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Ausgabe:

1953 Nr. 3

Spalte:

170-171

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Zöckler, Lillie

Titel/Untertitel:

Gott hört Gebet 1953

Rezensent:

Kammel, Richard

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Seite 1, Seite 2

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l69 Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 3 170

Position ist die herrschende Form; auch die Sprache ist als tradi- Spricht so überall erlebte Geschichte, so gibt die Geschichte
tionell kirchlich zu bezeichnen, jedoch ohne dabei an Frische und doch niemals die Substanz der Verkündigung ab, sondern die ist
Persönlicher Note einzubüßen. Die Leidenschaft missionarischen immer das eine Wort, in der neuen Situation jeweils neu be-
Werbens um den Menschen außerhalb der Kirche, die fast durch zeugt. Wie der Verfasser dabei jeweils den Mächtigen gegenüber
jede Predigt hindurchklingt, bewahrt den Prediger vor der Steri- dieses Wort unerschrocken verkündet und ihnen, seien es nun
Iltät theologischer Formeln und Formulierungen. „Wir wären be- die Machthaber des nationalsozialistischen Staates oder die Bemitleidenswert
, wenn wir nur ein religiöses Antiquariat zu ver- satzungsmächte seit 1945, rufend und warnend entgegentritt, ist
walten hätten", heißt es einmal in der Pfingstpredigt 1927 „Vom ja allgemein bekannt und wird beim Lesen der Predigten erneut

eindrücklich. Bei aller Festigkeit bleibt der Prediger jedoch vor

brennenden Herzen" (S. 56)

So könnte man an der vorliegenden Sammlung im Wesentlichen
ein biographisches Interesse haben. In diese Richtung
scheint zunächst auch der Titel zu weisen. Und ohne Frage
hat das seinen besonderen Reiz, an der vorliegenden Predigtauswahl
einen Zeitraum von über 60 Jahren in dem Leben und Wirken
eines Predigers an so hervorragender Stelle unserer Kirche
zu überblicken, vom Studium der Theologie in Tübingen an
(aus der Zeit der Arbeit der Inneren Mission in der Evangelischen
Gesellschaft in Stuttgart liegen keine Predigten vor) über das
Stadtpfarramt in Ravensburg, das Dekanat in Reutlingen bis hin
in die hohen leitenden Ämter des Prälaten und Landesbischofs.
Es ist ein weiter Bogen, der sich spannt von der noch etwas kan-
didatenhaft theoretischen Predigt des 21-Jährigen bis hin zu der
letzten hier vorliegenden, der Neujahrspredigt von 1950 mit ihrer
aus biblischer Nüchternheit und eigener Geschichtserfahrung
erwachsenen Besonnenheit und Alterswcisheit. Die Aufmerksamkeit
wird hier beim Lesen vielleicht stärker haften bleiben
hei dem, was unter diesem weiten Bogen konstant blieb als bei
dem, was sich entwickelte: dogmatische Festigkeit, gepaart mit
Weitherzigkeit, kirchliches Bewußtsein, nicht selten gerade auch
württembergisch-landeskirchlichcs Selbstbewußtsein und ökumenische
Sicht, Abgrenzung gegen die Irrlehre und missionarisches
Bemühen um die Andersdenkenden, immer wiederkehrend auch
die großen geschichtlichen Rück- und Überblicke mit ihrer aus
christlichem Glauben kommenden stark vereinfachten Schau der
geistesgeschichtlichen Linien (z. B. in der Predigt über Psalm
77. 6 ff. aus dem Jahre 1943: „Divinität, Humanität, Bestialität"
— ähnlich öfterf). Aus all diesen Zügen entsteht das Profil eines
evangelischen Theologen und Kirchenmannes, wie es uns aus
dem eindrucksvollen Kopf des Bildes auf dem Umschlag anschaut:
weit und tief blickend, ernst und gütig zugleich, prophetisch
unerbittlich und wahrhaft priesterlich bekümmert um die Seele
des Volkes und des Nächsten.

Doch scheint mir der Wert des Büchleins über dies Persönliche
und Biographische hinauszugehen. Der von diesen Predigten
umfaßte Zeitraum mit seinen Umwälzungen und Katastrophen
hat hier einen Niederschlag besonderer Art gefunden. Es
ist Weltgeschichte und insbesondere Kirchen g e-
schichte im theologisch existentiellen Zeugnis, was uns hier
anspricht. Kann es in der ersten dem 19. Jahrhundert angehörenden
Predigt noch heißen: „Freilich ist in unserer Zeit keine
Gefahr damit verbunden, Christ zu sein," (S. 12) so spricht die
Ansprache bei der feierlichen Verpflichtung zum Kirchenpräsidenten
schon 1929 von den der Kirche bevorstehenden Proben,
die sie nur bestehen könne, „wenn hinter der Rechtsgemeinschaft
der Kirche ... die Lebensgemeinschaft derer steht, die aus Dank
für dieselbe Gabe'sich verpflichtet fühlen zum selben Dienst."
Die Predigten nach 193 3 führen uns dann mitten hinein in den
Kirchenkampf, so etwa mit besonderer Offenheit und Tapferkeit
die Predigt zum Tag der Inneren Mission an Misericordias
Domini 1934: „Wer das Bischofskreuz trägt, darf auch das Kreuz
nicht scheuen, das aus der unverkürzten Verkündigung der Wahrheit
erwachsen kann", heißt es da (S. 79). Und in der schon erwähnten
Reutlingcr Predigt von 1943 ist ganz klar ausgesprochen
: „Vielleicht will der Herr seine Gemeinde wieder zurückführen
in die Stellung, die sie hatte im ersten Zeitalter, im
vorkonstantinischen Zeitabschnitt, wo die Gemeinde klar geschieden
war von der Welt." (S. 110.) - Es sind Stücke enthalten
, die geradezu als ein Beitrag zur Kirchengcschichtc der
Gegenwart oder jüngsten Vergangenheit angesehen werden können
, wie die Ansprache in Eisenach Juli 1948 mit ihrem Rückblick
auf die Einhcitsbestrcbungen der Evangelischen Kirche in sozialistischen Berlin, nach dem kurzfristigen Patmos Lissa-
Deutschland seit 1846. Wolfshagen und schließlich zu einem sorgenvollen, aber immer

