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Ausgabe:

1954

Spalte:

479-481

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Grether, Oskar

Titel/Untertitel:

Hebräische Grammatik für den akademischen Unterricht 1954

Rezensent:

Meyer, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 7/8

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von Autoren, die zu einem ähnlichen zeitlichen Ansatz gekommen
sind, hat Elliger in seinem Buche selber verschiedentlich hingewiesen
. Darüber hinaus scheint mir eine eben erschienene
Arbeit des New Yorker Isaak Rabinowitz von einiger Wichtigkeit
zu sein, die im Journal of Biblical Literature, Bd. 73,
1954, S. 11—35 erschienen ist. Rabinowitz hat hier einige wesentliche
Stellen der Damaskusschrift neu übersetzt und erklärt und
in weitem Maße ein neues Verständnis derselben erschlossen,
und es scheint mir, daß man diese Arbeit, die fortgesetzt werden
soll, sehr ernst wird nehmen müssen. Es ist danach sehr wohl
möglich, daß die von Elliger vorgeschlagene Datierung des Haba-
kuk-Kommentars sich nicht wird halten lassen.

Damit würde das Kapitel VIII (Zum Inhalt: Der zeitgeschichtliche
Hintergrund, S. 226— 274) etwas problematisch in seinem
Werte. Wer die an sich nicht schwer erreichbare Literatur kennt,
dem bringt dieses Kapitel — und dasselbe gilt von den Nachträgen
S. 288—295 — kaum etwas Neues, und man könnte allen
Ernstes fragen, ob diese Literatur es wert ist, in solcher Ausführlichkeit
behandelt zu werden.

Kapitel IX (Zum Inhalt: Theologisches, S. 275—287) versucht
Resultate zu geben auf Grund einer der Rollen, aber diese
Resultate würden natürlich etwas anders zu beurteilen sein,
wenn die Rolle anders zu datieren ist. Außerdem wird man
natürlich den Inhalt der einen Rolle durch den der andern mit
dem ihr aufs engste verwandten Texte zu ergänzen haben.

Wenn in Kapitel III (S. 48—58) nach dem Ertrag des Haba-
kuk-Kommentars für die Textkritik am Buche Habakuk gefragt
wird, so kann man diese Fragestellung bei einem alttestament-
lichen Exegeten wohl verstehen und entschuldigen. Man muß sich
aber darüber klar sein, daß eine solche Fragestellung der Bedeutung
des neuen Habakuktextes nicht ganz gerecht wird. Es
ist in Wirklichkeit doch so, daß uns hier ein alter Vulgärtext des
Propheten Habakuk greifbar wird, der dadurch noch von ganz
besonderem Interesse ist, weil die neu gefundene Lederrolle aus
einer der Höhlen von Wädi Murabba'a mit dem griechischen
Text der Kleinen Propheten im wesentlichen auf denselben hebräischen
Text zurückgeht, den uns der Habakuk-Kommentar
bietet. Vgl über diesen griechischen Text Barthelemy in Revue
Biblique, LX, 1953, p. 18—29 und meine Ausführungen in ThLZ
1954, 2.

Nicht ganz befriedigend erscheinen mir die Ausführungen
in Kapitel IV (Zur Schreibung und Aussprache des Hebräischen.
Äußerlichkeiten der Handschrift, S. 59—77). Trotz aller Mühe,
die er sich gibt, erkennt man sehr bald, daß der Verfasser auf dem
Gebiete der hebräischen Handschriften nicht zu Hause ist, und
das wird besonders deutlich bei seinen Bemerkungen über das
Tetragrammaton. Ich verweise hier auf meine oben zitierten Ausführungen
.

Sehr sorgfältig sind die „Bemühungen um die Rekonstruktion
des Textes von Kolumne II" (Kap. I, S. 6—21). Elliger hebt
selber hervor, daß er hier wesentlich zu denselben Resultaten
wie Rabinowitz gekommen ist, und wir werden diese Ergänzungen
im wesentlichen als definitiv ansehen können. Aber auch die
„Weiteren Vorschläge zur Rekonstruktion des Textes " (Kap.
II, S. 22—47) sind sehr sorgfältig gemacht und durchaus positiv
zu werten.

Charlbury/Oxford P. Kahle

Gretherf, Oskar, Prof.: Hebräische Grammatik für den akademischen
Unterricht. München: Evang. Presseverband f. Bayern 1951.
477 S. gr. 8°. HIw. DM 12.50.

Das posthum erschienene Lehrbuch stellt das umfangreichste
Unterrichtswerk dar, das wir zur Zeit besitzen. Wie Verf. bereits
in seinem Aufsatze „Erwägungen zum hebräischen Sprachunterricht
" (= Festschrift für A. Bertholet fl950], 192-207) ausführt,
hat er es sich zum Ziele gesetzt, dem Studierenden zu einem organischen
Verständnis des Hebräischen zu verhelfen. So soürt man
dem Lehrbuche an, wie Verf. sich mit den älteren Schul- und
Anfäneergrammatiken auseinandersetzt und bemüht ist, ein wissenschaftlich
und methodisch für den Erwachsenenunterricht geeignetes
Werk zu schaffen.

