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Ausgabe:

1953

Spalte:

163-164

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hinz, Paulus

Titel/Untertitel:

Der Naumburger Meister 1953

Rezensent:

Jursch, Hanna

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dann die Kaisermosaiken auf der Südempore und schließlich auch
die Apsis von der Übermalung befreien, die sie seit den Tagen
Fossatis und Salzenbergs bedeckte. Daß daneben auch die Durchsicht
der Quellen noch immer ihren Wert behält, zeigt die vorliegende
Untersuchung von A. Schneider über die Kuppelmosaiken
. Als einzige Teile der alten Ausstattung waren hier die
vier Flügelwesen in den Zwickeln immer sichtbar geblieben; nur
ihre Gesichter waren überklebt. In der Literatur galten sie bald
als Cherube, bald als Seraphe, eine Unsicherheit, die letztlich
in der Vermischung beider Typen in mittelalterlicher Ikonographie
ihren Grund hat. Durch den Hinweis auf zwei Stellen bei
Nicetas Choniates und Phrantzes resp. deren gemeinsame (wohl
liturgische) Quelle gelingt nun Sehn, der Nachweis, daß man
damals in ihnen eine Darstellung des Gotteswagens nach Ezechiel
sah. Das Mittelmedaillon, das sie trugen, enthielt den für diese
Stelle kanonischen Pantokrator. Zwar beschreibt ihn Du Cange
als Ganzfigur, die auf dem Regenbogen saß, doch kann Sehn,
aus den Maßen, die Nicephoros und Clavijo nennen, wahrscheinlich
machen, daß Du Cange hier einem Irrtum seiner Gewährsmänner
zum Opfer gefallen ist, daß es sich vielmehr um ein
Brustbild wie in Daphni handelte. Wir gewinnen hier eine der
großen Kompositionen der makedonischen Zeit wieder, denn es
ist mehr als wahrscheinlich, daß das 13 54 erneuerte Mittclbild
einem älteren Vorbild folgt. Entwicklungsgeschichtlich liegen
die Wurzeln dieser Komposition in justiniancischer Zeit. Man
erinnere sich an ähnliche Darstellungen in S. Vitale und in der
Erzbischöflichen Kapelle in Ravenna (hier mit mittlerem Kreuz);
auch die Decke der Zenokapelle bei S. Prassede dürfte ebenso wie
die Apsis auf Vorlagen des 6. Jh. zurückgehen. Ob hier allerdings
schon der Gedanke an die Vision Ezechiels eine Rolle
spielt, wie Landsbercer annehmen wollte, scheint mir doch fraglich
. Auf jeden Fall bietet die Kuppel der Sophienkirche einen
neuen Beleg dafür — auch die Buchmalerei weist in die gleiche
Richtung —, daß es zunächst die großen Vorlagen der justiniane-
ischen Zeit sind, an die man nach dem Bilderstreit anknüpft.

Frciburg Johannes Koll witz

Hinz, Paulus: Der Naumburger Meister. Ein protestantischer Mensch
des 13. Jahrhunderts. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1951]. 140S. m.
76 Abb. gr. 8°. Lw. DM 8.—

