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Ausgabe:

1954

Spalte:

257-268

Autor/Hrsg.:

Siegfried, Theodor

Titel/Untertitel:

Theologie und Religionswissenschaft 1954

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Cijeologtfdtie itteraturjettung

H&onatefdjuft für Das gefamte (Bebtet der C^eologte unü töeUgion;5ä)tffenfdf)aft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. KURT ALAND, HALL Es BERLIN

N U M 31 ER 5 79. JAHROANO MAI 1954

Spalte

Theologie und Religionswissenschaft.

Von Th. Siegfried.........257

Über die Grundlagen religionswissenschaftlicher
Hermeneutik.

Von Werner Schultz........267

Das Evangelium in der Begegnung mit
dem Mythus in Indien.

Von Heinrich Meyer........273

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn im
Lotos-Sütra und im Lukasevangelium.

Von Gerhard Rosenkranz......281

PantOCrator. Von Hildebrecht H omnieI . 283

Partikularismus und Universalismus in
der israelitisch-jüdischen Religionsgeschichte
. Von Otto Eißfeldt.....283

Zur Theologie des Chronisten.

Von W. Rudolph.........285

Spalte

Die Kleinen Richter, von H. w. h e r t z b e r g 285
Prophetisches Erbe in den Sekten des

frühen Judentums. Von Otto Piöger . 291
Bemerkungen zu den beiden Texten aus

dem Bar Kochba-Aufstand.

Von Hans Bardtke.........295

Die Kupferrollen von Qumrän und ihr

Inhalt. Von Karl Georg Kuhn .... 303
LeviticUS 18. Von Karl Ell ig er .... 303
Nehemia 10. Von A. Jepsen.....305

Anmerkungen zu 1. Sam. 8 v 16 und 16

V 20. Von Hans Joachim Stoebe . ... 305

Bericht über den Lehrkursus 1953 des
deutschen evangelischen Instituts für
Altertumswissenschaft d. heilig. Landes.

Von H. W. Wolff.........305

Spalte

Beiträge z. Siedlungsgeschichte der Biqa'.

Von A. Kuschke..........309

Aland: Kirchengeschichte in Lebensbildern. I.
(M. Schmidt)............312

Faehn: Fire Norske Messeordninger fra Mid-
delalderen (Fendt)..........316

Fagerberg: Bekenntnis, Kirche und Amt in
der deutschen konfessionellen Theologie des
19. Jahrh. (M. Schmidt)........314

Irmscher s. Rehm...... . . . . 309

Locher: Die Theologie Huldrych Zwingiis im
Lichte seiner Christologie. I. (Schmidt-Clau-
sing)...............313

Rehm f: Die Pseudoklementinen. I., besorgt
v. J. Irmscher (Stauffer)........309

Wagner: Existenz, Analogie und Dialektik. I.
(Pannenberg)............3] 8

Beutlet £VjangeitfcI)er Cfjeoiogentag Berlüt 1954

RELIGIONSWISSENSCHAFTL1CHE SEKTION

(Leitung: E. F a s c h e r, Greifswald, und G. Rosenkranz, Tübingen)

Theologie und Religionswissenschaft

Von Th. Siegfried, Marburg/Lahn

Um die Jahrhundertwende haben zwei Fragen der Wissen-
schaftsgestaltung und der Universitätspolitik die theologische und
darüber hinaus die philosophische und geistige Welt Deutschlands
bewegt. Die eine Frage betraf die Rolle der Religionswissenschaft
in den evangelisch-theologischen Fakultäten, die andere
betraf im Zusammenhang mit der Errichtung einer Professur für
katholische Philosophie in Straßburg das Problem der Voraussetzungen
echter Wissenschaft.

