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Ausgabe:

1953

Spalte:

114-116

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Brinktrine, Johannes

Titel/Untertitel:

Offenbarung und Kirche 1953

Rezensent:

Echternach, P.

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SYSTEMATISCHE THEOK)GlE

113 Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 2__114

zum Thema „Gesetz und Evangelium" der Theologie Karl Barths
und seiner Schüler, vor allem W. Vischers und Hellbardts, vorwirft
, daß in ihr der Gegensatz zwischen Gesetz und Evangelium
zu kurz komme, so ist das gewiß nicht ganz unberechtigt,
aber dabei dürfte nun auch wieder nicht dieser Gegensatz als solcher
absolut gesetzt werden; denn die Wahrheit ist ja eben die,
daß das Evangelium das Gesetz im doppelten Sinn „aufhebt",
nämlich absetzt und erfüllt zugleich. Th. will es sich verboten sein
lassen, den Gott jenseits von Gesetz und Evangelium zu suchen,
also den Gott ,,an sich", aber ist denn nicht der Gott des Evangeliums
als der Deus revelatus selbst bereits der Gott „an sich"?
Gesetz und Evangelium stehen einander ja nicht als gleichwertige
Pole gegenüber, vielmehr offenbart das Evangelium auch das Gesetz
wie der Deus revelatus den Deus absconditus. — Problematisch
, u. zw. wieder in erkenntnistheoretischer Hinsicht, erscheint
mir der VI. Abschnitt über „Das Wunder". So sehr ich mich mit
fast allem einverstanden erklären kann, was im ersten Teil gesagt
wird, vor allem mit der sehr schönen und tiefen Exegese der Heilung
des Gichtbrüchigen, so wenig befriedigt mich im zweiten der
Versuch, das Verhältnis zwischen Wunder und Kausalität klarzustellen
. Hier bleibt alles im ersten Anlauf stecken. Die Aufgabe
wird wohl gesehen und formuliert, aber nicht gelöst. — Von den
übrigen Beiträgen sei hier nur noch der XI. besonders erwähnt,
in dem Th. zeigt, daß jedes Unternehmen, das darauf zielt, der
humanitas und damit dem Geheimnis der Gemeinschaft vom
Menschen her beizukommen, notwendig und gegen die Absicht
aller sozialethischen Schwärmerei zur inhumanitas führen muß.

Thiel icke, Helmut, Prof. D. Dr.: Theologie der Anfechtung. Tübingen
: Mohr 1949. VII, 270 S. gr. 8". DM 10.80; geb. DM 14.-.
„Man kann den Glauben theologisch nur so beschreiben, daß
man ihn im Reflex dessen wiedererkennt, g e g e n das er glaubt.
Dieser Satz aus dem Vorwort kennzeichnet eigentlich schon den
Charakter des ganzen Buches, dem der Verfasser den Titel „ 1 beo-
logie der Anfechtung" gegeben hat und das insgesamt zwoit
kürzere und längere Abhandlungen aus den Jahren 1935 bis 194»
enthält. Gleich die erste und einzige bisher noch unveröffentlichte
„Was ist und zu welchem Ende studiert man Dogmatik? bringt
in knapper präziser Formulierung die leitenden Grundgedanken.
Es steht da auf nur zwölf Seiten sehr viel Beachtenswertes, vor
allem im Blick auf die besonderen Probleme, mit denen es gerade
heute der systematische Theologe immer wieder zu tun bekommt.
Was Th. etwa über das „Vorverständnis" sagt, mit dem man an
den Schrifttext heranzugehen hätte, ist von wirklich wegweisender
Bedeutung und sollte nicht nur von den Systematikern allein,
sondern auch von den Exegeten und Kirchenhistorikern beherzigt
werden. Mit Nachdruck wird betont, „daß die Schrift eine facultas
sc ipsum interpretandi besitze, d. h. daß sie keinen Zugang von
außen her habe, sondern daß sie Objekt des Vcrstehcns "nd^ub;