Die eigentliche Grammatik umfaßt mit 239 S. etwa die Hälfte

des Lehrbuches. Sie beginnt mit geschichtlichen und methodischen
, teilweise etwas schulmeisterlichen Vorbemerkungen (§§
1—2). Der erste Hauptteil enthält die „Elementarlehre" (§§ 3—19),
der nächste Teil bringt die „Formenlehre" (§§ 20—67), und anschließend
wird die Syntax in der Reihenfolge: „Syntax des Nomens
" (§§ 68—78), „Syntax des Verbums" (§§ 79—87), „Syntax
der Partikeln" (§§88-91), „Der hebräische Satz" (§§ 92-96)
behandelt. Ergänzend treten umfangreiche Flexionstabellen,
Übungsstücke und Vokabulare (S. 242—475) hinzu.

Für die Grammatik als Ganzes erhebt sich die Frage, ob es
dem Verf. wirklich gelungen ist, sein Ziel zu erreichen und dem
Anfänger einen organischen Zugang zum Hebräischen zu verschaffen
. Man wird jederzeit gern zugeben, daß Verf. mit großem
Fleiß und Scharfsinn vorgegangen ist und daß er sich vor allem
in die ältere Schultradition vortrefflich eingearbeitet hat. Aber
die starke Bindung an die ältere Überlieferung bedeutet keineswegs
einen Vorteil für die Gesamtanlage des Buches. Denn auf
diese Weise ist die Grammatik weithin durch eine schwerfällige
und veraltete Diktion belastet. Was soll der Studierende z. B.
mit den zahlreichen überflüssigen lateinischen Ausdrücken wie
litterae dilatabiles, compensatio, dominus (für Trenner), servus
(für Verbinder), coniunctio recitativa beginnen, die über das
Wesen der Sprache rein gar nichts aussagen und lediglich traditionellen
Ballast darstellen? Es wäre m. E. ein Leichtes gewesen,
den Stil des Buches im Sinne der modernen semitischen Sprachwissenschaft
zu revidieren, die sich keineswegs durch eine allzu
große babylonische Sprachverwirrung auszeichnet, wie Verf. in
dem oben zitierten Aufsatze meint.

Ein Lehrbuch für Anfänger muß mit anderen Maßstäben gemessen
werden als eine Grammatik, die den derzeitigen Forschungsstand
zusammenfassend darzustellen hat. Gleichwohl wird
man auch von einem Unterrichtswerk erwarten dürfen, daß es dem
jeweiligen Forschungsstand im Durchschnitt entspricht bezw.
hierauf fußt. Diesbezüglich wird man freilich einige Bedenken anmelden
müssen. Zur Vermittlung eines ordentlichen phonetischen
Bildes bedarf es einer eindeutigen Umschrift. Wenn für das Hebräische
auch ein allgemeines Übereinkommen noch nicht besteht,
so erscheint mir noch immer die Umschrift des Arabischen, wie
sie die Deutsche Morgenländische Gesellschaft bietet, wegen ihrer
Einfachheit und ästhetischen Wirkung als die beste Basis. Auf
keinen Fall sollte man hier allzu individuell vorgehen. Wenn z. B.

Verf. den Gottesnamen MW mit jachwä (sie!; § 19f) umschreibt
, so ist das, von der semitischen Lautlehre her gesehen,
falsch.

Zu einem Unterrichtswerk gehört des ferneren terminologische
Klarheit. Wie wenig dieser Grundsatz eingehalten ist,
zeigt sich z. B. darin, daß in der Lautlehre der Begriff „harte"
und „weiche" Aussprache für „explosiv" und „spiriert" anscheinend
unausrottbar ist. Nach § 3e soll nun spiriertes k als „weicher
" ch-Laut wie in deutschem „ich" zu sprechen sein, andererseits
wird die Laryngalis Het als der „harte" ch-Laut wie in
„ach" hinbestellt. Beides ist unrichtig und muß z. B. nach Bauer-
Leander, Historische Grammatik der hebräischen Sprache I, § 10
korrigiert werden. Im Rahmen der „Lautlehre" wird man weiterhin
fragen dürfen, was „Vokallaute" (§ 4a) sein sollen. Gemeint
sind doch offenbar die reinen Vokale als die Träger des Silbenakzents
; warum also dann nicht einfach „Vokale"? Nicht weniger
Bedenken erregt es, wenn in der Formenlehre von „enklitischen
Präpositionen" gesprochen wird (§ 65).

Andererseits besteht ein besonderes Verdienst des Lehrbuches
darin, daß die Syntax in einem LImfange berücksichtigt
ist, der weit über das hinausgeht, was man sonst aus Anfängergrammatiken
gewöhnt ist. Leider haften dem syntaktischen Teile
dadurch gewisse Mängel an, daß Verf. sich nicht hat vom üblichen
Schema lösen können und erst nach der Svntax von Nomen, Ver-
bum und Partikeln die eigentliche Satzlehre bringt. Methodisch
und sprachgeschichtlich wäre er wohl besser zum Ziele gekommen,
wenn er zunächst den Bau des einfachen und des zusammengesetzten
Satzes behandelt hätte. Die Eigenart des semitischen Satzes
würde auf diese Weise besser heraustreten, und die syntaktischen
Funktionen des Nomens, Verbums und der Partikeln ließen
sich organischer in die Gesamtdarstellung eingliedern.