Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1954

Spalte:

470

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Forschungen aus mitteldeutschen Archiven 1954

Rezensent:

Haussherr, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

469

Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 7/8

470

später sei als de civitate XII, 1 5 kehrt Kusch dabei um (vgl. besonders
S. 191).

Den Reigen der Gratulanten eröffnet Hans B a r d t k e mit
einer gründlichen Untersuchung über die Parascheneinteilung der
Jcsajarolle I von Qumrän (S. 33—75), nicht ohne sein Ergebnis
als hypothetisch zu bezeichnen, solange nicht DSJb und die übrigen
biblischen Handschriften der Toten-Meer-Funde veröffentlicht
sind. Ihm folgt Karl B a r w i c k, der durch eine gründliche
und begriffsklare Interpretation von Casars bellum gallicum 6,
21, 4 f. die These von Jachmann, daß Cäsar interpoliert worden
sei, widerlegt (S. 76—84), während E. F orrer den Nachweis
führt, daß Karthago im Jahr 663 v. Chr. gegründet worden sei
(S. 85—93). Besondere Beachtung verdient die feinsinnige Studie
von Wolf. H. Friedrich über den Kosmos Ovids, in der die
Eigenart dieses Dichters der Metamorphosen als eines Großstadtmenschen
herausgearbeitet wird, gegenüber der naiven religiösen
Ehrfurcht der älteren Dichtung (S. 94—110). Johannes 1 r m-
scher unterrichtet über die Leistung der Sowjet-Byzantinistik,
welche geeignet ist, der einseitig abendländischen Auffassung der
mittelalterlichen Geschichte mit Erfolg entgegenzutreten, dadurch
daß sie die welthistorische Bedeutung des byzantinischen Staates
ins rechte Licht rückt (S. 111—123). Maximilian Lambertz
behandelt kritisch (in besonderer Auseinandersetzung mit Karl
Bornhäuser) die Stammbäume in Matthäus 1, 1—17 und Lukas
3, 23b ff. (S. 201-225). Nach seiner Ansidit können sie nur
spätere Konstruktionen sein, da aus Markus 3, 31 f. einwandfrei
hervorgehe, daß die Familie Jesu von der messianischen Bedeutung
dieses älteren Sohnes und Bruders keine Ahnung gehabt
hätte. Die Frage, wie dann die Davidsohnschaft in die urchristliche
Verkündigung hineingekommen ist, bedürfte dann freilich
einer besonderen Untersuchung.

Man wird es einem Theologen und einem Rezensenten für
eine theologische Literaturzeitung nicht verübeln, wenn er auf
größere und kleinere Spezialaufsätze nicht näher eingeht, zu deren
Beurteilung ihm die nötige Sachkenntnis fehlt. Dahin gehört
die neue Deutung des Wortes Charivari (S. 231—243), das Karl
M e u 1 i mit der Sitte der Ächterstrafen und der Volksjustiz zusammenbringt
. Dahin gehört die kleine Studie „Sullat und Ha-
nis" von Margarete Riemschneider, die Untersuchung
Georg Schreibers über den irischen Seeroman des Brandan,
die Ausführungen Erwin S e i d 1 s „Zum juristischen Wortschatz
der Alten Ägypter", die umfangreichen Untersuchungen Paul
T h i e 1 s c h e r s über die Schallgefäße des antiken Theaters und
Rudolf Z a u n i c k s Studie über den Fischnamen Tecco. Hervorzuheben
wären für unseren Zusammenhang die Bemerkungen
Hermann S a s s e s zur Inspirationsichre Augustins unter dem Titel
„Sacra scriptura" (S. 262—273), dazu kommt — für den Be-
griffsgeschichtler wichtig - Otto Seels tiefgründige Untersuchung
„Zur Vorgeschichte des Gewissens-Begriffes im altgriechischen
Denken" (S. 291—319). An der glänzenden Darstellung der
Persönlichkeit und der Lebensleistung von Ulrich von Wilamo-
witz, welche Harald P a t z c r (S. 244-257), beisteuert, wird jeder
allgemein gebildete Leser seine Freude haben.

Zum Schluß müssen noch die rückschauenden Bemerkungen
erwähnt werden, welche Franz D o r n s e i f f selbst zur Erläuterung
seines Schriftenverzeichnisses gegeben hat, weil aus ihnen
nicht nur der Umfang seines Interessengebietes, sondern auch die
Ärt seiner Quelleninterpretation deutlich wird. Er hält es für
eine Forderung des gesunden Menschenverstandes, von der Überlieferung
erst abzugehen, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden
läßt. Sonst vertritt er die Werkeinheit antiker Bücher und ist ein
Gegner von Textzerschneidungen. In diesem Zusammenhang erwähnt
er seine neue Deutung von Vergils Katalepton. Da diese
Untersuchung als erste in der Schrift „Verschmähtes zu
Vergil, Horaz und Proper z" gleichfalls von dem unterzeichneten
Rezensenten zu besprechen ist, empfiehlt es sich,
einige Bemerkungen anzuschließen. Die vorliegende Sammlung
von Studien zu den genannten Dichtern ist ein höchst geistvolles
"nd lebendiges Zeugnis für Dornseiffs Bestreben, die Wcrkeinhcit
antiker Bücher nachzuweisen. Auch der Nichttheologe wird Dornseiffs
Ausführungen über Vergils Katalepton mit Interesse lesen.
Er wird die persönlichen und gedanklichen Zusammenhänge zwischen
Vergil und Horaz, ihre Beziehung zu Augustus, die durch

