Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1953 Nr. 2

Spalte:

103

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Burckhardt, Carl Jacob

Titel/Untertitel:

Gestalten und Mächte 1953

Rezensent:

Heussi, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

103

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 2

104

hen, wie sein philologisch-theologisches Meisterwerk nicht nur
Dank und Anerkennung, sondern auch Weiterarbeit und Nacheiferung
weckt!

Heidelberg H.v. Campenhausen

KIRCHEN GESCHICHTE: ALLGEMEINES

Burckhardt, Carl J.: Gestalten und Mächte. Reden und Aufsätze.
München: Rinn o. J. 255 S., 7 Taf. gr. 8°. Lw. DM 12.50.

Der Verfasser, Präsident des Roten Kreuzes in Genf, hat in diesem
vorzüglich ausgestatteten, auch mit guten Porträtwiedergaben
versehenen Buche eine Anzahl von Reden und Aufsätzen vereinigt
, die in gepflegter, fein geschliffener Sprache, geistvoll und
lehrreich geschrieben sind und eine sehr beachtliche Höhe von
literarischer Kultur und historischer Darstellungskunst einhalten.
Mag er über Erasmus oder Pirckheimer, über den für die französische
Kultur des 17. Jahrhunderts repräsentativen Typus des
honnete homme, über den Genfer Micheli du Crest, über
die Kaiserin Maria Theresia, über Friedrich von Gentz oder über
„Grillparzer und das Maß" schreiben, überall folgt man seinen
Ausführungen mit Genuß und Spannung. Kirchengeschichtliche
Beziehungen begegnen allenthalben; man stößt auf Petrus Martyr
Vermigli, Franz von Sales, die Jansenisten, auf die Zustände in
Genf am Anfang des 18. Jahrhunderts u.a. Vielfach sind in die
geschichtliche Darstellung Reflexionen eingestreut, denen nachzudenken
sich lohnt, z. B.: „Es gehört zu den Zwangsvorstellungen,
immer in der Geschichte nach Vorläufern zu suchen" (S. 45).

Jena Karl Heussi

Müller, Georg: Last und Trost der deutschen Geschichte. Bielefeld:
F. Eilers Verl. [19 50]. 437 S. 8°. Lw. DM 16.—.

Das Werk ist aus Vorlesungen hervorgegangen, die der Verf.
an der Pädagogischen Akademie in Bielefeld und der Theologischen
Schule in Bethel 1947 und 1948 gehalten hat. Es ist im wesentlichen
materiale Geschichtsphilosophie, was hier geboten wird.
Obwohl viel von politischen Dingen die Rede ist, trägt das
Buch theologischen Charakter; der Verf. ringt nach einer christlichen
Sicht der Geschichte. In bunter Fülle werden geschichtliche
Themen erörtert oder gestreift: die Gliederung der Geschichte
durch die großen europäischen Revolutionen (in Auseinandersetzung
mit verschiedenen modernen Geschichtsdenkern), die Prägung
des deutschen Charakters durch die deutsche Reformation,
wobei nicht nur von Luther und vom Lutherbilde, sondern auch
von Moritz von Sachsen und von Landesfürsten und Professoren
als Führerschicht die Rede ist, — weiter von der „machtpolitischen
Epoche" unserer Geschichte, die aber nur bis zu Kurfürst Friedrich
Wilhelm geführt wird. Der II. Teil sucht dann Preußen und auch
Osterreich als von der Reformation geprägte revolutionäre Mächte
zu verstehen (eine mir sehr wenig einleuchtende Sicht der Dinge).
Etwas chaotisch strömen die Stoffe über den Leser hinweg. Eine
schärfere Systematik des Aufbaus wäre zu wünschen gewesen, aber
auch eine schärfere Durchdenkung der leitenden historischen Begriffe
. Es liegt doch hauptsächlich an mangelnder Schärfe der ge-
schichtstheoretischen Voraussetzungen, wenn der Verf. z. B. urteilt
, Österreich-LIngarn sei (im 20. Jahrh.) an dem Unrecht gescheitert
, das in der Reformationszeit den Tschechen angetan
wurde, oder Preußen-Deutschland an dem Unrecht, das in dem
von der Französischen Revolution bestimmten Zeitalter den Polen
geschah! Es ist enttäuschend, daß der Verfasser, der „Gedanken
zur Erneuerung unseres Geschichtsbildes" bieten will, seine
Leser mit Gustav Adolf und Wallenstein, mit Barock und Staats-
raison, mit dem Pietismus und dem Michaelmythus, mit den
Ahnen Friedrichs II. und dem alten Österreich unterhält, aber
die großen Umwälzungen unserer Zeit, die nun gebieterisch ein
neues Geschichtsbild erzwingen, die große soziale Umschichtung
und die Auflösung der altabendländischen Geschichte in eine
planctarische (das Ende der „Weltgeschichte", wie die Ranke-Schule
sie sah) nicht genügend im Blickfeld hat. So behält das Ganze
etwas Gestriges. Das Buch ist im übrigen nicht ohne Originalität
, wenn auch sehr viele Zitate aus neueren Historikern ein-
geflochten sind, von Ranke und Jacob Burckhardt bis zu Meinecke
und Gerhard Ritter, oder aus Geschichtsphilosophen, von
Chamberlain bis zu Berdjajew. Der Text glitzert förmlich von
geistreichen Beobachtungen und Fragestellungen. Wer sich gern
anregen läßt, interessante geschichtliche Parallelen liebt und tieferen
Zusammenhängen der Geschichte nachspürt, wird den Darlegungen
G. Müllers gern folgen.

