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Ausgabe:

1953 Nr. 3

Spalte:

176-178

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Eucharistiefeier am Sonntag 1953

Rezensent:

Söhngen, Oskar

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 3

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dabei geübten Wohltätigkeit — vorgeführt. Es sind das: a. die
Gemeindeagape, bei der sich sehr früh mit der Fürsorge für die
Armen das Opfer für die Besoldung des Klerus verband, b. die
Privatagape (mit Sonderformen wie Witwenagape) und c. die
Agape zum Gedächtnis der Toten und der Märtyrer. Die Wurzeln
für die Verbindung von Agape und Wohltätigkeit werden im Bereich
des AT gesucht. 2) Das Motiv der Festfreude wird
aus den israelitischen Jahresfesten abgeleitet. Im christlichen
Raum ist die Festfreude eschatologisch bedingt. Schon früh erliegt
sie jedoch weithin den beiden Gefahren, die bereits die jüdische
Festfreude bedroht hatten: der materialistischen und der zionistisch
-politischen Entartung. 3) Damit ist das eigentliche Thema
der Arbeit erreicht: Z e 1 o s und Agitition. Denn auf diesen dritten
Teil kommt es dem Verf., wenn ich ihn recht verstehe, ganz
entscheidend an. Er bezieht Ass. Mos. 7, 1—10 nicht (wie üblich)
auf die Pharisäer, sondern auf die Zeloten und findet hier eine
Verbindung von Schwelgerei und Zionismus, stellt daneben die
Nachrichten über Anarchismus, Intriguen und Weinmißbrauch in
den hellenistischen Korporationen und findet nun auf Schritt
und Tritt verwandte Auswüchse in der urchristlichen Briefliteratur
getadelt. In breiten Ausführungen werden 1. Kor. 11, 17—39,
die übrigen Paulusbriefe und die katholischen Briefe unter diesem
Gesichtspunkt analysiert; die Warnungen vor Schwelgerei,
Unordnung und Anarchie z. B. in den Lasterkatalogen werden
ihres traditionellen Charakters entkleidet und auf aktuelle Mißstände
bei den Agapen bezogen, und so ergibt sich eine neue Gesamtschau
der frühchristlichen Gemeindeverhältnisse: allenthalben
macht sich schon in paulinischer Zeit die Gefahr der Schwelgerei
, der gesellschaftsfeindlichen Agitation und der Anarchie —
teils in Verbindung mit eschatologischem Zionismus, teils mit
doketischem Gnostizismus — geltend. Jak. 2, 1 ff. wird z. B. ein
politischer Kandidat geschildert, der in der Versammlung der
Christen auftaucht, um diese durch das Angebot materieller Vorteile
dazu zu gewinnen, daß sie in corpore für ihn stimmen
(S. 343); Jud. 12 erleben wir, wie rücksichtslose aggressive Anarchisten
die Christen bei ihren Agapen in revolutionäre Stimmung
treiben und gegen den Staat aufwiegeln: „die Balak-Magnaten"
wollen „die Christen als politische Anhänger gewinnen", und sie
versuchen, „dieses Ziel durch Bileam-Agenten zu erreichen"
(S. 363).

