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Ausgabe:

1954 Nr. 4

Spalte:

235-237

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Survey of African marriage and family life 1954

Rezensent:

Rosenkranz, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 4

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Kirche ist, wenn sie es als hoffende ist. Schon für das AT
gilt, wenn auch in anderer Weise als für das NT, daß im Zeugnis
von Gottes geschichtlichem Walten, das wir Offenbarung
nennen, sich das Zusammenfallen von Vergangenheit
und Zukunft gegenwärtig ereignet.

Wir haben ein Kapitel D o g m a t i k abgehandelt. Wir
versuchten es auf einem Wege, auf dem wir uns bemühten, von
unseren historisch-theologischen Schwester-
Disziplinen zu lernen. Die systematische Theologie weiß
im Grunde nicht „mehr" als sie, und sie darf auch nicht „mehr"
wissen wollen! Sie muß es nur anders wissen und demgemäß

anders sagen als jene. Gerade so aber weiß sie sich ihnen verbunden
, weil sie der Arbeit jener ihre eigenen tragenden Gründe
verdankt.

Für unsere Wissenschaft in jeder Form aber, wie immer sie
auch methodisch getrieben wird, gilt um des ihr eigentümlichen
Gegenstandes willen, in zurückverwandelter Form, das Wort, das
Karl Jaspers von der Philosophie sagt"2 und das doch, ohne es
ihr rauben zu wollen, für uns selbst einen weit ursprünglicheren
Klang besitzt: „Von Anfang an ist in der Theologie etwas Un-
überholbares".

112) Der philosophische Glaube, 129.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Philipps, Arthur: Survey of African Marriage and Family Life ed.

Publ. for the International African Institute. London: Oxford Uni-
versity Press 1953. XLVI, 462 S., 1 Kt. 4°. Lw. s 45 —

Der Vorschlag, die afrikanischen Heiratsbräuche eingehend
zu untersuchen, wurde im Jahre 1938 von den afrikanischen
Teilnehmern der Weltmissionskonferenz in Tambaran gemacht.
Erst 1948 war es, nach zweijähriger Vorarbeit, möglich, ihn auszuführen
. Damals bildete sich ein Komitee aus Vertretern des
International African Institute, des Internationalen Missionsrates
, des Colonial Social Science Research Council, der Conference
des Missions Catholiques en Afrique, der Association of
Social Anthropology und des Royal Anthropological Institute,
das sich durch Hinzunahme von Fachleuten und an der Untersuchung
interessierter Personen erweiterte. Von ihm wurde im
gleichen Jahr Dr. Lucy Mair (Lektorin für Kolonialverwaltung
an der Universität London) mit dem soziologischen, Mr. Arthur
Phillips (juristischer Lektor, insbesondere für Verwaltungsrecht in
den Kolonien, an der Universität London) mit dem juristischen
und Rev. Lyndon Harres (Dozent der School of Oriental and
African Studies an der Universität London, von 1935—45 Missionar
der Universitätenmission in Innerafrika) mit dem missionstheologischen
Teil der Untersuchungen betraut. A. Phillips leitete
diese Gruppe, die u. a. mit der Befragung von 95 afrikanischen
Stämmen, der Fühlungnahme mit Regierungs- und Missionsorganisationen
in Afrika sowie mit den Kolonialbehörden in
Europa und mit dem Studium aller einschlägigen, auch nichtver-
öffentlichter Literatur und jüngster Forschungen ein gewaltiges
Maß an Arbeit geleistet hat. Ihm oblag es audi, seine und seiner
Mitarbeiter Forschungsergebnisse zu einem gemeinsamen Ganzen
zu ordnen, das sich in dem vorliegenden Buch darbietet. Daß
dem Unternehmen von vornherein bestimmte Grenzen gesetzt
waren, betont der Vorsitzende des Executive Committee for the
African Marriage Survey, E. J. Waddington, in seinem Vorwort,
und es ist wichtig, diesen Hinweis zu beachten: „Es war für die
Anfertigung des Überblickes nicht die Absicht der verantwortlichen
Körperschaften, Lösungen von Problemen anzuregen, die
sich für die afrikanische Ehe aus dem rapiden Wandel der Verhältnisse
heute ergeben. Das Ziel des Überblickes war ein Tatsachenbericht
über die gegenwärtige Situation auf dem Hintergrund
der sozialen Organisation und des Brauchtums der Eingeborenen
zu geben, die Wandlungen in der afrikanischen sozialen
Organisation, die ihre Ursache in der modernen Entwicklung
und Berührung mit der industrialisierten Gesellschaft des Westens
haben, aufzudecken und zu analysieren sowie über die verschiedenen
Wege zu berichten, auf denen Verwaltungen und Missionsgesellschaften
diese Probleme behandeln."

