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Ausgabe:

1954 Nr. 5

Spalte:

305-310

Autor/Hrsg.:

Wolff, Hans Walter

Titel/Untertitel:

Bericht über den Lehrkursus 1953 des deutschen evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des heiligen Landes 1954

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 5

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Ehen mit Blutsverwandten. Aber mit fortschreitender Entwicklung der
sozialen Verhältnisse ist aus den Regeln über das Zusammenleben der
Großfamilie (Schutz der Frauenehre und damit Sicherung des Friedens
in der Familie) ein Gesetz über verbotene Verwandtschaftsgrade für
den Geschlechtsverkehr oder genauer: die Ehe geworden; so ist die
Schwester der Mutter, die Tochter der Tochter, auch v 17 hereingekommen
.

Die neue nicht mehr primär soziologische, sondern tiefer ethische
Orientierung hat dann dazu geführt, daß Gruppe 1 durch Gruppe II
(v 17b—23) ergänzt wurde. Wieder — vielleicht bis auf v 21 — eine stilistisch
zusammengehörige Masse. Zwei Punkte sind herauszuheben.
Die Begründung der Verbote ist nicht mehr soziologisch-ethisch, sondern
religiös-theologisch: „das ist rp3T (17). TOJ>in, (22), b5n (23); das
bewirkt HN^U,Unfähigkeit zum Gottesdienst (19.20.23); das bedeutet
Entweihung des göttlichen Namens (21)." Der Unterschied in der Motivierung
hängt zusammen mit der Erweiterung des Themas: alle Unzuchtssünde
wird verboten. Nicht mehr wird die Großfamilie in ihrem
Zusammenleben vor sexuellen Übergriffen geschützt, sondern die Kultgemeinde
wird in ihrer Kultfähigkeit erhalten, ihr Heiligkeitscharakter
wird sichergestellt. Die Ergänzung von Gruppe I durch Gruppe II gehört
in den Zusammenhang der Kompilation des Heiligkeitsgesetzes.
In diesen Abschnitt des Wachstumsprozesses von c 18 gehört auch die
Überschrift v 6.

Aber während andere Teilsammlungen des H auf der damit erreichten
literarischen Stufe stehengeblieben sind, ist bei eis der Prozeß
noch weitergegangen: es ist ein Rahmen allgemeiner paränetischer Art
um das Gesetz herumgelegt, und zwar anscheinend ein doppelter Rahmen
: v 2b—4 und 24.30 einerseits, v5 und 25—29 andererseits. Teils
ist die Situation der Rede die vor der Landnahme (3b. 24b), teils die
nach ihr (25). Teils ist die Paränese kollektivierend, teils individualisierend
. V 3 redet von dem Verhalten des Landes Ägypten bzw. Kanaan
(„Land" = Volk), v 24 von den Völkern, denen das Kollektiv
Israel gegenübergestellt wird. V 5 dagegen redet von dem Einzelmenschen
, der durch sein Tun lebt, ebenso wie v 29 den einzelnen Seelen
im Gegenfalle die Ausrottung aus ihrem Volke androht, wo die
Konsequenz aus v 3 wäre, daß Israel als ganzes Volk ausgerottet wird.

Es kommen stilistische Unterschiede hinzu, etwa, daß das eine Mal
Menschen sich verunreinigen (ni.: 24), das andere Mal das
Land unrein wird (It.: 25.27b), wobei anders als in v 3 der Begriff
„Land" merkwürdig mythologisch gefärbt erscheint („das Land
speit aus") usw. Wahrscheinlich ist die historisierende, kollektivierende
Schicht (v 2—4 und 24. 30) die jüngere und hängt mit der Einfügung
des H in P bzw. in den Pentateuch zusammen, während die Schicht v 5
und 2 5—29 den älteren Rahmen darstellt und der Redaktion nähersteht,
von der der Anhang v 17b—23 stammt, und möglicherweise mit ihr
identisch ist. Ist die Scheidung der beiden Rahmen richtig, so geraten
die Formeln mm TN und BDTibN mm TN je auf verschiedene Seiten
. Sollte das Zufall sein oder nur ein äußerer, stilistischer Unterschied
bestehen? Zimmerli (Altfestschrift 1953) will keinerlei Unterschied im
theologischen Gehalt zugeben und erklärt das aus dem einheitlichen
Sitz im Leben: BDTlbN mm TN ist nur eine Explikation der Grundformel
mm TN, die sadilich nichts Neues hinzubringt. Aber bringen
wirklich überall im Alten Testament die beiden Formeln den gleichen
theologischen Inhalt zum Ausdruck? Hier in Lev 18 erscheint die Langformel
in einem Geschichtszusammenhang: „euer Gott" d. h. der in
Taten der Geschichte (Ausführung, Landgabe) sich euch Schenkende, dem
ihr deshalb zu Dank im Gehorsam gegen seinen Willen verpflichtet
seid. Anders klingt die Kurzformel. V 6 dient sie der Bekräftigung de«
Verbots, sich mit seinem eigenen Fleisch und Blut einzulassen, v21
schließt sie das Verbot des Molechkultes ab, der Entweihung des göttlichen
Namens bedeutet. Ähnlich heißt es v5: Haltet die Gebote; wer
sie tut, lebt; ich bin Jahwe! „Ich bin Jahwe" d.h. der Heilige, Fordernde
, der Gehorsam mit Leben belohnt (5), Ungehorsam mit Ausrottung
bestraft (29). Heilsgeschichtstheologie steht neben Heiligkeitstheologie
, die Formel der schenkenden Heilstat der des fordernden
Heiligkeitswillens gegenüber. Vielleicht nur eine Akzentverschiebung,
aber anscheinend doch keine völlige Identität! Und ob dann nicht vielleicht
doch auch ein verschiedener Sitz im Leben anzunehmen ist?
„Ich bin Jahwe" mit Zimmerli eine Gesetzverkündigungsformel und
„Ich bin Jahwe, euer Gott" eine Zusageformel, die in einem anderen
Teil des Kultus ihre Heimat hat?