Ohne Frage hat der Verf. das Augenmerk auf einen weithin vernachlässigten
Tatbestand gelenkt, wenn er uns z. B. die Auswüchse des
hellenistischen Korporationswesens schildert, und man wird in der Tat
fragen müssen, ob das, was im NT als „Irrlehre" bekämpft wird, nicht
hier und da konkreter gefaßt und mit sozialer, vereinzelt wohl auch mit
politischer Unruhe zusammengesehen werden muß. Aber — der Verf.
geht viel zu weit. Seine hypothesenfreudige Exegese ist es, die ständig
zum scharfen Widerspruch zwingt. So findet er Apg. 2,42.46 Mahlzeiten
im Tempel (! !) bezeugt (S. 27. 76). Hebr. 13, 10. 16 setzt einen
„wirklichen Altar" sowie Verteilung der „bei der Messe eingesammelten
Spenden" durch die Diakonen voraus, ebenso Jak. 2, 21 (S. 36. 38).
Jak. 2, 16 ist ein Protest dagegen, daß der nach der Messe gesprochene
eucharistische Friedensgruß „mechanisch aus rituellem Schlendrian hergesagt
" wird (S. 38). 1. Kor. 10, 27 handelt es sich um „Speisungen für
die armen Leute" (S. 73). Das beim Passa mit Bitterkräutern gegessene
Fruchtmus entspricht der sog. Panspermie (einem oft bei griechischen
Totenmählern gereichten Gemisch von Gemüsen und Früchten); auch
sonst finden sich Zusammenhänge zwischen Fruchtbarkeit und Tod, weil
die Toten wie die Pflanzen dithonisch sind, also haben wir „halbbewußte
Todesvorstellungen beim jüdischen Passa", die es verständlich
machen helfen, wie Jesu Deuteworte das Motiv seines Todes in den
Mittelpunkt des Abendmahles stellen konnten (S. 109 f. 145). Luk. 12,
41 ist mit dem Worte „uns" vielleicht geradezu die Petruspartei gemeint
; jedenfalls ist aus der Stelle „wohl" zu folgern, daß gewisse
Kreise um Petrus der Aussdiweifung und dem Machtmißbrauch anheimfielen
und daß dessen „Primatstellung dadurch leidit hätte gefährdet
sein können" (S. 237). In Thessalonich wollen Vertreter des
Jerusalemer Judenchristentums, die „die Eschatologie in zionistischer
Begeisterung materialisieren" (S. 247), „durch irdisches Nachahmen der
versprochenen Heilsgüter" das Eintreffen der Parusie beschleunigen
(S. 242). Ebenso ist von Gal. 5, 2lb aus auf „wirkliche Bestrebungen"
zu schließen, durch die in V. 18 ff. geschilderten Laster „das Gottesreich
herbeizuführen" (S. 249). Das stßola/ißdvet (1. Kor. 11, 21) ist
vielleicht daraus zu erklären, daß judaistische Gemeindeglieder die Vorschrift
, das Passa in Eile zu essen (Ex. 12, 11), befolgten (S. 269).
Mi] voocptCofiivovs (Tit. 2, 10) bezieht sich auf Diebstähle, zu denen
die Sklaven von den judaistischen Irrlchrem verleitet wurden, um das

zu den ausschweifenden Mahlzeiten Nötige herbeizusdiaffen (S. 306);
entsprechend sind auch die Eph. 4, 28 erwähnten Diebstähle zu verstehen
(S. 315). Mit id owfia Jak. 3, 6 ist die Gemeinde gemeint (S. 345),
iy&nt]<m> 2. Petr. 2, 15 weist auf die mißbrauchten „Agapen" hin
usw. usw. So geht es doch wohl nicht!

Güttingen Joachim Jeremias

Wagner, Johannes, u. Damasus Zähringer: Eucharistiefeier am
Sonntag. Reden und Verhandlungen des Ersten Deutschen Liturgischen
Kongresses. Im Auftrag des Liturg. Instituts hrsg. Trier: Paulinus-
Verlag 1951. 231 S. gr. 8°. kart. DM 6. 50.

