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Ausgabe:

1953 Nr. 1

Spalte:

53-54

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Mott, John R.

Titel/Untertitel:

Laienaufgebot der Christenheit 1953

Rezensent:

Quaatz, Reinhold Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 1

54

Die karitative Diakonie, die N. als Referent im Zentralbüro
Ost des Hilfswerks gut kennt, ist für ihn bestimmt durch die
kirchengeschichtl. Entwicklung: „von der Staatskirche über die
Volkskirche zur Gemeindekirche" (35). „Die Verwandlung unserer
Gemeinden in lebendige Bruderschaften" (29), „die Erkenntnis
der diakonischen Verpflichtung der Einzelgemeinde" (28),
dies ist sein Hauptanliegen, wobei er sich auf namhafte Kirchenleiter
berufen kann (25—31). Er folgert daraus: „Die im Opfern,
Dienen und Helfen immer mehr tätig werdende und immer mehr
zur lebendigen Gemeinschaft zusammenwachsende Gemeinde ist Lebensfrage
einer Kirche, deren äußere Stützen zunehmend fortfallen
" (25). „Helferkreise sind ein wesentliches Element der. . .organisch
gegliederten Gemeinde" (31). Scharf zieht er die Grenzlinie
zwischen Diakonie und Innerer Mission: „Diakonie und I. M. berühren
und überschneiden . . . sich zwar, aber sie sind bei aller
Verwandtschaft zwei völlig selbständige Größen" (33). N. zitiert
Wichern: „Christianisierung des Volkes ist das letzte Anliegen
der I. M." (34); die I. M. ist ihm „eine Missionsbewegung stark
diakonischen Charakters" (35). Er urteilt wie Lilje: „Die I. M.
ist diejenige Provinz der Kirche, die ständig ihre Grenzen in
neue Gebiete vorschieben muß, die eines Tages selbstverständliches
Arbeitsgebiet der Kirche werden..." (36). Die Schrift
zeigt, daß es eine wichtige Aufgabe ist, der Diakonie der Gegenwart
eine gute theologische Grundlage zu geben.

Jena Erich Hertzsch

Mott, John R.: Laienaufgebot der Christenheit. (Übers, v. C. v. Prosch).
Stuttgart: Quell-Verlag [1951]. 80 S. = Schriftenreihe der Evang. Jugend
H. 4 kart. DM

Bei dem Namen des Verf. wird jeder evangel. Christ, vor
allem jeder Laie, aufhorchen. Was hat er uns zu sagen, der Altmeister
, dessen Arbeit mit dem Satze beginnt:

„Die lebendigsten und fruchtbarsten Zeiten in der Kirchengeschichte
sind die gewesen, da Laien von dem Bewußtsein ihrer Verantwortung
für die Ausbreitung des christlichen Glaubens erfüllt und ernsthaft bemüht
waren, danach zu handeln."

Der Übersetzer fragt:

„Warum hat man uns dieses Buch nicht schon vor fünfzehn
Jahren zugänglich gemacht? Vor 15 Jahren! Wann war das? Damals
war eine andere Welt, und diese Welt ist zusammengestürzt.
Es war die Welt Europas. Das Abendland beherrschte den Erdkreis
. Noch haben wir uns unter den Trümmern dieser abendländischen
Welt nicht zurecht gefunden. Heute können wir Sätze
wie: „Die Welt ist in den letzten Jahren zu einer Einheit geworden
, sie erkennt sich selbst als ein Ganzes" nicht mehr schreiben,
nicht einmal mehr mitdenken. Auch Mott lebte augenscheinlich
damals noch in der Vorstellung von der Mission des weißen Mannes
, vor allem der Angelsachsen (fast nur solche erwähnt er).
Christus der Welt zu verkündigen. Mit dem politischen und
wirtschaftlichen Vordringen des angelsächsischen Einflusses, mit

dem „geisterfüllten, geheiligten, gesunden Menschenverstand unternehmender
sorgfältiger Geschäftsleute sollten die geistlichen
Zwecke der christlichen Kirche verwirklicht werden".

Wohl hatte er schon, als er das schrieb, ein klares Auge für
die zerstörenden Wirkungen der westlichen Einflüsse.
Er zitiert:

„Der weiße Mann dringt nicht nur überall vor, sondern wohin er
kommt, wirkt er zerstörend."

Aber was er vom weißen Mann fordert, seine „Verchristli-
chung" steht unter dem Vorzeichen seiner Herrschaft.

„Wir werden dazu kommen, Christus zu den Völkern der nicht
christlichen Länder zu bringen, wenn wir unsern Einfluß auf die nichtchristliche
Welt besser verchristlichen."

Dieser Satz — meint Verf. — treffe ins Herz der Frage.
Heute können wir in ihm nur eine Illusion, eine verhängnisvolle
Illusion sehen. Haben die großen christlichen Nationen nicht ihren
„Einfluß auf die nicht christliche Welt" vertan und verloren,
weil ihnen die Welt mehr galt als Christus? Und was gilt ihnen
Christus heute?