1902 wandte sich Adolf v. Harnack gegen die Errichtung religionswissenschaftlicher
Lehrstühle an Theologischen Fakultäten,
Wie sie in anderen Ländern, in Holland, Schweden und England,
durchgeführt wurde. Aber nur ein Jahr danach hielt Ernst
Troeltsch in St. Louis seinen programmatischen Vortrag über Psychologie
und Erkenntnistheorie in der Religionswissenschaft. Dieser
Vortrag entwarf ein großzügiges religionswissenschaftliches
und religionsphilosophisches Programm, welches von Troeltsch
zugleich als eine Grundlage kritischer evangelischer Theologie gedacht
war. Im gleichen Jahr erschienen die noch heute überaus
bedeutsamen Vorlesungen von Reischle über Theologie und Religionsgeschichte
, in denen der Verfasser die religionsgeschichtüche
Arbeitsweise grundsätzlich anerkannte, aber über sie hinaus eine
besondere spezifisch theologische Betrachtungsweise forderte.

Die Situation hat sich seit jener Zeit wesentlich gewandelt.
Harnacks Blick war seinerzeit wesentlich auf die hellenistisch
orientalische Welt gerichtet, welcher der Alttestamentler und der
^eutestamentler auf alle Fälle ihr Augenmerk zuwenden mußten,
für die großen Religionen des Ostens lag weder ein zuverlässiges
Quellenmaterial bereit, noch hatte die lebendige und entscheidende
Auseinandersetzung mit ihnen überhaupt begonnen. Heute
s'nd sie jedenfalls eines der Zentralgebiete der Religionswissenschaft
. Und es ist allgemein anerkannt, daß um der Mission willen
diese Gebiete eindringlich bearbeitet werden müssen. Religionswissenschaftliche
Lehrstühle und Lehraufträge sind errichtet.
Aber die Frage, welche Reischle und Troeltsch stellten, wie der

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Ü.B.TÜB,

Theologe als Theologe religionswissenschaftliche Arbeit treiben
soll, ist erst recht eine offene Frage.

Hier greift das zweite Problem ein, das seither ebenfalls
weit über den Ansatzpunkt hinaus wissenschaftstheoretisch und
psychologisch eine große Vertiefung erfahren hat. Gegen die Errichtung
der Straßburger katholischen Philosophie-Professur
hatten sich Theodor Mommsen und Franz Brentano mit der Forderung
voraussetzungsloser Wissenschaft gewandt. Gemeint war,
daß über das Ergebnis der wissenschaftlichen Forschung nicht zuvor
aus wissenschaftsfremden Gesichtspunkten entschieden sein
dürfe. Im Fortgang der Auseinandersetzung, an welcher u. a.
Troeltsch und Volkelt, Spranger und Heinrich Maier besonders
beteiligt waren, wurden die atheoretischen, seelischen, geistesgeschichtlichen
und Wert-Voraussetzungen herausgearbeitet, auf
denen auch die wissenschaftliche Arbeit aufruht. Mit Recht wurde
einerseits eine kritische Ergründung eben dieser Voraussetzungen
gefordert und andererseits verlangt, daß jedenfalls die Ergebnisse
objektiv kontrollierbar sein müßten. Beide Forderungen bestehen
zu Recht. Nimmt man sie zusammen, so erhebt sich die entscheidende
Frage, wie persönliche Beteiligung und objektive Sachlichkeit
zusammen bestehen können. Eben dieses Problem soll
hier erörtert werden, indem wir fragen, wie der Theologe als
Theologe Religionswissenschaft zu treiben hat.

Das Verhältnis von Theologie und Religionswissenschaft
soll hier also nicht im Blick auf ein universales System der Wissenschaften
behandelt werden, sondern im Blick auf das erkennende
Subjekt und seine innere Einheit, denn so wichtig um der
Sauberkeit der Methoden und der Ergebnisse willen die Unterscheidung
der verschiedenen Wissenschaftssphären ist, so sehr muß
doch auf der anderen Seite die Einheit des erkennenden Menschen
gewahrt werden. Denn in aller Vielfalt der Erkenntnisrichtungen
ist es doch schließlich der Mensch, in welchem diese Richtungen
zusammenstimmen oder in welchem als Menschen, wenn
sie nicht zusammenstimmen, eine Entzweiung entsteht.

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