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Ausgabe:

1953

Spalte:

108-110

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Torrance, Thomas F.

Titel/Untertitel:

Calvins Lehre vom Menschen 1953

Rezensent:

Nitschke, Horst

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zer vorgenommen hat, sofort deutlich werden zu lassen und die
Arbeit zu erleichtern.

Daneben liegt das Schwergewicht dieser Ausgabe „in dem
ausführlichen Kommentar, der das Verständnis dieser zu den
schwierigsten der Reformationszeit gehörigen Texte bis in alle
Einzelheiten zu erschließen versucht". Hinrichs gibt der Lektüre
durch seine sprachlichen wie sachlich-inhaltlichen Erläuterungen
sehr wesentliche Hilfen an die Hand, die unvergleichlich besser
und sinnvoller als jede normalisierte Ausgabe durch die Eigenheiten
von Müntzers Sprache hindurch den Zugang zu seinem Denken
eröffnen und durch konkrete Hinweise auf die besondere
kirchengeschichtliche Situation wie den Aufweis theologischer
Zusammenhänge, durch exegetische Bemerkungen zum Text wie
durch Spezifizierung der sehr zahlreichen, zumeist aber nur die
Kapitel angebenden biblischen Belegstellen Müntzers das Verständnis
erleichtern. Der Herausgeber hat damit trbtz aller
Knappheit und Beschränkung eine sehr verdienstliche Arbeit geleistet
, die nur dankbar anerkannt werden kann. Ob deren Ergebnisse
nicht vielleicht besser und übersichtlicher in einem doppelten
Apparat untergebracht worden wären, dürfte mehr als nur
eine technische Frage sein. Im Einzelnen ist zu der genaueren
Fixierung der biblischen Belegstellen und zu den Erläuterungen
manches Fragezeichen zu setzen und es wäre für eine neue Auflage
eine Revision wohl erforderlich. Denn hier wird deutlich,
daß Hinrichs sich von seinem besonderen Verständnis des sozial-
revolutionären Charakters dieser Schriften bestimmen läßt, demgegenüber
bei weitgehender Zustimmung doch auch nicht unerhebliche
Bedenken geltend zu machen sind. Einzelkorrekturen
und -ausstellungen sollen jedoch an anderem Orte vorgebracht
werden und können hier füglich unterbleiben.

Eine sehr wesentliche Ergänzung seiner Ausgabe, bezw. eine
bedeutungsvolle Untermauerung und Zusammenfassung seines
Kommentares bietet H. in seinem Buche „Luther^und Müntzer".
Hier geht er in drei Studien in ausführlicher Darstellung auf den
Inhalt der Schriften ein und ordnet sie in scharfsinniger Untersuchung
unter sorgfältiger Heranziehung des sonst noch verfügbaren
Materials in den Zusammenhang der inneren wie äußeren
Entwicklung des Müntzerschen Reformationsstrebens dieser Zeit
ein, wobei es ihm vor allem darauf ankommt, diese Schriftengruppe
als eine „Auseinandersetzung über Obrigkeit und Widerstandsrecht
" zwischen Luther und Müntzer verständlich zu machen:
„Müntzer wollte. . .Allstedt. . .zu einem mit dem Evangelium nach
seiner Auffassung wirklich Ernst machenden religiös-politischen
Zentrum, zu einem Gegen-Wittenberg machen, von dem aus
nicht nur die Volksmassen, sondern auch die kursächsische
Obrigkeit für eine gewaltsame Umgestaltung aller Lebensverhältnisse
nach Maßgabe des von Müntzer ausgelegten Wortes Gottes
gewonnen werden sollten. Und von dieser eroberten kursächsischen
Basis aus sollte dann schließlich die religiöse und soziale
Revolutionierung ganz Deutschlands ausgehen, wobei das Beispiel
und die Macht, sowie das Ansehen, das die ernestinischen
Fürsten, besonders der Kurfürst Friedrich der Weise selber, auch
beim gemeinen Manne besaßen, zweifellos mit in Rechnung
gestellt wurden."

So wird die „Fürstenpredigt" zum Kern der ersten Studie,
die von den Anfängen der Allstedter Tätigkeit bis unmittelbar
vor das Weimarer Verhör am 1.8.1524 führt. Die unterschiedliche
Auslegung von Rö. 13 wird als Grundlage des andersartigen Verständnisses
vom Wesen der Obrigkeit und vom Recht des aktiven
Widerstandes zwischen Luther und Müntzer herausgestellt,
wobei der „Bundesschluß" als Ansatz zur erstrebten Verwirklichung
der Müntzerschen Ideen von der „Herrschaft des Volkes"
bedeutsam wird, aber Müntzer ihm zunächst doch noch eine
„defensive Form" beilegt in der Hoffnung, „seine Landesobrigkeit
für seine Ideen zu gewinnen", um „gleichwohl den direkten
revolutionären Weg keinen Augenblick aus dem Auge" zu lassen.
Ins Detail gehende Bemerkungen zur Frage nach dem Sinn und
Termin des „Allstedter Verbündnisses" wie zum zeitlichen Ansatz
der „Fürstenpredigt" verdienen Beachtung, wenn sie auch
nicht überall ganz zu überzeugen vermögen. —

Die zweite Studie zielt auf die Exegese der „Ausgedrückten
Entblößung" und behandelt die Entwicklung Müntzers und seiner