Soweit wir zu sehen vermögen, ist der Traum von der Vorherrschaft
des weißen Mannes ausgeträumt — zum mindesten in
Europa. Sein geistiger Einfluß ist schneller gesunken als der politische
und wirtschaftliche.

Noch ein anderer Traum lastet auf uns, die Utopie von
der Überlegenheit unserer Zeit. Unser Wissen, so glauben wir,
habe unermeßlich zugenommen und damit unsere Erkenntnis.
Mott zitiert einen englischen Bischof:

„Sind wir nicht auf einem Punkte angekommen, da wir eines neuen
Vorgehens bedürfen? Die unermeßliche Zunahme menschlichen Wissens
vom Mechanismus des Weltalls und seines Wachstums. . . und nicht weniger
an Möglichkeiten in der Macht des Menschen, dessen Kräfte zu
beherrschen und zu lenken, all das hat eine Lage geschaffen, der wir
nicht gewachsen sind, ohne daß auch unsere Begriffe von Gott eine Erweiterung
und Ausdehnung erfahren. Wir können die heutige Welt
nicht überwachen mit den gestrigen Vorstellungen von dem Geist, der
sie erschaffen hat, bewohnt und erhält. Wir müssen Ihn so groß sehen,
wie Paulus von Ihm gezeugt hat — über allen, durch alle und in allen."

Sind die Vorstellungen des modernen Menschen wirklich
die des Apostels? Bedeutet dieser nicht Umkehr und Einkehr
für jenen?

Entweder nehmen wir unsere Begriffe von Gott aus der
„unermeßlichen Zunahme unseres Wissens" oder aus der Offenbarung
des Herrn. Entweder ist diese Quell der Wahrheit oder
jene — entweder Vernunft oder Offenbarung. Gewiß auch die
deutsche Theologie unserer Tage krankt und schwankt hier unter
der Anfechtung uralten Zweifels. Gerade in der Laienschaft
wird das schwer empfunden; denn hier handelt es sich um letzte
Fragen des Glaubens.

Es ist hier nicht der Ort, darauf einzugehen; aber wer John
Mott liest, wird auf diese Entscheidung gestoßen.

Berli" R. Quaatz

VON PERSONEN

Herbert Girgensohn zum 65. Geburtslage

Am 9. Oktober 1952 hat Herr Pastor D. Dr. Herbert Girgensohn,
hauptamtlicher Dozent für Praktische Theologie an der Theologischen
Schule Bethel, seinen 65. Geburtstag gefeiert. Girgensohn ist 1887 in
Wolmar, Livland, als Pastorensohn geboren, hat nach dem Studium der
Theologie und Philosophie 1913 in Erlangen zum Dr. phil. promoviert
»nd war von 1915 bis 1918 Vikar des Sprengcls Wolmar. 1921 wurde
er Oberpastor an der deutschen evangelisch-lutherischen St. Petri-Kir-
*e zu Riga und 1927 Dozent für praktische Theologie am Herder-
'nstitut daselbst. 1934 verlieh ihm die evangelisch-theologische Fakultät
der Universität Königsberg den Titel eines Ehrendoktors. Von 1939
ab hat D. Girgensohn als Pastor an zwei evangelischen Gemeinden in
Posen gewirkt, vom Herbst 1945 ab als Pastor an der St. Marienkirche
'n Lübeck. Der dringenden Bitte des damaligen Leiters der von Bodel-
"chwingh'schcn Anstalten, Pastor Friedrich von Bodelschwingh, die Dozentur
für Praktische Theologie an der Theologischen Schule in Bethel
zu übernehmen, folgte er im November 1946. D. Girgensohn hat seitdem
in praktisch-theologischen Kollegs und Seminaren und in der
theologisch-psychiatrischen Arbeitsgemeinschaft und durch sein seel-
sorgcrlichcs Wirken innerhalb der Studentengemeinde und darüber
hinaus eine bedeutsame Tätigkeit an der Kirchlichen Hochschule Bethel
entfaltet, deren stellvcrtetender Leiter er seit 1950 ist. Schon in seiner
Heimatkirche als pastor pastorum bekannt, ist Pastor D. Girgensohn in
der Umbruchzeit, durch die wir gegangen sind, in einer viel umfassenderen
Weise zur Ausübung dieses besonderen Charismas gerufen worden.

Das Dozentenkollegium der Theologischen Schule hat D. Girgensohn
das Jahrbuch 1952 „Wort und Dienst", Neue Folge Bd. 3, als
Festschrift überreidit. Die Festschrift enthält folgende wissenschaftliche
Beiträge:

Alfred Adam: Das Sintflutgebet in der Taufliturgie.
Wilhelm Brandt: Wicherns Ringen mit den sozialen Problemen
seiner Zeit.

Johannes Fichtner: Vom Psalmenbeten.
Gerhard Friedrich: Geist und Amt.