einarucKiicn. oci auci i ------—

Rechthaberei, die sich mit dem Evangelium nicht verträgt, bewahrt
, vielmehr ist ein ständiges Bemühen zu spüren, „daß wir
bei allem tapferen Kampf für die rechte Lehre uns doch hüten
vor dem menschlichen Rechthaben-wollen, wir wollen durch den
Lobpreis der göttlichen Liebe ... uns dazu treiben lassen, daß
hinter allem strafenden Wort der Lockruf der Gnade erschalle."
(S, 87).

In diesem Zusammenhang sei die Frage gestreift, ob die Predigten
auch etwas spüren lassen von den Wandlungen in der Geschichte
der Theologie der letzten Jahrzehnte? Man wird sagen
können: In der rechten Einfalt des biblisch-reformatorischcn
Evangeliums ist sich der Verfasser in seiner langen Predigttätigkeit
von Anfang bis Ende treu geblieben. Als das gleichbleibende
Grundthema geht es durch die ganze Sammlung hindurch: Die
Kirche „muß sich solidarisch fühlen mit des Volkes Not und
Schuld und das Evangelium von der Rechtfertigung des Sünders
predigen." (S. 125, Rede auf der Kirchenkonferenz in Treysa
1945). Von „Wandlungen" kann hier keine Rede sein. Dennoch
ist der andere Ton herauszuhören, in dem etwa Karfreitag 1916,
also in einer allgemein „deutsch-christlich" gestimmten Kirche
gepredigt wurde, verglichen mit den durch Theologie und Kirchenkampf
uns geschenkten Erkenntnissen der letzten zwei Jahrzehnte
. Gegenüber Sätzen aus jener Predigt von 1916: „Heute
steht auch unsere Kirche unter dem Kreuz; nicht bloß deshalb,
weil wie immer ihre Glieder in Scharen kommen, um das Wort
vom Kreuz zu hören, sondern weil das ganze Volk unter dem
Kreuz steht", — gegenüber solchen uns heute doch etwas bedenklichen
Formulierungen werden im Laufe der Zeit die Konturen
schärfer, die Abgrenzungen deutlicher: „Immer geht es um die
Frage, ob der Mensch jenes Gebot hört und hält, das uns Luther
mit den Worten erklärt: Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten
, lieben und ihm vertrauen," heißt es in einer Kirchenkampf-
Predigt von 1934.

Anhangweise einige kleine Korrekturen: S. 37 fehlt über Zeile 12
von oben: II. — S. 57 muß heißen: 130. Psalm, statt U.Psalm. —
S. 163 Mitte: III statt II. — Inhaltsverzeichnis am Schluß: Himmel-
fahrtsfest 1945 war der 10., nicht der 18. Mai. — Schließlich ein Vorschlag
für eine Neuauflage: Gerade der in dieser Besprechung geschilderte
Charakter der Predigtsammlung läßt es empfehlenswert erscheinen
, Anlaß und Datum der einzelnen Predigt nicht nur in das Inhaltsverzeichnis
am Schluß, sondern unmittelbar über den Text zu setzen,
was in dieser Ausgabe nur bei der Rede in Treysa (S. 125) geschieht.

Hallt a. S. Hans J an icke

Zö ekler, Lillic: Gott hört Gebet. Das Leben Theodor Zöcklcrs.
Stuttgart: Quell-Verlag |195 1). 1 52 S. 8°. = Aus klaren Quellen
40. Bd. Hlw. DM 6. 80.

Theodor Zöckler, „der Bodelschwingh der Volksdeutschen
in der galizischen Diaspora", wie Bischof D. Dibelius ihn in
seinem warmen Geleitwort nennt, ist weit über die Grenzen
seines wachsenden Arbeitsgebietes bekannt geworden als verdienter
Vertreter des Gustav-Adolf-Werks, als verehrter Leiter seiner
galizischen Landeskirche, als angesehenes Mitglied des Rates
der evangelischen Kirchen in Polen, als hochgeschätzter Mitarbeiter
in den verschiedenen Kreisen der ökumenischen Arbeit.
All das leuchtet durch das anschauliche Bild seiner Lebensarbeit
hindurch, das seine Lebens- und Arbeitsgefährtin in liebevollem
Verständnis für Arbeit und Wesen ihres Mannes in diesem Budie
der Nachwelt zeichnet. Von Greifswald hinauf nach Stanislau in
eine schließlich weltweite Arbeit führt ihn sein Lebensweg und
von dort wieder hinab in die Niederungen des damals national-