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Ausgabe:

1954

Spalte:

185

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Koch, Hans-Gerhard

Titel/Untertitel:

Die Kulturkritik der liberalen Theologie 1954

Rezensent:

Koch, Hans-Gerhard

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185

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standpunktfrei bzw. wertend — objektiv auf die Gegenüberstellung von
..Frage" — „Antwort" (welche als „Längsspaltung" des Urteils eine
mögliche Ausdrucksform für die Erhebung des Satzes an sich zum gedachten
Satz darstellt) zurückgeführt und damit reguliert werden kann.

Koch, Hans-Gerhard: Die Kulturkritik der liberalen Theologie. Diss.
Phil. Halle (Saale) 1951, VI, 108 S.

Den Ausgangspunkt der Arbeit bildete die theologische Umstrittenheit
der liberalen Theologie in ihrem Verhältnis zur Kultur und
zur Kulturkritik. Vf. sah damals (1939) seine Aufgabe in der möglichst
unvoreingenommenen brmittlung des Tatbestandes in den fragen: Hat
die liberale Theologie neben ihrer „Kultursynthese" (tlert) auch Kulturkritik
geübt? Ist innerhalb der liberalen Theologie eine kulturkri-
tische Strömung festzustellen? Welcher Art und Stärke war sie? Zur
Beantwortung dieser Fragen wurde das Schrifttum folgender liberaler
Theologen gesichtet: Bluntschli. Rothe, Schenkel; Schnaase, von Schweitzer
, Hamburger, Lübker, Conrady; Kritzler, Delff, Niemann, Kradolfer,
H. Lang, Tölle; Ritsehl, Herrniann, Kattan; Rade, Baumgarten; fc. W.
Mayer, Bonus, Bousset, Kirmss, Wobbermin, Wcndland; Titius, Leese,
Schubring, Rabes; Albert Schweitzer. Auf Grund der Erhebung des kulturkritischen
Stoffes im Schrifttum der genannten liberalen Theologen
wurde eine geschichtliche Entfaltung, eine grundsätzliche Erfassung und
eine kritische Beurteilung der Kulturkritik der liberalen Theologie versucht
:

1. Die liberale Theologie ist mit großem Ernst auf das Problem
der Kultur eingegangen, hat ihren Hauptnachdruck aber auf ein „synthetisches
" Verhältnis zur Kultur gelegt und unter diesem Vorzeichen
grundsätzlich(e) Kulturkritik geübt, so daß eine vereinfachende Gleichsetzung
von liberaler Theologie mit Kulturoptimismus nicht angängig
ist.

2. Die Aufgabe, die kulturkritische Linie in der liberalen Theologie
herauszuarbeiten, bedurfte aber zu ihrer gerechten Beurteilung noch des
Abwägens der kulturoptimistischen und der kulturkritischen Tendenz
innerhalb der liberalen Theologie. Ergebnis: Jene mußte als beherrschend
und diese konnte nur als begleitend anerkannt werden.

3. Die nun freilich nicht mehr empirisch, sondern axiomatisch bedingte
zusammenfassende Beurteilung beider nicht zu leugnenden Tendenzen
innerhalb der liberalen Theologie hat dem Vf. die Anerkennung
der liberalen Kulturkritik unmöglich gemacht, weil die liberale
Theologie auf Grund ihrer kulturoptimistischen Haupttendenz und
ihrer kulturkritischcn Nebentendenz — ist eine theologische Grundausrichtung
grundsätzlidi kulturkritisch, dann ist sie nicht mehr liberal —
die Anforderungen nicht erfüllt hat, die an theologische Kulturkritik
grundsätzlich gestellt werden müssen und die kurz angedeutet worden
sind.