Die überraschende Begrenzung der Thematik des Ersten
Deutschen Liturgischen Kongresses auf die Eucharistiefeier a m
Sonntag findet in einer These des Münsterer Theologen
H. Volk („Theologische Besinnung über die Feier der Sonntagsmesse
") ihre Erklärung: „Die heilige Messe ist der Gottesdienst
der Kirche, die sonntägliche Messe die Kultfeier der christlichen
Gemeinde" (S. 40). Es ging also nicht so sehr um den
Fragenkreis der Messe selbst, als um das Problem der Beteiligung
und Mitwirkung der Gemeinde an der Messe. 700 Priester aus
allen Bistümern Deutschlands nahmen an dem Kongreß teil, der
vom 20. bis 22. Juni 1950 in Frankfurt am Main stattfand. Der
Auseinandersetzung mit der im Jahre 1947 erschienenen Enzyklika
„Mediator Dei" diente ein Vortrag des Mainzer Bischofs
Dr. Albert S t o h r, der mit dem Passauer Bischof Landersdorfer
zusammen das Liturgische Referat bei der Fuldaer Bischofskonferenz
vertritt. Das war für einen Mann, dessen Herz der liturgischen
Erneuerung gehört, keine einfache Aufgabe. Man erfährt
aus dem Vortrag, daß — von wem, wird leider verschwiegen —
im Jahre 1943 ein Dokument zusammengestellt und in Rom eingereicht
worden war, das in 17 Punkten ernste Besorgnisse über
das innerkirchliche Leben in Deutschland entwickelte, und daß
viele dieser Punkte mehr oder weniger deutlich als Anklagen
gegen die liturgische Bewegung gekennzeichnet waren. Die Enzyklika
geht, ohne darauf ausdrücklich Bezug zu nehmen, auf die
Gravamina dieses Dokumentes ein; es sind, wie Stohr es formuliert
, beunruhigende Punkte daraus in der Enzyklika erwähnt:
„Aber der darin enthaltene Tadel ist auf das gebührende Maß
zurückgeführt, und was gesund ist in der liturgischen Arbeit, so
rückhaltlos anerkannt, so tief auf die letzten Quellgründe zurückgeführt
, daß die Freunde der liturgischen Erneuerung es gar nicht
besser wünschen können" (S. 35)1. Freilich, wenn der klug abwägende
, gegenüber Einseitigkeiten zur Rechten und Linken immer
wieder auf die via media abzielende Charakter der Enzyklika
auch einer solchen Auslegung nicht gerade widerspricht, so
muß doch nicht nur die Beteuerung treuesten Gehorsams am Eingang
und am Schluß des Referates zu denken geben; nahezu
sämtliche folgenden Vorträge und die Entschließungen verschiedener
Arbeitsgemeinschaften lassen vielmehr keinen Zweifel darüber
zu, daß weite Kreise der liturgischen Erneuerungsbewegung
in Deutschland eine andere Schau hinsichtlich des Wesens der
Messe und der Beteiligung der Gemeinde vertreten, als sie in
der Enzyklika „Mediator Dei" Ausdruck gefunden hat. Die Enzyklika
lehnt offenbar die Caselsche Mysterientheologie ab (S. 31
Anm. 8); der Arbeitskreis „Liturgiegeschichte und Verkündigung
", der von dem Verständnis der Messe als Handlung Christi
ausging, an der die Kirche und in der Kirche die hier versammelte
Gemeinde teilnimmt, hält es aber für möglich, diese Handlung
sowohl durch Analyse des Opferbegriffes wie „auf den Wegen
der Mysterientheologie" zu erklären (S. 200). Die Enzyklika
betont nachdrücklich, daß zur Integrität des heiligen Opfers nur
die Kommunion des Priesters gehöre, so wünschenswert die Teilnahme
der Gläubigen auch sei: „Papst Pius wehrt in diesem
Zusammenhang verschiedene Stufen der Übertreibung der Volkskommunion
ab. Die höchste Stufe des Mißverständnisses wäre,
zu erklären, daß die Eucharistie in gleichem Maß Opfer und Mahl
brüderlicher Gemeinschaft sei, so daß die gemeinsam empfangene
Kommunion gleichsam den Höhepunkt der ganzen Feier dar-

') Vgl. dazu auch den Aufsatz von Jos. A. Jungmann S. J. „Die
Enzyklika Mediator Dei und die katholische Liturgisdic Bewegung im
deutschen Raum." Theol. Litcraturzeitung 1950. Sp. 9 ff.