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Ausgabe:

1954 Nr. 6

Spalte:

345-348

Autor/Hrsg.:

Fuchs, Ernst

Titel/Untertitel:

Bermerkungen zur Gleichnisauslegung 1954

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 6

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die Leidensnadifolge (V. 24 ff.), ausmündend 4) in die doppelt
in V. 27 f. ausgesprochene Verheißung (/jleIei yäg 6 v.i.ä.eQXE°-
i?at...) des zum Gericht nach den Werken in Bälde kommenden
Menschensohnes. Schon das Petrusbekenntnis hat hier gegenüber
Markus einen neuen Sinn. Das apologetische Motiv des Markus
(erst nach der Auferstehung darf das Messiasbekenntnis erklingen
), ist bei Matthäus zurückgedrängt. Bei ihm heißt es:
Der, der jetzt schon Christus und Gottessohn i s t, ist es hier
auf Erden als der leidende Menschensohn, der auch seine Jünger
in die Leidensnachfolge stellt. Durch die Verankerung des Pe-

nun auch die Kirche , die ihren Platz nach der Auferstehung, aber
vor der Parusie hat, unter das Lebens- und Leidensgesetz des irdischen
Jesus gestellt. So wenig Mt 16, 18 f. das schon aus sich
selbst hergibt, wird doch durch den Kontext das Amt der Kirche
unter die inhaltliche Norm der künftigen Entscheidungen des
Menschensohnes gestellt. Matth, also gibt sich mit der bloßen
Statuierung der formalen Autorität der kirchlichen Entscheidungen
nicht zufrieden7.

') Entsprechendes ließe sich aus dem Kontext der Gemeinderegel

18i6—18 erheben; beachte hier nur ihre Einklammerung durch das Gleidi-
trus-lxx^ata-Wortes m der vorosterhehen Geschichte Jesu wird nis vom vcriorenen Scnaf (iglsff.) und vom Sdialksknecht (i8>iff.).

Bemerkungen zur Gleichnisauslegung

Von Ernst Fuchs, Tübingen

1. Die moderne Auslegung der Synoptikergleichnisse sucht,
wie J. Jeremias sagt, zur ipsissima vox Jesu vorzudringen
und zu diesem Zweck die konkrete Situation deutlich werden zu
lassen, der das einzelne Gleichnis von Jesus oder von Anderen
zugeordnet bzw. entnommen worden ist. Man hat dann wie auch
sonst zwischen der Tradition und der Redaktion der Evangelisten
und ihrer Vorgänger zu unterscheiden. Mit dem allem ist nicht
gesagt, daß die Urkirche nicht das Recht gehabt hätte, das eine
und andere Gleichnis auf ihre Situation zu übertragen. Aber dieses
Recht bedarf der Überprüfung. Maßstab der Überprüfung soll
der ursprüngliche Sinn oder Bezug des einzelnen Gleichnisses sein.
Wir bewahren uns auf diese Weise vor der Überfremdung des
Wortes Jesu durch sach- und sinnfremde, zur allegorischen Auslegung
verleitende Motive, aber auch vor einer letztlich ins bloß
Rationale, allgemein Religiöse ausmündenden Deutung, die das
Besondere, das Eigene der Situation und Sendung Jesu verfehlt.

Jedoch, hier steckt eine schon methodisch greifbare Schwierigkeit
. Will nicht das Gleichnis, gleichgültig, wie weit oder eng
dieses Wort gefaßt werde, selber Deutung sein? Ein Gleichnis
sollte also keiner Deutung bedürfen, denn das hieße, die Deutung
deuten. Insofern ist es sicher richtig, den „Sitz im Leben" für das
Gleichnis zu suchen. Aber dabei muß zwischen der Bildhälfte und
der Sachhälfte unterschieden werden. Es ist nicht viel gewonnen,
wenn man weiß, wo die Bildhälfte beheimatet ist. Wichtiger ist
die Sachhälfte. Sie ist der eigentliche Sitz im Leben für das Gleichnis
. Soll nun dieses Leben Jesu eigene Situation sein, so gerät
man in große Schwierigkeiten, wenn man dem Verständnis des
Gleichnisses dadurch aufhelfen will, daß man sich bei der Situation
Jesu umsieht. Denn es ist ja doch gerade das Gleichnis, das
in diese Situation hineinleuchtet. Das wäre nur dann anders, wenn
Jesus in seinen Gleichnissen Aussagen über sich selbst gemacht
hätte. Dann ginge es etwa in den Himmelreichsgleichnissen um
ein Geschehen, an dem sich Jesus zuerst selbst beteiligt weiß und
zu dem er auch uns durch die Bildhälfte, also durch das, was wir
Gleichnis oder Parabel nennen, einen Zugang verschaffen möchte.

Dies scheint mir nun in der Tat der Fall zu sein. Ich möchte
das, was ich meine, an der Parabel von den Arbeitern im Weinberg
illustrieren. Doch zuvor scheint mir noch eine zweite allgemeine
Erwägung angebracht.