4. Von daher lautet das Schlußwort, das vor 12 Jahren geschrieben
wurde und selbst einer Neubesinnung bedarf: „Weil die liberale Theologie
die an theologische Kulturkritik zu stellenden Anforderungen
nicht erfüllt hat, ist ihre Gegenwartsbedeutung gering. Aber dies ist
sie noch aus dem Grunde, weil die Voraussetzungen, auf denen die
liberale Kulturauffassung und damit auch die liberale Kulturkritik beruhen
, heute nicht mehr gegeben sind. In einem langwierigen Prozeß,
an dem Kräfte von Theologie und Philosophie, von Geistes- und Kulturgeschichte
mitgewirkt haben, ist das Zeitalter liberaler Kulturauffassung
und die Incinsschau von Christentum und Kultur zerbrochen.
Auch die Auseinandersetzung von Christentum und Kultur, die durch
die dialektische Theologie erfolgte, ist bereits wieder der Einsicht in
die Notwendigkeit einer höheren Verbindung zwischen beiden gewichen,
die zugleich den Fehler der Synthese oder der Diastasc vermeidet und
der Kultur gibt, was der Kultur gehört, und dem Christentum, was
dem Christentum gehört. Die Frage theologischer Kulturkritik ist von
der liberalen Theologie mit großer Eindringlichkeit gestellt, aber von
ihr nicht ausreichend beantwortet worden. So überkommt uns von daher
eine ungelöste Aufgabe, deren Lösung unter Berücksichtigung der Neubewertung
der Kultur in der heutigen Zeit und unter Vermeidung der
Fehler der liberalen Kulturkritik erfolgen muß."

Matthacs, Ruth: Untersuchungen zum Symbolbegriff und zur Symbolik
der ev. luth. Kirche. Diss. TH Dresden 1952.

Die Diss. hat es sich zur Aufgabe gestellt, angesichts der erhöhten
Bedeutung, die die Symbolik in der kirchlichen Kunst der Gegenwart
wieder gewinnt, über den Symbolbegriff zu handeln und die Symbol-
darstcllungcn der cv. luth. Kirche im 16.—18. Jahrhundert zu untersuchen
, derjenigen Epodic, in der sich eine kraftvolle evangelische
Symbolik entfaltete.

Die Verf. gibt einen Überblick über die vielfältigen Bestimmungen
oder Umschreibungen des Symbolbegriffes, die in den letzten Jahrzehnten
ihren Niederschlag in der religionswissenschaftlichen, philosophischen
, volkskundlichen, sprach- und kunstwissenschaftlichen Literatur
gefunden haben; sie beschränkt sich dabei auf das religiöse und kultische
Symbol, das in sakralen Bildwerken seine künstlerische Prägung fand.
Sie erweist, daß — im Gegensatz zum 19. Jahrhundert — heute die
Vertreter der verschiedensten Fachdisziplinen und Konfessionen darin
übereinstimmen, daß sie den Wert, ja die Notwendigkeit des Symbols
neu sehen und seinen tieferen Realitätsbezügen nachgehen. So vor allem
Paul Tillich, der in seiner „Partizipationstheorie" (1948 in einem Marburger
Vortrage entwickelt) im Symbol weder eine bloße Imagination,
noch die jenseitige Wirklichkeit selber sieht, sondern ein Hinweisendes,
das aber Anteil hat an der Realität dessen, worauf es weist und das es
hier, im Hiesigen, vertritt. Es entfaltet die Wahrheit für uns unter den
Bedingungen der Endlichkeit. So Friedrich Heiler, der die Symbole als
Transparente einer höheren Wirklichkeit faßt, die in ihrer geistig-sinnlichen
Doppelheit wie der menschlichen Natur so auch dem Geheimnis
der Gott-Menschheit Christi entsprechen. So auch Ildefons Herwegen,
der im Symbol die Vergegenwärtigung des Göttlichen im Irdisch-Natürlichen
sieht; so schließlich, in der Sprache des Philosophen, Karl Jaspers,
dem die Wirklichkeit die Gestalt der Symbole anzunehmen vermag, die
dann Träger unendlicher Bedeutung werden können, uns erfüllend, uns
hinreißend, uns prägend. Verf. zeigt auf, wie der Kulturphilosoph
(Leopold Ziegler) in den Symbolen die urtümlichen Bilder sieht, aus
denen sich der Mythus entfaltet, wie der Volkskundler (Friedrich
Pfister) in Brauch und Zeichen die transzendente Wesenheit sucht, deren
Sinn das Sinn-Bild verkörpert, wie dem Sprachwissenschaftler (Hermann
Pongs) der Sinn wie ein Blitz durch das Bild bricht, die Enthüllung
des Gesetzes, mit dem sich das Göttliche verrät, und wie schließlich
die Kunstwissenschaft, den Zeichensymbolen in besonderem Maße zugewandt
, in vielfachen Umschreibungen und Definitionen des Symbols
sich gegenwärtig immer mehr dessen Realitätscharakter zuwendet, so
zuletzt bei Eberhard Hempel, der in ihm ein Abbild und Gleichnis des
Göttlichen in der Sphäre des Menschlichen sieht, und der das Zeichensymbol
hierin mit der Liturgie vergleicht. Die Verf. gibt zum Abschluß
dieses Teiles der Arbeit eine Definition, die den Begriff und seinen
Sinngehalt für die ev. luth. Kirche und ihre Bildsymbolik so zu erfassen
sucht: „Das Symbol ist ein Zeichen, das — in der Immanenz
geboren und in ihr wirksam, aber aus der Transzendenz gezeugt und
auf sie weisend — eine jenseitige Realität oder Glaubenswahrheit repräsentiert
, indem es sie anschaulich vergegenwärtigt."

