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Ausgabe:

1954

Spalte:

477-478

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Jonge, Marinus de

Titel/Untertitel:

The testaments of the twelve patriarchs 1954

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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477

Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 7/8

478

Jonge, M. de, Dr.: The Testaments of the twelve Patriarchs. A Study
of their Text, Composition and Origin. Assen: van Gorcum 1953.
184 S. gr. 8° = van Gorcum's Theologische Bibliotheek Bd. XXV.
hfl. 9.50; geb. 10.90.

Die vorliegende Arbeit, eine vorab von J. de Zwaan-Leiden
und T. W. Manson-Manchcster geförderte und von dem letzterer,
auch mit einem Geleitwort versehene Leidener theologische Doktor
-Dissertation will, wie ihr Untertitel anzeigt, Text, literarischen
Aufbau sowie Entstehungszeit, Heimat und Tendenz der uns
griechisch, armenisch und slavonisch erhaltenen Testamente der
Zwölf Patriarchen untersuchen. Dem entspricht ihre Gliederung.
Nach einer Einleitung (S. 9—12), die Geschichte und gegenwärtigen
Stand der wissenschaftlichen Arbeit an den Testamenten darstellt,
werden im 1. Kapitel (S. 13-36) der Text, im 2. (S. 37-116) der
literarische Aufbau, im 3. (S. 117—128) Zeit, Ort und Zweck der
Abfassung dieses Buches behandelt. Ein „Die Fragmente eines Jüdischen
Testaments Levi" überschriebener Anhang (S. 129—131)
erörtert das Verhältnis der aus der Geniza von Kairo stammenden
Fragmente einer aramäischen Fassung des Testamentes Levi
zu seinem griechischen Text und stellt fest, daß jene ebenso wie
dieser letztlich auf ein hebräisch geschriebenes Original zurückgehen
. Den drei Hauptteilen und dem Anhang werden S. 132
bis 169 zahlreiche und gehaltvolle Anmerkungen beigegeben, und
den Abschluß bilden eine Bibliographie (S. 170-171) sowie ein
Verzeichnis der Stellen der Testamente, die in der Untersuchung
berücksichtigt worden sind (S. 173—184).

Jedes der drei Hauptstücke kommt zu neuen, vielfach .grundstürzenden
Ergebnissen. Was den Text angeht, so bestreitet De
Jonge die gangbare Meinung, es ließen sich aus ihm christliche
Interpolationen späterer Zeit ausscheiden und damit eine ältere
jüdische Grundlage des Buches nachweisen, und ersetzt sie durch
die Behauptung, daß das Buch als ganzes von einem Christen verfaßt
worden sei, natürlich unter reichlicher Benutzung älteren
Stoffes jüdischer Herkunft. Ebensowenig wie der Textbefund die
Annahme eines christlich interpolierten älteren jüdischen Originals
fordert, vermag diese Annahme die Struktur der einzelnen
Testamente und des Buches als ganzen befriedigend zu erklären.
Vielmehr wird der Aufbau des Buches und seiner einzelnen Teile
dann am ehesten verständlich, wenn man es einem christlichen
Autor zuschreibt, der - außer der LXX-Übersetzung des Alten
Testaments - ein jüdisches Testament Levi, ein jüdisches Testament
Naphtali, eine auch vom Jubiläen-Buch verwertete hagga
dische Schrift sowie judaisierte hellenistische Romanmotive benutzt
hat, wobei ihm alle diese Quellen wohl schon in griechischer
Übersetzung vorgelegen haben. Die zu diesen Ergebnissen
führenden Beobachtungen, wie sie im 2. Kapitel dargelegt werden
, erfahren dann im 3. Kapitel ihre Zusammenfassung, indem
dieses als Hauptquellen des griechisch schreibenden christlichen
Autors das jüdische Testament Levi, das jüdische Testament
Naphtali sowie eine auch im Jubiläen-Buch benutzte haggadische
Schrift nennt, seine Absicht dahin bestimmt, die Ideale christlicher
Lebensführung an den Lebensläufen der 12 Jakobssöhne
Zu veranschaulichen,'ihn zwischen 190 und 225 n.Chr. ansetzt
l,nd ihm seinen Platz in der Großkirche, nicht etwa in einer haitischen
Gruppe, anweist, wobei seine — von ihm vielleicht absichtlich
im Dunkel gelassene — Heimat nicht genauer angegeben
Werden kann und sich nur das mit einiger Sicherheit sagen läßt,
daß keinerlei Nötigung vorliegt, an Palästina zu denken.