jckt des Sich-vcrstehcn-lassens in eins sei." „Darum hat die og- ^ Mmanun« ■!■■■»■■■■■»■»■» -»

matik die Aufgabe. . ., das Vorverständnis des Menschen zu Erwin Reisner

prüfen, um das Kcrygma nicht unversehens von ihm vergewaltigen
zu lassen." Und wenn der Verfasser schließlich meint, „dab Brinktrine> Johannes, Dr.: Offenbarung und Kirche. Fundamcn-
es von Christus her so etwas gibt wie eine theologische Kritik tal-Theologie. 1. Bd.: Theorie der Offenbarung. 2. Bd.: Existenz der
der Vernunft", so trifft er damit tatsächlich ins Zentrum. Um den Offenbarung. Die Kirche. 2. Aufl. Paderborn: Schöningh 1947 u.
gleichen Fragenkomplex kreisen übrigens auch die Beiträge 1949. VII, 314 S. u. VI, 394 S. gr. 8°. Lw. DM 11 — u. DM 12.50.
III und IV, „Das Problem des ^t0^^^6^"^"^"^"^. Eine Besprechung kann von evangelischer Seite nur unter

und Die Knsis der Theologie". - In den beider, Teilen der zw konfessionskundlichem Gesichtspunkt erfolgen. Daß das Buch in
ten Abhandlung: Kritik dtt natürlichen Il^jW«« viclen partien von lebnafter, z. T. äußerst schroffer konfessionel-
das Verhältnis zwischen der religio De. und der rclig.hominis durchzogen ist, reizt den Lutheraner zum Gesprach,

und weiterhin ebenso jenes zwischen der , ex De. «nd £« f Er muß jedoch zunachst den völligen Mangel jeglichen Verständ-
min.s untersucht. In klarer ^^^.^^TX nisses für die Anliegen der Reformation und auch jeglichen Be-
homo ineurvatus sowohl ah; Erkennender wie auch als Wollende irgendwelches Verstehen konstatieren, dazu grobe

Gott verfehlen muß, und das zwar immer- schon im ersten An Unrichtigkeiten,
satz, wie mit der Frage „Wo ist Gott? oder mit der uruncjyor &

aussetzuns aller natürlichen Ethik: „Du kannst, denn du sollst , So z.B. die These, die „Reformatoren" (in diesem Fall für den

auf der sich bekanntlich der kategorische Imperativ Kants als for- Verf. offenbar eine Einheit) hätten „den völligen Verlust der Willens-
malistisches Schema der autonomen Moral aufbaut. Die Selbster- fmhe.t gelehrt (II S. 107). Der Verf. sc. auf Conf. Aug. XV II sowie
maiisriscnes juicim.» uu ^»»» j- <i _ä_-j,1«B* auf die ausfuhrlichen Darlegungen in Form. Conc. 11 hingewiesen. Es

Schließung Gottes, das Wunder seiner „Anknüpfung zerscniagc ^ ^ Kenntnjs gebradlt daß die Lutherische Kirche ein liberum
jene Frage und diese Voraussetzung. Das wird in einer eindring- arbitrium _ in rebus naturalibus" und „ad efficiendam civilem iustitiam"
liehen, leicht verständlichen und bildhaft anschaulichen Sprache [ffoxt und nur die libertas in spiritualibus beim „niditwiedcrgeborcncn"
vorgetragen, sowie mit theologischer Gewissenhaftigkeit ent- Menschen bestreitet, jedoch die Wiederherstellung auch dieser Freiheit
wickelt Es sind gut reformatorischc Gedanken, die vielleicht an im Taufsakrament bekennt (Form. Conc. II S. D. 67). Auch Luthers
sich nicht viel Neues bringen, aber das Alte in eine der Gegen- persönliche Meinung ist nicht nur aus einigen pointierten Sätzen von
vici t* iV j v^r A»m Ficrcitü aus der . De servo arbitno zu entnehmen. - Umso ausgiebiger wird die lehret
"gemessene Form kuden. - ^ organisatorjsdlc Vielschichtigkeit des Protestantismus