2. Was will eigentlich ein Gleichnis? B u 11 m a n n hat gezeigt
, daß Gleichnisse sowohl aus einem Vergleich als auch aus
einem Bildwort entwickelt sein können; als Beispiel für den ersten
Fall mag das Gleichnis von der kostbaren Perle, als Beispiel
für den zweiten Fall das von Sklave und Herr (Luk. 17, 7—10)
dienen (R. B u 11 m a n n, Gesch. der syn. Trad. 2. Aufl., 1931,
S. 184 ff.). Das Gleichnis will also vergleichen und veranschaulichen
. Der Vergleich fordert uns ein Urteil ab; die Anschauung
überzeugt uns. Der Unterschied ist nicht groß, aber er hilft weiter
. Beim Vergleich scheinen wir der Sachhälfte näher zu sein als
dort, wo uns eine überzeugende Anschauung angeboten wird, —
wenn anders zwischen Bildhälfte und Sachhälfte streng unterschieden
werden soll. Denn der Denkakt, der durch den Vergleich
herausgefordert wird, ist ohne weiteres als tertium comparationii
zwischen Bildhälfte und Sachhälfte brauchbar; also z.B.: wie der
Kaufmann in seinem Fach wertete, so werte auch du im Blick auf

das Himmelreich! Dagegen bedarf die an sich überzeugende Anschauung
, z. B. die in dem Verhältnis zwischen Herr und Sklave,
durchaus einer Anwendung, die in diesem Fall auch tatsächlich
gegeben wird (Luk. 17, 10). Es ist aber gleich die Frage, ob die
eben erwähnte Anwendung genügt. Das Bild vom Sklaven, der
sich mit seiner Sphäre zu begnügen hat, wird ja offensichtlich weder
unserem Verhältnis zu Gott, noch unserer Beziehung zu Jesus
ganz gerecht. Sollte sich dahinter eine andere Anschauung verstecken
, die uns Jesu eigenen Gehorsam vor Augen führen
will? Dann wäre die rein logische Anwendung nicht so treffend,
wie Bultmann meint (S. 184). Von da aus gesehen wird
freilich auch das tertium comparationis im Falle des Perlengleichnisses
unsicher. Was heißt das schon: werte du nicht anders im
Blick auf das Himmelreich? Wir sind noch nicht am Ziel, wenn
wir exakter übersetzen und statt Himmelreich Gottesherrschaft
sagen. Gewiß umschreibt der Begriff Gottes eschatologisches Tun.
Aber solange man nicht weiß, worin dieses Tun besteht, hat die
Aufforderung zum kühnen Werten und alles an Eins Setzen keinen
praktikablen Sinn. Anders steht es erst, wenn Gott schon
gehandelt hat. Solches Gehandelthaben Gottes kennen die
Evangelien aber nur im Blick auf Jesus selbst. Im Munde Jesu
würde es sich dann freilich um ein Selbstzeugnis Jesu handeln.
Jesus wollte in diesem Fall sagen: an mir wird Gott entscheidend
zeigen, was er mit euch vor hat. Das Gleichnis von der kostbaren
Perle (Mtl3,45f.) wäre also insofern ein prophetisches
Wort Jesu, als es auf die Zukunft der Tat Gottes an Jesus hinwiese
, und es wäre ein erfülltes Wort Jesu, sofern der Evangelist
sagen wollte, daß Gott an Jesus gehandelt hat (vgl. V. 44) und
daß deshalb alles an das Bekenntnis zu dieser Tat Gottes zu wagen
sei.

Es ist wahr, J ü 1 i c h e r, und wohl nicht nur er, würde dieses
Verständnis schon zur allegorischen Deutung rechnen, aber
trotzdem betonen, daß der Evangelist das alles eben nicht sage.
Wenn aber die Evangelien kerygmatisch entworfen sind, wie heute
doch wohl allgemein zugegeben wird, dann genügt schon die
kerygmatische Konzeption der Evangelisten, um das eben vorgetragene
Verständnis nahezulegen. Was nicht mit Sicherheit gesagt
werden könnte, wäre lediglich das Eine, ob Jesus tatsächlich
in solcher Weise von sich gesprochen hat. Die Echtheitsfrage
müßte also unentschieden bleiben. Man könnte nur versuchen,
ob nicht auch andere Gleichnisse konkreter werden, wenn man
sie kerygmatisch interpretiert. Und wir müßten dann mit dem
hartnäckigen Vorurteil brechen, Jesu Gleichnisse gälten in erster
Linie unserem Verhältnis zu Gott. Mir scheint aber, Jesu Gleichnisse
gelten in erster Linie unserer Beziehung zu Jesus selbst. Das
möchte ich nun an der Parabel von den Arbeitern im Weinberg
illustrieren.

3. G. Bornkamm hat sich in seiner Untersuchung über
den „Lohngedanken im Neuen Testament" mit der katholischen
Auslegung der Parabel Matth. 20, 1—15 bzw. 16, auseinandergesetzt
(Ev. Theol. 6, 1946, S. 156—164). Seiner Abweisung der
katholischen Vermischung des Lohngedankens mit dem Verdienstgedanken
habe ich nichts hinzuzufügen. Aber es fragt sich, ob sich
die Einheit der Parabel nicht auch gegen den Einwand verteidigen
läßt, daß ihr Gleichgewicht gewahrt werden müsse. Der szenische