Eine Unrichtigkeit, die sich nicht einbürgern darf, steht S. 176.
Danach hätte der zweite Kaiser des zweiten Reichs, der Hohenzoller
Friedridi III., diesen Regentennamen gewählt, „um damit anzuzeigen,
daß er damit die Traditionen (welche?!) der Hohenstaufen, Friedridi I.
Barbarossa und Friedrich II. fortzusetzen beabsichtige". Ein solcher
Phantast war Kaiser Friedrich keineswegs. Er nannte sich Friedrich III.
mit Bezug auf seine Stellung als preußischer König. Unter den Kaisern
des Ersten Reichs hatte es schon einen Friedrich III. gegeben.

Jena Karl Heussi

Pribilla, Max: Deutsche Schicksalsfragen. Rückblick und Ausblick.
(2., völlig Überarb. u. verm. Aufl. v. „Deutschland nach dem Zusammenbruch
") Frankfurt/M.: Verl. Knecht-Carolusdruckerei [1950]. XVI,
3 32 S. Lw. DM 8.50.

Unter dem unmittelbaren Eindruck der deutschen Katastrophe
von 1945 hatte der bekannte katholische Theologe Max Pribilla
S. J. sein Buch „Deutschland nach dem Zusammenbruch" geschrieben
(1947). Von diesem liegt nun eine Neubearbeitung vor,
die den neuen Titel „Deutsche Schicksalsfragen" erhalten hat. Der
bisherige IV. Abschnitt („Zeitaufgaben der Christenheit") ist
weggefallen; an seiner Stelle stehen nun die Abschnitte IV. „Hitler
in uns selbst" (angeregt durch das bekannte Buch von Max
Picard) und V. „Vom Widerstandsrecht des Volkes" (mit gelehrten
Anmerkungen). Der Verf. setzt im allgemeinen die Ereignisse,
die sich 1933-1945 abgespielt haben, als bekannt voraus und
sucht die unheimlichen Vorgänge in ihren Ursachen zu verstehen
und die Lehren daraus zu ziehen. Und zwar behandelt er die Dinge
sehr gründlich, mit sittlichem Ernst, Gerechtigkeitsliebe, Liebe
zum deutschen Volke, gesunder politischer Einsicht, unter erfreulicher
Abwesenheit jeder falschen und unergiebigen Erbaulichkeit
. Pribilla hat ein reifes und kluges, freilich auch ein erschütterndes
Buch geschaffen; manche Partieen werden manchem
nicht willkommen, müssen aber allen heilsam sein. Auch von der
„andern" Seite und den schweren Enttäuschungen, die sie uns seit
1945 bereitet hat, ist die Rede. Unter theologischem, besonders
kirchengeschichtlichem Sehwinkel ist das Buch ungemein wertvoll
wegen seiner ausgezeichneten Analyse des nationalsozialistischen
Unwesens. Eigenartig wirken die Zitate kluger und maßvoller
Worte, die der Vatikan in der furchtbaren Zeit immer wieder hat
vernehmen lassen; aber auch ein sehr beherzigenswertes Wort aus
dem Lateran, aus dem Jahre 414, ist unter den Zitaten (S. 239).

Jena Karl H e u s s i

Wackernagel, Hans Georg: Die Matrikel der Universität Basel.

Im Auftrage der Universität Basel hrsg. I. Bd.: 1460—1529. Basel:
Verl. d. Universitätsbibliothek 1951. XV, 467 S. gr. 8°. sfr. 48.-

Im Hinblick auf das im Jahre 1960 sich vollendende 500-
jährige Bestehen der Universität Basel faßte die Regenz der Universität
1941 den Entschluß, die Veröffentlichung der Matrikel
an die Hand zu nehmen. Eine dafür eingesetzte Kommission mit
dem Kirchenhistoriker Ernst Staehelin an der Spitze betraute den
Paläographen und Kulturhistoriker Hans Georg Wackernagel mit
der Edition. Dieser legt uns heute den ersten Band der Basler
Universitätsmatrikel vor, der die Jahre 1460-1529 umfaßt und
somit von der Stiftung der Universität Basel durch Papst Pius II.
bis zu deren zeitweiligem Erlöschen in den Wirren der Reformationszeit
reicht.

Ziel der Arbeit war es, „alles Material, das sich in Basel von
1460—1529 auf die Studierenden der Hohen Schule bezieht, kritisch
gesichtet vorzulegen". Dazu wurde in erster Linie eine pa-
läographisch einwandfreie Abschrift der noch im Original vorhandenen
Rektoratsmatrikel (Matricula studiosorum universitatis
Basileensis) angefertigt. Anhand der Fakultätsmatrikcln, von denen
die Matrikeln der theologischen und der juristischen Fakultät
ebenfalls noch im Original vorliegen, wurden daran anschließend
die von den Immatrikulierten erlangten akademischen
Grade aufgezeichnet. Einige weitere Hinweise, Namen von Studenten
wie Grade ergaben sich schließlich noch aus verschiedenen