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Ausgabe:

1953 Nr. 2

Spalte:

102-103

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bauer, Walter

Titel/Untertitel:

Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur 1953

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 2

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Aber daneben finden sich doch auch mehrere Deutungen, die
unzureichend gesichert sind oder sonst erheblichen Bedenken begegnen
. So scheint mir bei der abweichenden Fassung der Erzählung
vom reichen Jüngling im Hebräerevangelium (Nr. 1) keineswegs
sicher zu sein, daß es sich um eine den kanonischen Berichten
gegenüber selbständige Fassung handelt; und die Ausscheidung
zweier Einzelsätze aus Spruchgruppen auf Papyrus (Nr. 16. 17) ergibt
keineswegs ein geschichtlich zuverlässiges Resultat. Für die
geschichtliche Zuverlässigkeit der umfangreichen Erzählung von
dem Zusammenstoß Jesu mit einem pharisäischen Oberpriester
im Tempel (Nr. 2) hat J. sehr beachtliche Argumente vorgebracht;
aber an zwei Stellen scheinen mir die Schwierigkeiten doch nicht
beseitigt; es ist unmöglich, die unbezeugte Vorschrift des Kleider-
wcchsels für Laien beim Betreten des Tempelvorhofs dadurch zu
beseitigen, daß man xai hier mit „beziehungsweise" übersetzt
(die angeführten Belegstellen sind sämtlich anderer Art); und der
Ausdruck „untertauchen in lebendigem Wasser, das herabkommt
von .. " kann nicht als bildlicher Ausdruck für die Teilhabe an der
eschatologischen Vollendungswelt interpretiert werden, schon gar
nicht im Munde des synoptischen Jesus. Daß der Sabbatbrecher in
dem Zusatz des Codex D zu Lk 6,5 (Nr. 3) eine Tat der Liebe
getan hat, ist eine durchaus unbewiesene Voraussetzung; „Rette
dich und deine Seele" (Nr. 7) ist schwerlich palästinisch
möglich; und daß das Herrenwort in l.Thess. 4, 16 f. auf Jesus
zurückgeht, scheitert schon an der 1. Person Plural, in der der
Spruch formuliert ist. Am stärksten aber sind die Bedenken gegen
die Deutung des Spruches „Rieht' auf den Stein und du wirst
mich dort finden, spalte das Holz und ich bin da" (Nr. 21). J. will
darin ein Lob der Arbeit finden: der erhöhte Herr erklärt, daß er
da sei, wo schwere Arbeit geleistet wird; die „panchristliche"
Deutung in der Überlieferung des Spruches sei sekundär. Aber der
Wortlaut des Spruches weist doch eindeutig darauf hin, daß Jesus
beim Stein und Holz, nicht bei dem Bearbeiter dieser Dinge ist;
und auch wenn das nicht der Fall wäre, könnte eine Verheißung
der Anwesenheit Jesu bei jedem schwer Arbeitenden ohne jede
Kennzeichnung der Haltung des Arbeitenden zu seiner Arbeit
nicht aus alter Überlieferung stammen. Dieses Wort muß m. E.
sicher aus der Zahl der alten Jesusworte gestrichen werden.

Wenn man so über die Beurteilung der behandelten Worte
mehrfach anderer Meinung sein kann, so bedeutet es auf alle Fälle
ein großes Verdienst, daß J. diese so wenig gekannten und behandelten
Texte erneut vorgelegt und interpretiert hat. Und niemand
wird ohne Schaden der Aufforderung ausweichen dürfen, anhand
des hier Erarbeiteten zu prüfen, inwiefern diese Texte zu
unserer Kenntnis der ältesten Jesusüberlieferung beitragen können
oder nicht.

Marburg/Lahn Werner Georg Kümmel

Maurer, Christian, Priv.-Dozent Dr. theol.: Ignatius von Antiochien
und das Johannesevangelium. Zürich: Zwingli-Vcrlag 1949. 107 S. 8°
= Abhandl. zur Theologie des Alten und Neuen Testaments, hrsg. v.
W. Eichrodt u. O. Cullmann. kart. sfr. 9.80.

Der Vf. hat sich die Aufgabe gestellt, den Beweis zu erbringen
, daß Ignatius das 4. Evangelium persönlich gelesen hat, obwohl
sich bei Ignatius kein einziges wörtliches Zitat aus dem Johannesevangelium
findet. Der Vf. behandelt im 1. Kapitel die
literarische Abhängigkeit des Ignatius vom Johannesevangelium.
Die Ausführungen über die Bedeutung der neuen Papyrusfunde
dienen der Feststellung, daß es zeitlich sehr gut möglich ist, daß
Ignatius das 4. Evangelium gekannt hat. Bei der stilistischen
Untersuchung der einzelnen Johanneszitate bei Ignatius kommt
der Vf. zu dem Ergebnis, daß Ignatius vielfach — und das sei
charakteristisch für ihn — verschiedene Zitate verschmilzt; es werden
nicht nur einzelne Worte und Sätze, sondern auch ganze
Abschnite umgestellt und kombiniert. Ignatius erscheint „als der
Anfang einer Entwicklung, welche auf die gnostisch-allegorische
Verwendung der biblischen Schriften zustrebt."

