollendet. Bekanntlich ist
das Hauptwerk des Irenäus „Gegen die Gnostiker" zusammenhängend
nur in einer alten lateinischen Übersetzung erhalten;
doch läßt sich der größte Teil des 1. Buches, vom 3. Buche etwa
ein Zehntel des griechischen Originals zurückgewinnen. Einige
syrische und armenische Fragmente ermöglichen es, den lateinischen
Text nachzuprüfen und gelegentlich (auf S. 290) zu ergänzen
. Unter diesen Umständen hat ein Herausgeber zunächst
die Aufgabe, den ursprünglichen Text der alten lateinischen
Übersetzung aus den vorhandenen elf Handschriften herzustellen,
sodann muß er die griechischen Fragmente und dazu die syrischen
und armenischen sammeln, ihren bestmöglichen Text feststellen
und ihn der Rezension des griechischen und lateinischen Textes
nutzbar machen.

Seitdem der Mauriner Massuet in seiner Ausgabe von 1710
für den lateinischen Text als erster die älteste und beste Hs. C
aus dem 9. Jhdt. (Claramontanus aus Corbie, jetzt in Berlin) benutzt
hat, wurde deren Wert immer deutlicher erkannt. In Alter
und Güte stehen ihr die Londoner Hs. (A) und die Leidener (V)
am nächsten. Sagnard bestätigt mit neuen Gründen die bereits
von Loofs vorgenommene Einteilung der Handschriften in zwei
Familien, vertreten durch CV einerseits, A und die übrigen, weniger
wertvollen Handschriften (aus dem 15. Jhdt.) anderseits,
und er zieht als erster entschieden die Folgerungen aus dieser
Einsicht, indem er den Text auf CV und A aufbaut, aber C den
Vorrang gibt. Außerdem benutzt er öfter eine Handschrift des
15.Jhdts. aus Salamanka, die Dom A. M. Olivar erst kürzlich
bekannt gemacht hat. So bietet S. die erste streng wissenschaftliche
Irenäus-Ausgabe, deren Text besser ist als der bisherige und
deren Apparat es gestattet, die Textgcstaltung überall nachzu-