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Ausgabe:

1953

Spalte:

151-152

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Die Psalmen nach dem hebräischen Grundtext 1953

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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151

152

Aber das sind Gedanken, die, wie mir scheint, nur eine
Konsequenz aus dem von Weiser Erarbeiteten bilden und damit
zeigen, wie fruchtbar die Erkenntnisse sind, die er uns geschenkt
hat und für die ihm herzlicher Dank gebührt.

Tübingen E. Würthwein

Bonkamp, Bernhard, Prof. Dr.: Die Psalmen nach dem hebräisdien
Grundtext übers. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. A. Allgeier.
Freiburg: Verl. Wilhelm Visarius (Auslieferung: Verlagsanst. Felix
Post, Gelsenkirchen-Buer) [1949]. 634 S. 8°.

Der Titel des Buches stellt eine Übersetzung der Psalmen
nach dem hebräischen Grundtext in Aussicht. So muß zunächst
von dieser Übersetzung die Rede sein. In der Tat wird eine selbständige
, nach dem hebräischen Text gefertigte Übersetzung vorgelegt
, die da, wo sie — meistens bereits von anderen vorgeschlagene
, aber zum Teil hier erstmalig gebotene — Änderungen
des überlieferten Textes voraussetzt, diese in den Anmerkungen
kurz begründet. Das Deutsch der Übersetzung ist im allgemeinen
gut, und zu seiner Verständlichkeit trägt wesentlich bei, daß sie,
wenn nicht nach metrischen Gesichtspunkten, so doch unter Berücksichtigung
des „Parallelismus membrorum" gegliedert ist,
indem die Langverse in zwei oder auch drei Zeilen zerlegt werden
, von denen die zweite und gegebenfalls die dritte der ersten
und zweiten gegenüber eingerückt sind.

Gegen Einzelheiten der Übersetzung und ihrer Begründung lassen
sich hier und da Bedenken erheben. Ps 74, 2 (S. 348) ist das zweite „du"
in „die du befreit als du den Stamm deines" ein einfacher Druckfehler.
Aber bei 74, 11 (S. 349) geht es um ein sachliches Bedenken: die von
Alf. Schulz übernommene Herstellung des Textes als lammah tasib
jadecha wiminecha bekereb hekecha kullah — ich behalte die von Bonkamp
verwendete Transkriptionsart trotz ihrer Mängel hier bei — und
die durch sie bedingte Übersetzung „Warum nimmst du deine Hand
zurück, / ist deine Rechte ganz in deinem Busen?" kann es mit der wesentlich
geringere Eingriffe in den Text voraussetzenden anderweitig
vorgeschlagenen Übersetzung „Warum hältst Du zurück Deine Hand /
und birgst deine Rechte in deinem Busen?" nicht aufnehmen. Zu dem
Sdiluß von 74, 14 (S. 349) wird vermerkt: „le'amll!sijjim statt des im
Texte stehenden Kam l°sijjim. Es handelt sidi hier nach einer Angabe,
die mir zuerst bei Pater Bea (Die neue lateinische Bibelübersetzung
S. 5 5—56) begegnet ist, um eine besondere Art von .großen, glatten Seefischen
' ". Hier muß es statt „Bibelübersetzung" heißen „Psalmenübersetzung
, 1949". Weiter entspricht die vorgeschlagene Korrektur le'am-
b'sijjim nicht der auf ihr aufgebauten Übersetzung „den Fischen des Meeres
", die vielmehr etwa l°'amlcse jam voraussetzt, was denn auch Immanuel
Low, auf den die Beanstandung der überlieferten Lesart und ihre
Heilung zurückgeht, unter Bestimmung des 'amlas als „Haifisch" in Vorschlag
gebracht hat (vgl. H. G u n k e 1, Die Psalmen, 1926, S. 325;
Ludwig Köhler, Lexicon in Veteris Testamenti Libros, Lief. XII.
1952, S. 715). Die erste Hälfte von 89,38 übersetzt Bonkamp S. 413
mit „wie der Mond, der immer und ewig besteht". Das bedingt, wie in
den Anmerkungen gesagt wird, die Versetzung des Vershalbierers Ath-
nach vom dritten auf das vierte Wort, das als w°'ed„und Zeuge" überliefert
ist, und Änderung dieses Wortes in folam) wa 'ad „(immer) und
ewig"; in den Anmerkungen steht aber nicht wa'ad, sondern wa'ed,
doch wohl ein einfacher Druckfehler.

Trotz dieser und anderer Bedenken, die sich gelten machen
ließen, kann und wird Bonkamp's Psalmen-Übersetzung gute
Dienste tun. Aber das Buch bietet sehr viel mehr, als sein Titel
verspricht, nämlich außer der Übersetzung auch eine Erklärung
der Psalmen, also eine Art Kommentar. Vieles freilich, was man
von einem in unseren Tagen geschriebenen Psalmen-Kommentar
erwartet und mit Recht erwartet, fehlt hier völlig. Von der Gattungsforschung
, die doch gerade dem Verständnis der Psalmen
in so hohem Maße zugute gekommen ist, ist kaum die Rede und
ebensowenig von dem in der Gegenwart besonders lebhaften
Bemühen um die Feststellung der Beziehungen zwischen Psalmendichtung
und Kultübung. Die 40 Seiten starke Einleitung (Zur
Einführung S. 3—43) und die den einzelnen Psalmen — außer den
eben behandelten knappen textkritischen Noten —beigegebenen Erklärungen
, die, ohne daß diese Verschiedenheit der Raumzuteilung
immer berechtigt oder auch nur verständlich wäre, bald ganz kurz,
bald recht ausführlich sind, haben es vielmehr so gut wie ausschließlich
nur mit den beiden Fragen der Komposition unseres
Psalmenbuches und der Entstehungszeit seiner einzelnen Lieder
zu tun, wobei diese beiden Fragen auf weite Strecken hin eng
miteinander zusammenhängen. Die Einleitung stellt zunächst