Im 2. Kapitel, das zum Gegenstand das theologische Verhältnis
des Ignatius zum Johannesevangelium hat, untersucht der
Vf. die mit den Begriffen „Wahrheit", „Einheit" und „Eucharistie
" gegebenen Sachverhalte. Es geht hier um die Fragen: Wieviel
johanncisches Gedankengut hat Ignatius mit dem Wortlaut
der johanncischen Zitate übernommen? Wie weit hat er sich

ihren Sinn unverändert angeeignet und in welcher Richtung hat
er ihn verändert? Dazu erklärt der Vf.: Das Verständnis der
„Wahrheit" ist bei Ignatius und Johannes ganz verschieden. Bei
Ignatius fehlt die Verwurzelung der Wahrheit in der Person Jesu.
Das Verhältnis zur Wahrheit ist nicht mehr das Treueverhältnis
zum persönlichen Christus, sondern das Verhältnis zu einer Lehre.
Die „Einheit" wird bei Ignatius als kultische Einheit bestimmt.
Am eindrucksvollsten sind die Ausführungen über die „Eucharistie
". In Joh. 6,51 c sieht der Vf. eine bewußte Verwendung der
Einsetzungswortc Jesu, in den Abschiedsreden und im hohenpriesterlichen
Gebet erkennt er eine Fülle von eucharistischen
Anspielungen. Nach einer eingehenden Erörterung von Joh. 6
stellt der Vf. die Frage: In welchem Sinn verwendet Ignatius die
aus Joh. 6 entlehnten Termini? Die Antwort lautet: Ignatius redet
, wenn er die Begriffe „Fleisch und Blut Christi" gebraucht,
wohl auch von der Sache des Abendmahls, aber Rom. 7,3 zeigt,
daß Ignatius darüber hinaus in der Abendmahlssprache von der
Sache des Martyriums spricht.

Das wichtigste Ergebnis seiner Untersuchung hat der Vf. in
dem Schlußabschnitt seines Buches zusammengefaßt: Johannes und
Ignatius sind,, nicht nur durch das Band eines gemeinsamen Sprach-
und Begriffsschatzes, sondern auch durch eine besondere Art,
andere Schriften zu zitieren, gekennzeichnet. Diese kombinierende
Methode geht auf ein Denken zurück, dessen Elemente „schon um
die erste Jahrhundertwende (Papyrus Egerton 2), wie auch später
(gnostische Apostelakten, Origenes, spätere Gnostiker usw.) in
gnostisch-beeinflußtcn Kreisen auftreten." „Ignatius ist mit Johannes
dadurch verwandt, daß er wie dieser Stellen und Geschichten
aus biblischen Schriften verwenden kann, indem er sie in
einem dem ursprünglichen ganz fremden Sinn verwendet." Das
heißt für Ignatius, daß er wohl an Johannes anknüpft, daß er aber
nicht im offenbarungsmäßigen Denken verankert ist. Während
Johannes, trotzdem er die Sprache der Gnostiker spricht, „bis ins
Tiefste hinein von alttestamentlich-biblischcm Geiste erfüllt ist",
klingt bei Ignatius nur „die gnostisch-hellenistische Komponente"
der Ausdrücke „Einheit, Wahrheit, Leben usw." an.

Berlin Johannes Schneider

Bauer, Walter: Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Sdniftcn des
Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur. 4., völlig
neu bearb. Aufl. 4.—10. (Schluß—) Lfg. Berlin: Töpclmann 1952.
Sp. 481—1634. 4". je Lfg. DM 5.80.

Nach langer Pause, in der der Druck stockte, sind die letzten
Lieferungen des Bauerschen Wörerbuchs schnell hintereinander
erschienen. Es liegt jetzt abgeschlossen vor. Was die neue Auflage
gleich zu Beginn versprach (vgl. ThLZ 195° Sp. 349 f.), hat
sie ganz erfüllt. Es erschiene mir müßig, noch einmal die Vorzüge
zu rühmen, die wir an diesem einzigartigen Werk alle kennen und
die im Gebrauch doch immer wieder von neuem hervortreten. Es
gibt darüber, soweit mir bekannt ist, in der ganzen gelehrten
Welt nur eine Stimme. Was an Berichtigungen beigebracht werden
konnte, war minimal; auch der schwierige Druck ist von größter
Sauberkeit.

Das Wörterbuch vereinigt in selten glücklicher Weise alle
praktischen Vorzüge eines bequemen Hilfsmittels mit der Fruchtbarkeit
einer wissenschaftlichen Leistung, die zur Mitarbeit nötigt
und weiterführt. Mit Recht warnt die Vorrede, das Buch nicht nur
zum „Nachschlagen" im engeren Sinn zu verwenden. Das, was zu
einer Stelle des Neuen Testaments beigebracht ist, findet sich
nicht immer unter einem einzigen Stichwort. „Zu Mk. 16, 8 beispielsweise
gehört ebensowohl ydp la als rpoßrofHu la." Da
sich das Erscheinen der letzten Lieferungen so lange hinauszog,
mußte auch manche neu gewonnene Belegstelle später angefügt
werden, „z. B. ein Beleg für Fmovoios hcim'j/tF.Qov". Es versteht
sich, daß solche kleine Unebenheiten nicht als Mängel gezählt
werden dürfen; sie zeigen ja nur, mit welcher Unermüdlichkeit
der Verf. die äußerlich „abgeschlossene" Arbeit immer noch
weiterführt.

Heute erscheint der Name des Fünfundsiebzigjährigen auf
dem Titelblatt mit dem längst verdienten philosophischen Ehrendoktor
geschmückt. Möchte er noch lange die Freude haben zu se-

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