Das vorliegende Buch ist inzwischen schon anderweitig kritisiert
worden und hat zu neuer Durchdenkung der Probleme Anlaß
gegeben (vergl. Klaus Wessel: DLZ. 1952 Heft 2 Sp. 105-109
und Klaus Wessel: War der Naumburger Meister Waldenser?
Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald, Jahrgang
1, 1951/52, S. 1—9), hat also anregende Wirkung bereits getan
. Bei der Beurteilung des Buches ist zu bedenken, daß es sich
hier nicht um ein rein wissenschaftliches Werk handelt, sondern
um ein Buch, das neben der kunstgeschichtlichen Deutung den
Verkündigungsgehalt der Bildwerke spürbar machen möchte.
Diese Aufgabe wird mit starker innerer Anteilnahme und formalem
Geschick durchgeführt. Der Verfasser macht nicht den Anspruch
, wissenschaftlich Neues zu sagen, sondern stützt sich dankbar
auf das, was seine Vorgänger erarbeitet haben. Dreierlei ist
für seine Auffassung charakteristisch: 1.) schreibt er die Stifterfiguren
und die Lettnerreliefs dem gleichen Meister zu, wie die
meisten seiner namhaften Vorgänger, und ist der Meinung, daß
die Stifterfiguren vor den Lettnerreliefs entstanden seien.
2.) macht er den Versuch, alle Bildwerke in einen großen Sinnzusammenhang
zu bringen, er tut das nicht gewaltsam und sieht
auch die großen Einzelnen, wie sie Pinder uns gezeichnet hat,
möchte nun aber daneben auch dem Gerichtsgedanken und dem
Gedanken von Schuld und Erlösung Gehör verschaffen, wenn er
das Lettnerkreuz als die „spendende Mitte" des ganzen Zusammenhanges
hinstellt. Er versucht also eine Kombination Pindcr-
scher und Metzscher Gedanken. Die besondere Eigenart des Buches
aber liegt darin, daß der Verfasser 3.) die These von Ernst
Lippelt, daß der Naumburger Meister Waldenser gewesen sei.
aufnimmt und zum ersten Mal bis ins einzelne durchführt. Auf
diese Weise kommt eine Gesamtschau zustande, die den Verfasser
veranlaßt, von dem Künstler als einem „protestantischen Menschen
des XIII. Jahrhunderts" zu sprechen. Diese Modernisierung
ist für den Historiker nicht leicht zu ertragen und erweist der
These Lippelts keinen Dienst. Lippelt hat seine These sehr viel
vorsichtiger formuliert, er hat dreißig Jahre lang auf gewisse
Rätsel, die die Bildwerke ihm aufgaben, keine Antwort gefunden,
bis sich ihm durch ein gründliches Studium der Waldensertexte
Zusammenhänge erschlossen, die jeden vorurteilslosen Betrachter
aufhorchen lassen müssen. Für Hinz aber ist Lippelts Entdeckung
zum Evangelium geworden, und die Armen von Lyon geben für
jede Schwierigkeit eine einleuchtende Erklärung. Wessel hat in
dem oben angeführten Aufsatz alle Einzelheiten einer sorgfältigen
Kritik unterzogen und die Waldenserthese als ganze abgelehnt
, ohne seinerseits mit seinen Gegenargumenten immer zu
überzeugen. Seine Erörterungen zu den weniger wesentlichen
Punkten sind vielfach einleuchtend. Seine Ausführungen über das
Abendmahl haben mich nicht überzeugt. Es ist nicht entscheidend,
ob die einzelnen Bildelemente auch anderweit vorkommen, sondern
das Wesentliche ist die eigenartige Kombination dieser Elemente
, von der Wessel zugibt, daß sie durchaus ungewöhnlich sei.
Während Lippelt und auch Hinz nur den Versuch machten, das
schwer Erklärbare auf waldensische Einflüsse zurückzuführen, wird
ihnen unterstellt, als wollten sie den Meister ein waldensisches
Bekenntnis ablegen lassen. Es ist nicht die Meinung von Lippelt
und Hinz, als wolle der Meister ein waldensisches Abendmahl
darstellen. Auch über das Ketzerkreuz, das bei Wessel nur nebenbei
als letzter Punkt behandelt wird, ist das letzte Wort noch
nicht gesprochen. Es bildet für die Waldenserthese eine beachtliche
Stütze. Auch kann der Einfluß des französischen Zweiges der
Waldenser auf den Künstler nicht einfach abgelehnt werden. Und
die Frage, wieweit die deutschen Bischöfe damals immer korrekt
auf päpstlichem Boden standen, ist noch lange nicht geklärt. Die
These von Jakobus als dem Selbstbildnis des Meisters ist auch
schon von Lippelt — mit aller Vorsicht — geäußert worden. Lippelts
Führer durch den Naumburger Dom: „Der Dom zu Naumburg
", in dessen 4. Auflage 1939 die Forschungsergebnisse eingearbeitet
wurde/), finde ich bei Wessel nicht zitiert, wohl aber bei
Hinz. Ich würde die Popularisierung der Waldenserthese bei Hinz,
aber nicht die Forschungshypothese Lippelts anfechten. Solange
Rätsel bleiben, die anderweitig nicht gelöst werden können,
sind wir berechtigt, die einleuchtende These festzuhalten. Die
Forschung ist hier noch nicht am Ende.

Das Hinzsche Buch enthält neben dem Textteil einen gut
ausgewählten Abbildungsteil, der in seiner Anordnung dem
Textteil parallel geht. Ausführliche Überschriften sind weithin
dem Textteil entnommen. Viele Teilaufnahmen gestatten eine genaue
Nachprüfung des Textes, und einige Ausschnitte vermitteln
uns Sichten, die wir bei der Betrachtung der Originale mit bloßem
Auge nicht gewinnen können.

Jena H. Jursch

Jursch, Hanna und Ilse: Hände als Symbol und Gestalt. Berlin:
Evang. Vcrlagsanstalt (Lizenzausgabc des Leopold Klotz Verlag,
Gotha) 1952. 195 S. 8". Lw. DM 8—.

Das Büchlein gliedert sich in die Abschnitte: Die Gotteshände
; Die Engelhände; Die Jesushände; Die Menschenhände.
Es bringt jeweils ein Bild mit einer Deutung, meist einer oder
mehreren passenden Bibelstellcn und einem Gedicht bzw. Versen
verschiedener Gedichte. Die Auswahl der Bilder reicht von
ägyptischen Reliefs bis zu Ernst Barlach, von einer griechischen
Stele bis zu Wilhelm Groß, von Katakombcnmalercicn bis zu
Cuno Fischer. Unter den Dichtern überwiegen die Modernen;
sie alle zu nennen, wäre unmöglich. Das Büchlein hat keinerlei
wissenschaftliche Ambitionen, sondern es will sehen Ichren
und zum Nachdenken anregen.

Das ist ein dankenswertes Vorhaben, denn wir haben weitgehend
das denkende Sehen, das einfühlende Schauen der Einzelheit
verlernt. Es ist schön und anregend, hier einmal ohne
allen kunstgesdiiehtlichen Lehrstoff auf die stumme Aussage bestimmter
Teile bedeutender Kunstwerke hingewiesen zu werden,
die Hände als Träger des Ausdrucks wieder erschlossen zu er-