literarische Anspielungen aufgehellt werden, höchst amüsant finden
. Besondere Aufmerksamkeit wird der Theologe aber den
Ausführungen Dornseiffs widmen, in denen er die Beziehungen
des Horaz zum Judentum und zur Septuaginta und Vergils zum
sibyllinischen Buch III nachweist. Aus dieser Darstellung wird
deutlich, mit welcher Freude der Verfasser seiner alten Liebe aus
der Gymnasiastenzeit, der vergleichenden Bibelinterpretation,
frönt. Es entsteht ein ungemein lebendiges Bild der Beziehungen
römischer Dichter zum Judentum, ihrer gegenseitigen Anregungen
, und man erhält neue Aufschlüsse über ihre Art zu dichten.
Freundlich-ironische Auseinandersetzungen mit Fachkollcgen,
Seitenblicke auf die Gegenwart beleben die an sich komplizierten
Interpretationen auf Grund von Textvergleichen und erweisen
des Verfassers eminenten Spürsinn. So wird diese Schrift nicht
nur dem Philologen, sondern auch dem Humanisten und Freund
der Antike viel Neues zu bieten haben.

Oreifswald Erich Fascher

[K r c t z s c h m a r - Festschrift:] Forschungen aus mitteldeutschen Archiven
. Zum 60. Geburtstag von Hellmut Kretzschmar hrsg. v. d.
Staatl. Archivverwaltung im Staatssekretariat für innere Angelegenheiten
. Berlin: Rütten & Loening [1953]. 432 S., 7 Taf., 1 Portrat,
gr. 8° = Schriftenreihe d. Staatl. Archivverwaltung Nr. 3 DM 18.40.

Die lange Reihe von Aufsätzen zur Archivwissenschaft, Behörden
-, Territorial- und Stadtgeschichte aus den Bereichen der
Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind eine verdiente
Ehrung für den Leiter des Landeshauptarchivs Dresden.
Nur wenige von den Arbeiten kommen für den theologischen
Leser näher in Betracht. Kaum der Beitrag von Hans Patze
(Gotha) über eine auf den 30. April 1226 datierte Fälschung des
Reichsklosters Chemnitz, die mehr die wirtschaftlichen Belange
angeht. Dagegen greift Hans Beschorner (Dresden) mit seiner
Arbeit über Bedeutung und Überlieferung der Bulle Exurgc
Domine von 1520 (S. 315—27) in die Kirchengeschichte. B. geht
von der Verwunderung der Besucher aus, die im Dresdener Archiv
ein Exemplar der Bannbulle vorfinden, die Luther doch verbrannt
habe. Nach K a 1 k o f f, dessen Name genannt, dessen
Arbeiten aber nicht im einzelnen zitiert werden, gibt B. den Rahmen
des Prozesses gegen Luther und die Entstehung der Bulle,
von deren drei Reinschriften Dresden die eine besitzt (die andere
liegt in Stuttgart, eine dritte ging nach Rom zurück). Als Tafel
5 und 6 bildet B. aber nicht eine Photographie des Dresdener
Stückes ab, sondern die eines Druckes, wie ihn Luther wirklich
verbrannt hat, genau nach der Veröffentlichung durch Schotten-
loher. — Als „Beitrag zur sorbischen Volksforschung" behandelt
Martin R e u t h e r (Bautzen) „Die sorbische Bevölkerung in und
um Bautzen und ihre Beziehungen zu Kirche und Schule bis zum
Ausgang des 19. Jahrhunderts" (S. 401—30). In einer gründlichen
Übersicht über die Kirchen- und Schulgeschichte der sorbischen
Sprachinsel erhalten wir im Abdruck das älteste sorbische Sprachdenkmal
, den wendischen Bürgereid von 1532 (Taf. 7), während
im Text nur die deutsche Fassung des gleichen Eides gegeben
wird. Für eine Volksgruppe, die niemals in einem eigentlich politischen
Kampf gestanden hat, waren Kirche und Schule die Lebensfrage
. Im Spiegel der Kirchen- und Schulgeschichte zeigt sich
das Auf und Ab eines durch mehrere Jahrhunderte hindurch behaupteten
Sonderdaseins.

Halle/Saale Hans Haussherr

RELIGIONSWISSENSCHAFT

O 11 o, Eberhard: Ägypten. Der Weg des Pharaonenreiches. Stuttgart:
Kohlhammer [1953]. 291 S. mit 6 Abb. + 1 Kte im Text, 35 Abb.
auf 24 Taf. kl. 8° = Urban-Bücher Bd. V. DM 4.80.

Kenntnis der altägyptischen Kultur ist für den Theologen in
mancher Hinsicht erforderlich. Die Welt des Alten Testaments,
durch Zeit und Schauplatz dem Reich am Nil verbunden, kann in
vielen Tatsachen und Formen ihrer politischen, kulturellen und
literarischen Geschichte erst aus der Verbindung mit Ägypten begriffen
werden. Aber auch die hellenistische Oikumene und damit
die Welt des Christentums verlangt nach Einbeziehung Ägyptens