Tätigkeit vom Weimarer Verhör bis zur Flucht aus Allstedt,
bezw. seine Ankunft in Mühlhausen. Diese zwei Wochen werden
als die Zeit der Wendung Müntzers zur revolutionären Kampfansage
an die sächsischen Fürsten verstanden, in denen ihm aus dem
Verhalten seiner Landesfürsten wie des Allstedter Rates klar
wird, daß die bisher noch von ihm verfolgte Tendenz einer defensiven
Bündnispolitik mit Hilfe der Obrigkeit keine Aussicht auf
Verwirklichung seiner Ziele bietet. Auch in diesem Abschnitt
wartet H. mit wertvollen neuen Einsichten im Einzelnen auf;
doch bleiben nicht minder sehr ernsthafte Fragen offen, die vor
allem das Verhältnis der gedruckten (A) zur handschriftlichen
(B) Vorlage der „Ausgedrückten Entblößung" betreffen, in Sonderheit
, ob B eine für Weimar nachträglich zurechtgemachte Revision
von A oder nicht vielmehr die nach dem Geschehen vom
1.-3. 8 als notwendig erachtete weiterführende Überarbeitung
von A ist. Damit hängt die Frage nach der Motivierung der Flucht
Müntzers eng zusammen, für die auch das Verhältnis der drei
Entwürfe von Müntzers Abschiedsschreiben an die Allstedter andere
Schlüsse nahelegt als H. glaubt ziehen zu müssen.

Die dritte Studie führt die Entwicklung Müntzers weiter bis
zur vollen Entfaltung der „Theologie des Revolutionärs" in der
„Hochverursachten Schutzrede" als der ins Grundsätzliche gehenden
Reaktion Müntzers auf Luthers „Brief an die Fürsten zu Sachsen
" und zugleich der endgültigen Absage an die Fürsten. Hier
wird nicht nur in aufschlußreicher Weise die Frage geklärt, woher
Luther bis zu seinem Briefe an die Fürsten seine Kenntnis der
Müntzerschen Gedankenwelt geschöpft hat, sondern die theologische
Differenz zwischen Luther und Müntzer herauszuarbeiten
versucht, soweit sie aus der „Schutzrede" ersichtlich wird (also
über die schon früher zu Tage getretenen Fragen der Interpretation
von Rö. 13, das Verhältnis von Schrift, Geist, Glauben usf.
hinaus die Differenz in der eschatologischen Ausrichtung der beiden
Männer, das Verständnis des Verhältnisses von Gesetz und
Gnade, von freiem Willen und Prädestination usf.).

Man wird nicht sagen können, daß der theologische Gehalt
dieser Schriftengruppe Müntzers erschöpfend behandelt worden
ist, auch nicht in der offensichtlich sehr bewußt vollzogenen Begrenzung
des Themas, die sich im Buchtitel ohne weiteres ja zu
erkennen gibt. Grund und Folge zugleich dessen, daß der eigentlich
theologische Gehalt der Müntzerischen Gedankenwelt nicht
ernsthaft genug ins Auge gefaßt und in den Blickpunkt gestellt
worden ist, ist m. E. dann zu einem guten Teile wenigstens die
allzu starke politische Akzentuierung, die H. diesen Schriften
gibt, bezw. die prononcierte Charakterisierung als „Politische
Schriften", die zumal in der Verbindung mit einer nicht immer
sachentsprechenden Annäherung an die politischen termini der
Gegenwart allzu leicht ein Mißverstehen des historischen Faktums
selbst nahelegen könnten. H. ist gewiß in dieser Hinsicht sehr
vorsichtig und zurückhaltend, entgeht aber im Gesamttenor wie
in den Einzelheiten den Gefahren dieser Interpretationsmethode
nicht ganz. Dessen ungeachtet bleibt die Ausgabe eine verdienstvolle
Leistung und die Monographie muß dankbar als ein wertvoller
, die Müntzerforschung weiterführender Beitrag anerkannt
werden, der auch der theologischen Arbeit reiche Anregungen
gibt.

Berlin Walter Ell Iget

Torrance, T. F., M. B. E., B. D., D.Theo].: Calvin's Doctrine of
Man. London: Lutterworth Press [1949]. 183 S. 8". Lw. 14 s.

— Calvins Lehre vom Menschen. (Aus d. Engl, übers, v. Fritzhermann
Keienburg). Zollikon-Zürich: Evang. Verlag 1951. 208 S. 8". kart.
DM 9.60.

In diesem Buche hat Calvin das Wort. Aber nicht so, wie
etwa Luther in E. Seebergs Theologie Luthers. Wirklich nur zur
Unterstreichung und Verdeutlichung schaltet sich der Verfasser
zwischen den Zitaten ein. Man könnte das Werk fast in Anlehnung
an Hirsch: Hilfsbuch zum Studium der Anthropologie nennen
. T. legt, wie er in seinem Vorworte (das in der deutschen
Ausgabe nicht mitübersetzt ist) ausführt, das Material vor, das er,
zur Vorbereitung auf Vorlesungen über das Thema, aus C's
Schriften zusammengetragen hat; nicht nur aus der Institutio,
sondern auch aus den exegetischen und homiletischen Werken.
,,It has been my attempt to Iay bare Calvin's own thoughts and