Das Buch besteht, entsprechend der Verteilung der Forschungsaufgaben
, aus einem soziologischen (Dr. Mair),. juristischen
(A. Phillips) und missionstheologischen (L. Harries) Teil,
dem jeweils ein eingehendes Inhaltsverzeichnis, eine umfangreiche
Bibliographie und ein Index beigegeben sind. Es hat den
Wert einer Materialsammlung allerersten Ranges, die die sozialen
Wandlungen Afrikas während der letzten Jahrzehnte in ihrer

äußeren und inneren Struktur sowie in ihrer Bedeutung nicht nur
für Afrika im Zentrum afrikanischen Lebens aufzeigt und somit
nicht nur für den Afrikaforscher und -missionar, auch nicht nur
für die Völkerkunde, Missions- und Religionswissenschaft, sondern
für die Geistes- und Naturwissenschaften in weitestem Umfang
Aufgaben und Anregungen enthält.

A. Phillips hat die Ergebnisse der Untersuchungen in einem
einführenden Aufsatz zusammengefaßt, aus dem das Wichtigste
in Kürze wiedergegeben sei:

1. Der Vergleich der afrikanischen Ehe mit den entsprechenden
Institutionen in anderen Teilen der Welt läßt erkennen,
daß sie durchaus mit Recht als „Ehe" zu bezeichnen ist.

2. Ihre besonderen Kennzeichen sind Duldung oder auch
Billigung der Polygamie, der in seiner Form variierende Brautpreis
, die Neigung zu erleichterter Ehescheidung, ihre Einordnung
in das Familienkollektiv, gesetzmäßige Unterordnung der Ehefrau
und ihre Aufgabe, die Nachkommenschaft zu sichern.

3. Symptome ihrer Wandlung sind die Erweichung ihres kollektiven
Aspektes, Vernachlässigung der alten heiligen Heiratsbräuche
, kaum aber Verzicht auf die Polygamie. Die Wandlungen
haben ihre Ursache vor allem in der Einführung des Geldes, moderner
Verkehrsmittel und der Arbeitsmöglichkeiten außerhalb
des Stammes.

4. Die Kolonialregierungen sind im allgemeinen nicht zur
Reform der Ehe und des Familienlebens des Afrikaners geneigt,
u. zw. „nicht aus bloßer Trägheit oder Scheu vor Verantwortung,
sondern aus bewußter Politik der Nichteinmischung." Welche Folgen
die schon mancherorts geschehene Übertragung der Verwaltung
an die Afrikaner in dieser Beziehung haben wird, ist noch
nicht zu übersehen.

5. Die christliche Mission steht (mit unbedeutenden Ausnahmen
) der Polygamie seit jeher schroff ablehnend gegenüber,
auch wenn sie früher gelegentlich denen Zugeständnisse gemacht
hat, die vor ihrer Taufe polygam lebten. Polygamie Getaufter
verfällt der Kirchenzucht. Der Brautpreis wird heute von der
Mission zurückhaltender beurteilt als früher.

6. Zivilheirat nach europäischem Vorbild, also mit Einschluß
der Forderung der Monogamie, wird heute von der evangelischen,
mit Ausnahme der anglikanischen Mission im Gegensatz zur katholischen
Mission als „Grundlage christlicher Ehe" anerkannt.

7. Der nach afrikanischem Brauch geschlossenen Ehe erkennt
die christliche Mission zu, daß sie durch die Taufe der beiden

j Ehepartner zur christlichen Ehe wird. Dagegen erscheint „der
weithin vertretene Standpunkt, eine christliche Ehe könne auf
der Grundlage einer nach afrikanischem Brauch geschlossenen Ehe
aufgebaut werden und diese vollenden, angesichts der grundsätzlichen
Unvereinbarkeit der beiden Auffassungen unhaltbar."

8. Der fast überall gegebenen gesetzlichen Möglichkeit der
Zivilheirat nach europäischem Vorbild steht der Afrikaner im
allgemeinen ablehnend gegenüber, weil er, vor allem auch der
so zahlreich in Afrika vertretene Namenschrist, nicht bereit ist,
die in ihr liegenden christlichen Verpflichtungen zu erfüllen, und
weil er in ihr eine ausländische, dem Geist und der Überlieferung
seiner Gesellschaftsordnung widersprechende Einrichtung
erblickt.