Nehemia 10

Von A. J e p s e n, Greifswald
(Resume)

Das Problem der zeitlichen Reihenfolge Esra-Nehemia scheint auf j Namen von Einzelpersonen, d. h. dann wohl von Geschlechtshäuptern

zu fassen sind. Ist die Urform annähernd richtig hergestellt, bleibt die
Frage der zeitlichen Ansetzung zu beantworten. Ein Vergleich mit Nehemia
3 führt zur Annahme, daß Nehemia 10 älter als Nehemia 3 sein
muß. Dann aber muß die Frage gestellt werden, ob nicht doch die Liste
Nehemia 10 mit dem Dokument desselben Kapitels zusammen in die
Zeit vor Nehemia zu setzen ist. Das aber wäre wohl nur verständlich
zu machen, wenn die Tätigkeit Esras in die Zeit vor Nehemia gehört.
(Erscheint in ZAW)

Grund der bisherigen Argumente nicht geklärt werden zu können; denn
auch die Vertreter der Priorität Nehemias sind sich nicht darüber einig,
welche Gründe nun wirklich für ihre These sprechen. Es müßten also
Quellenaussagen gefunden werden, die unabhängig von den bisher ins
Feld geführten Überlegungen auf die Priorität Esras oder Nehemias
schließen ließen. Eine solche Quelle könnte vielleicht die Liste Nehemia
10 sein. Ihre bisherige Analyse scheint nicht ausreichend. Es muß
geklärt werden, welches die ursprüngliche Gestalt der Liste ist, vor allem
wie weit die Namen der Liste als Gcschlechternamen, wie weit als

Anmerkungen zu 1. Sam. 8 v 16 und 16 v 20

Von Hans Joachim S t o e b e, Bethel
(Resume)

Das Referat sucht aus sprachlichen wie inhaltlichen Erwägungen
nachzuweisen, daß sowohl 1. Sam. 8 v 16 wie 16 v 20 der von M überlieferte
Text gegenüber allen Konjekturversuchen beizubehalten ist.

und macht auf exegetische Konsequenzen aufmerksam, die sich daraus
ergeben.

(Erscheint in Vetus Testamentum)

Bericht über den Lehrkursus 1953 des deutschen evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft

des heiligen Landes

Von H. W. W o 1 f f, Wuppertal

Im Jahre 193 5 hatte das Institut zum letzten Male vor dem Kriege
Mitarbeiter nach Jerusalem entsenden können. Lehrkurse größeren
Stils waren schon einige Jahre vorher nicht mehr zustande gekommen.
Albrccht Alt hat über die Unternehmungen und Einschränkungen der
{nstitutsarbeit in jener Zeit laufend im Palästinajahrbuch berichtet. Schon
•ange vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges ging also ein zweiter Abschnitt
deutscher evangelischer Forschungsarbeit in Palästina zu Ende,
der durch den Namen Albrecht Alts als ihrem Leiter gekennzeichnet
War. Der erste im Jahre 1900 begonnene Arbeitsabschnitt unter Gustaf
Dalman war mit dem ersten Weltkrieg abgebrochen worden. 1952 über-
"ahm nun Kurt Galling den Auftrag, die Möglichkeit einer Wiederaufnahme
der Tätigkeit im Lande selbst zu prüfen. Zwar gelang es ihm
«mals nicht, über Beirut und Damaskus hinaus zum Sitz des Instituts
m Jerusalem vorzustoßen, da das jordanische Visum zu spät einging.
nbcr die finanziellen und technischen Voraussetzungen konnten doch

in einem solchen Maße geklärt werden, daß der Verwaltungsrat im Januar
1953 wagte, für August bis Oktober 1953 einen Lehrkursus vorzubereiten
. K. Galling wurde als Leiter berufen, A. Kuschke und ich
als einzuführende Mitarbeiter. Die Gelder der Kirchen gingen ebenso
wie die syrischen, libanesischen und jordanischen Visa ein, wenn auch
die jordanischen erst nach bangem Warten in den letzten Tagen vor
der geplanten Abreise. Es war eine helle Freude, daß wir am 8. August
an Bord der „Enotria" tatsächlich Genua verlassen und nach kurzen
Zwischenlandungen in Neapel und Alexandrien am Mittag des 13. August
die Höhen des Libanon erspähen und in Beirut den Boden biblischer
Geschichte betreten konnten.

Drei Aufgaben lagen vor uns. Erstens: Impressionen zu gewinnen
von der Welt des Alten und Neuen Testaments; zweitens: die Verbindung
mit den verwandten Instituten und ihren gegenwärtigen archäologischen
Bemühungen im Lande neu zu knüpfen; drittens: einigen topo-