Man sieht: De Jonge lehnt die 1698 von J. E. Grabe, dem
ersten Herausgeber des griechischen Textes der Testamente, ver-
tretene, 18 84 von F. Schnapp erneuerte und seitdem herrschend
Rewordene Auffassung der Testamente als ein christlich interpoliertes
jüdisches Werk ab und erneuert die in den beiden zwischen
Grabe und Schnapp liegenden zwei Jahrhunderten übliche
Verleitung des Buches von einem christlichen Verfasser. Um einfache
Erneuerung einer älteren Meinung handelt es sich dabei frei-
'•ch ganz und gar nicht. Vielmehr wird die Frage, um die es geht,
"ntcr sorgfältiger Auswertung des gesamten der gegenwärtigen
''orsdiung zur Verfügung stehenden Materials und unter behutsamer
Erwägung aller hier in Betracht kommenden Kriterien von
^rund aus neu untersucht und damit eine neue Epoche der wis
Senschaftlichen Arbeit an den Testamenten eröffnet. Denn beachtenswert
, eindrucksvoll und bestechend ist De Jonges Beweisführung
jedenfalls. Mehr wird sich zunächst wohl nicht sagen lassen
, wie auch Manson in seinem Geleitwort bei aller Anerkennung
der Sorgfalt, der Klarheit und der Überzeugungskraft des De
Jongeschen Buches doch die Möglichkeit, daß es sich vielleicht
Modifizierungen werde gefallen lassen müssen, ins Auge faßt, um
dann freilich mit um so größerem Nachdruck festzustellen, daß
das Buch die beste Einführung in die Arbeit an den Testamenten
der Zwölf Patriarchen darstellt und diesen Dienst gewiß noch für
viele Jahre zu leisten berufen ist.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

Eiliger, Karl: Studien zum Habakuk-Kommentar vom Toten Meer.

Mit einer Beilage: Der Hebräische Text des Habakuk-Kommentars
vom Toten Meer (DSH) in Umschrift. Tübingen: Mohr 1953. XIII.
302 S. u. 15 S. gr. 8° = Beiträge zur historischen Theologie, hrsg.
v. G. Ebeling, H. 15. DM 39.60.

Professor Elliger war mit der Auslegung der Kleinen Propheten
beschäftigt (Das Alte Testament, Deutsch, Bd. 25, die Propheten
Nahum, Habakuk, 2. Auflage. Göttingen 1951), als der
Text der Habakuk-Rolle aus der Höhle bei Khirbet Qumrän, zusammen
mit der Isaiah-Rolle, durch Miliar Burrows, Trever und
Brownlee im Auftrage der American Schools of Oriental Research
, New Häven 1950, veröffentlicht wurde. So kam er von
vornherein zu einem genaueren Studium dieser Rolle, und aus
der Beschäftigung mit dem Texte ist unter Berücksichtigung der
immer mehr anschwellenden Literatur die weithin ausführlichste
Untersuchung entstanden, die einer der neu gefundenen Handschriften
bisher zuteil geworden ist.

Der Verfasser ist am meisten zuständig auf dem Gebiete der
alttestamentlichen Exegese, und der sind die Kapitel V (Sprache
und Stil der Auslegung, S. 78—117), VI (Methode der Auslegung,
S. 118-154) und VII (Übersetzung und Kommentar, S. 165—225)
gewidmet. Was er in den Kapiteln V und VI bringt, sind sorgfältige
und höchst beachtliche Erwägungen eines erfahrenen Exe-
geten, die ihren Wert haben und behalten werden. Kap. VII
(Übersetzung und Kommentar) hat seinen besonderen Wert dadurch
, daß es unter ständiger Berücksichtigung der Vorgänger
und in Auseinandersetzung mit ihnen geschrieben ist, und man
kann damit rechnen, daß es weithin als Grundlage dienen wird
für die weitere Beschäftigung mit diesem Texte.

Es ist interessant zu sehen, wie der Verfasser bis gegen
Schluß seiner Ausführungen bemüht ist darzulegen, daß kein ent scheidender
Zwang besteht in den viel umstrittenen Kittäern mit
den meisten der Ausleger die Römer zu sehen, und daß z. B. die
Thesen von Dupont-Sommer, zweifellos des bedeutendsten unter
den Auslegern des Habakuk-Kommentars, nicht als bewiesen angesehen
werden können und manche seiner Resultate einer sorgfältigen
Prüfung nicht standhalten.

Da ist man etwas enttäuscht, daß Elliger selber zum Schluß
seiner Ausführungen der Versuchung unterliegt, den Habakuk-
Text in die römische Zeit zu verlegen, indem er den bösen Priester
, der der Gegenspieler des Lehrers der Gerechtigkeit ist, mit
dem alten Hohenpriester Hyrkan identifiziert, der das Hohepriesteramt
mit kurzen Unterbrechungen von 76 bis 40 v. Chr.
innegehabt hat und der schließlich, fast 80jährig, durch Herodes
getötet wurde. Die Gründe, durch die Elliger zu dieser Identifizierung
veranlaßt wird, scheinen mir nicht sehr überzeugend zu
sein, und das Bedenkliche dabei ist, daß der Habakuk-Kommentar
auf diese Weise zeitlich festgelegt wird ohne Berücksichtigung der
anderen verwandten Texte.

Gewiß hat es seine Berechtigung, jeden der neu aufgefundenen
nicht-biblischen Texte zunächst einmal für sich zu betrachten
. Aber die Entscheidung über die Zeit der Entstehung dieser
Texte kann nicht ohne Berücksichtigung der verwandten Texte
fallen. Sobald der Habakuk-Kommentar entdeckt wurde, war es
klar, daß er aufs engste mit der sog. Damaskusschrift verwandt
war. Man kann über das Alter des Habakuk-Kommentars kaum
urteilen, ohne die Damaskusschrift zu berücksichtigen. Auf die
vielen, die über das Alter dieser Schrift herumgeraten haben,
kommt es nicht an. Die Damaskusschrift ist schon 1919 durch
einen Historiker wie Eduard Meyer mit klaren Gründen in die
Zeit des Antiochus Epiphanes verlegt worden. Auf eine Reihe