Landersdorfers Auffassung von dem Alter der Psalmen der
von Herkenne vertretenen gegenüber und entscheidet sich
gegen die von diesem für möglich gehaltene Herleitung wenigstens
der meisten Psalmen von David zugunsten der von jenem
vorgenommenen Ansetzung ihres Hauptteils in späterer, weithin
erst nachexilischer Zeit und begründet diese Entscheidung damit,
daß bei den einzelnen Psalmen die für ihre spätere Entstehungszeit
sprechenden Tatsachen aufgezeigt werden. Dabei fällt die Zuversicht
auf, mit der Bonkamp, auf sprachliche oder sachlich-historische
Argumente gestützt, sie einem ganz bestimmten, eng begrenzten
Zeitraum zuweist, und ebenso erstaunlich ist die Gewißheit
, mit der er diese oder jene Gruppe von Psalmen demselben
Verfasser glaubt zuschreiben oder literarische Abhängigkeit der
einen von der anderen meint feststellen zu können. So heißt
es S. 28:

„Die Psalmen 103 (102) bis 106 (105) können ... erst nach dem
Exil entstanden sein. Sie gehen . . . auf denselben Verfasser zurück
wie die Texte Nr. 3 5 (34) bis 37 (36), Nr. 40 (39), Nr. 69 (68) bis 71
(70), Nr. 102 (101 und Nr. 109 (108); sie sind jedoch älter als die Texte
Nr. 111 (110) bis 115 (113,9—26), bei denen die als Umrahmung ge-
brauditen Aufforderungen zum Lobe Gottes schon von dort entlehnt
sind. Diese aber waren bereits vorhanden, als der Psalm 13 5 (1 34) entstand
, und der Psalm 13 5 ist früher anzusetzen als der Psalm 147
(146+147), der im Jahre 445 bei der Einweihung der Stadtmauer von
Jerusalem zum ersten Male benutzt wurde. Dadurch rücken die Texte
verhältnismäßig recht nahe zusammen. Der Tempelbau, für den sich der
Verfasser der zuerst genannten Lieder nach seiner eigenen Angabe
(Psalm 69, 10) besonders stark eingesetzt hatte, kam im Jahre 516 zum
Abschluß. Bei der Weihe der Stadtmauer sang man, wie sich hier nachweisen
läßt, die Texte der Psalmengruppe Nr. 145 (144) bis 150, die
E s d r a s, der selbst an der Feier teilnahm, eigens zu diesem
Zweck geschrieben hatt e".

Wie über die Herkunft der einzelnen Psalmen, so werden
auch über ihre Zusammenstellung zu Sammlungen und die Entstehung
der fünf Bücher, in die das uns vorliegende Psalmenbuch
eingeteilt ist, sehr genaue und sehr ins einzelne gehende Feststellungen
getroffen, etwa die, daß Esra das fünfte Buch zusammengestellt
und dabei mindestens sieben verschiedene Sammlungen
benutzt hat.

Die in der Einleitung behandelten Fragen sind es denn auch,
denen die den einzelnen Psalmen beigegebene Erklärung im
wesentlichen nachgeht; im Vordergrund steht dabei ihre zeitliche
Ansetzung. Die eben aus der Einleitung gebotene Probe läßt
ahnen, daß auch die Erklärung in dieser Hinsicht allzu große und
zu Bedenken und Kopfschütteln Anlaß gebende Zuversicht an
den Tag legt. Das soll aber keineswegs die Ablehnung aller von
Bonkamp für die einzelnen Psalmen und für ihre Sammlungen
vorgeschlagenen Ansetzungen bedeuten und noch viel weniger
besagen, daß seine ernste Bemühung um die Auffindung ihrer
Entstehungsanlässe verfehlt wäre und unbeachtet bleiben dürfte.
Im Gegenteil: Daß Bonkamp die gegenwärtig von der Psalmen-
Erklärung aufgeworfenen Fragen vernachlässigt, ist und bleibt
ein sehr bedauerliches Versäumnis. Aber daß er die zur Zeit
über Gebühr in den Hintergrund geschobene Frage nach den Entstehungszeiten
und geschichtlichen Veranlassungen der Psalmen
und Psalmensammlungen mit Nachdruck erneut aufwirft, bedeutet
ohne Zweifel einen Fortschritt. Schade ist nur, daß jene Frage
oft zu einseitig gestellt wird, und noch schlimmer, daß in vielen
Fällen auch da mit apodiktischer Gewißheit eine Antwort gegeben
wird, wo der Tatbestand höchstens zur Erwägung von Möglichkeiten
ausreicht und allzu zuversichtliche Bejahung einer dieser
Möglichkeiten eher schädlich als nützlich ist.

Halle/Saale Otto Einfeld t

NEUES TESTAMENT

Mitton, C. Leslie: The Epistle to the Ephesians. Its Authorship,
Origin and Purpose. Oxford: Clarendon Press 1951. X, 346 S.
gr. 8°. Lw. s 30.—.

Diese Dissertation eines englischen Geistlichen behandelt
in sauberer Methodik und bewundernswerter Gründlichkeit das
Problem der Echtheit des Epheserbriefes, das jenseits des Kanals
noch umstrittener ist als bei uns, und gelangt dabei zu einem