Sammlung „Kerygma und Mythos bekannten Artikel '' _ ' ** polemisch ausgewertet. Interessanter als die polemischen Ausführungen
der Entmythologisierung des Neuen Testamentes erhebt sicn die ^ Verf.'s sind unter konfessionskundlichem Gesichtspunkt seine ei-
Frage, ob Th. hier der von ihm selbst aufgestellten Forderung ?cnt]icn apologetischen durdi ihre reichliche Verwendung rational-wis-
nach einer theologischen Erkenntniskritik auch wirklich ganz ge- senschaftlidier Argumentationen („Um den göttlichen Charakter und
recht wird Dabei muß freilich berücksichtigt werden, daß zwi- Ursprung des Christentums nachzuweisen . . ." S. 1). „Wenigstens mit
sehen diesem und dem einleitenden Beitrag immerhin ein Zeit- großer Wahrscheinlichkeit können wir behaupten daß ihr
räum von sechs Jahren liegt, in dem der Verfasser seine Probleme Inhalt (sc. der der alttestament ichcn Jftrt nrfdte g «tdfcheOff»-
j j j i i y.. _ . ,u ij. „• • n.Ar wen cer barung zurückgeht... (11 S. 19 u. a.). Ucr Lutheraner wird nier aen

weiter durchdacht hat Die Frage stellt sich mir im nicht unterdrücken können, daß dadurch spezifische Glaubensauf
den ersten Teil, der es mit der „existenzialen InterpreMnon ^ hincjnbczogcn wcr(Jen jn dje wtscnhafte Ungewißheit und Unab-
Bultmanns. als auf den zweiten, der es mit der Relation Mytnos gcschlossenheit aller wissenschaftlichen Argumentation; daß sie dadurch
wissenschaftliches Weltbild zu tun hat. Man vermißt hier eine dcr absoluten Gewißheit entkleidet werden, die ihnen als Glauklare
erkenntnistheoretische Konzeption, die es gestatten wurde, bensaussagen wesenhaft zukommt; daß damit der qualitative Unter-
beide Wirklichkeitsaspekte von einem einheitlichen Prinzip her schied zwischen Glauben und Wissen nivelliert wird. Wir Evangelischen
zu beurteilen und zum Offenbarungsereignis in Beziehung zu haben hier von Kierkegaard (bes. aus den Ph.los. Brocken und der
zu Beurteilen una zumi^mw Än.fflWiffen ließen sich etwa ..Nachschrift") Entscheidendes gelernt, worauf wir auch die andre Konsetzen
. Die etwas bruchs uckhaften Ausfuhrungen cl5cn^ cin fcssion aufmerksam machen dürfen. Wird nicht das Ungeheuerliche
in der R.chtung vervollständigen daß der Mythos immer c,n ^ ^ ErlOSUngstat verflacht, wenn es heißt: „Auch von uns
Kompositum aus Transzendenz und Immanenz darstellt unu <. *, Menschen aus gesehen erscheint die Inkarnation durchaus möglich, ja
lieh diesem seinem zweiten Moment nach von der Offenbarung angcmes.sen" (ll s 109)? ist sie nicht vielmehr das Allerunfaß-

gesprengt wird. Da nun in unserem modernen /wissenschaftlichen/ i1(fatu und überwältigendste, das Wunder aller Wunder? Hat hier
Mythos die Immanenz entschieden dominiert, ist seine InFrage- nicht Thomas besser zu unterscheiden gewußt? Die Sache wird nicht
Stellung durch die Offenbarung auch eine weit radikalere als etwa besser, sondern schlimmer wenn nun neben die Wahrscheinlichkeits-
die des antiken Weltbildes - Wenn Th. in der V. Abhandlnug argumente der Wissenschaft als zweite, „volle Gewißheit wirkende