Im 2. Teil behandelt Verf. als Beispiel einer lebendigen, sowohl
theologisch gegründeten als auch volkstümlichen evangelischen Symbolik
die Passionssymbolik der lutherischen Kirche im 16.—18. Jahrhundert,
wie sie sich besonders im sächsischen Kernland der Reformation in so
vielen kirchlichen Kunstdenkmälern manifestierte. Dem steht voran
eine Erörterung der Stellung Luthers zu Bild und Zeichen und ein Hinweis
auf seinen Einfluß auf die werdende evangelische Kirchenkunst.
Wenn auch am Anfang der reformatorische Protest gegen die kultischen
Übertreibungen des Spätmittelalters gestanden hatte und der Wille
zur größten Einfachheit, wie sie dem Evangelium gemäß ist, — ein
Beispiel dafür ist noch der Tischaltar der von Luther geweihten Tor-
gauer Schloßkapelle —, so hatte doch andrerseits Luther aus dem biblischen
Maßstab kein neues Gesetz hergeleitet, sondern auch das geschichtlich
Gewordene in innerer Freiheit aufgenommen. Ja, mit der
Zeit hatte sich immer stärker sein eigenes künstlerisches Empfinden
und sein Verlangen nach Anschaulichkeit durchgesetzt, und in seiner
Auseinandersetzung mit Karlstadt hatte er das natürliche menschliche
Bedürfnis nach Bildhaftigkeit aufs entschiedenste verteidigt und z. B.
Kruzifix und Bild „zum Ansehen, zum Zeugnis, zum Gedächtnis, zum
Zeichen" verlangt. Dies wurde von entscheidender Bedeutung für die
Entwicklung der reformatorischen Kirchenkunst. Nun blieben nicht nur
die Rctabclaltäre erhalten, sondern es entstand sogar eine Fülle neuer
Altaraufsätze mit spezifisch evangelischer Bildersprache, wobei auch
das Symbol bald eine hohe Bedeutung erhielt. Man strebte ja durch
das Zeitliche hindurch zum Ewigen, Zeitlosen und damit auch zum
Begrifflichen, und auch die im frühen Luthertum sehr starke Neigung,
das ganze Leben und besonders das Glaubensleben zu ordnen und allgemein
gültige Fassungen zu finden, wie sie sich auch in den Katechismen
aussprach, führte zur Ausbildung einer evangelischen Symbolik,
die sich zunächst an die mittelalterliche anschloß, aber — gemäß der
Konzentration des alten Luthertums auf die theologia crucis — sich
vorwiegend der Passion des Herrn zuwandte und die einen stärkeren
Willen zur Systematik und Lehrhaftigkeit erkennen läßt. Die Verf.
zeigt an Hand vorwiegend sächsischer Beispiele, wie sich jene Symbolik
entfaltet hat, wie aber das symbolisierende Element gegenüber dem
erzählenden durchaus das sekundäre bleibt: die Darstellungen der heiligen
Geschichte stehen im Mittelpunkt, die Symbole treten zumeist am
Rande, in dienender Funktion auf, ja, sie versinken zuweilen fast in der
Ornamentik. Trotz dieser bescheidenen Stellung aber haben sie hohe
Bedeutung, die sich aufs deutlichste in ihrer christozentrischen Bezogen-
heit ausspricht. Sie wiederholen und wandeln ab. was die erzählende