Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1953

Spalte:

705-718

Autor/Hrsg.:

Mühlmann, Wilhelm E.

Titel/Untertitel:

Das Problem des Urmonotheismus 1953

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4, Seite 5, Seite 6, Seite 7

Download Scan:

PDF

/

Ciieologtfdie iüeraturjettung

ll&onatefdtittft für Das gesamte (Bebtet lier Cljeologte und KeKötoniöäJtffenfdbaft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D.KURT ALAND, HALLE «BERLIN

N UM 31 ER 12 78. JAHRGANG DEZEMBER 195$

Spalte

Das Problem des Urmonotheismus.

Von W. E. Mühlmann........705

Toleranz, eine Form der Auseinandersetzung
der Religionen.

Von Oustav Mensching.......717

DieReligionsgeschichtealsWegbereiterin
für die Zusammenarbeit der Religionen.

Von Friedrich Heiler........727

Spalte

Origenes und die hellenistischen

Religionen. Von Carl Schneider . . . 741

Die Frage der Entmythologisierung im
Lichte der Religionsgeschichte und in der
Problemstellung der Missionsreligionen.

Von Kurt Ooldammer.......749

Spalte

Berichte und Mitteilungen:

Die 3. Jahrestagung des Deutschen Zweiges
der Internationalen Vereinigung für das Studium
d. Religionsgeschichte (Käthe Neumann) 765

Zum vorliegenden Heft.......767

g>ont>eri)eft ^eltgtonötotffendijaftltcjjer liongre^ Harburg 1953

Das Problem des Urmonotheismus

Von W. E. M ü h 1 m a n n, Mainz

Wissenschaftler versuchte er, das Kulturkreisschema durch ein

I.

Urmonotheismus nennt man die Lehre, daß bereits die älteste
Menschheit den Glauben an Einen Gott gekannt habe. In
der Religionswissenschaft ist diese Lehre schon ziemlich alt, sie
geht auf den Jesuitenmissionar J. F. Lafitau (1670—1740) zurück
. Im 19. Jhdt. kamen andere Theorien zur Herrschaft. Eine von
diesen, besonders von dem britischen Ethnologen E. B. T y 1 o r
vertreten, stellte den Seelcnglauben an den Anfang- der religiösen
Entwicklung (Animismus); dem widersprachen in jüngerer
Zeit andere Ethnologen, in Deutschland vor allem K. Th. P r c u ß,
der im Zauberglaubcn, der „Magie", den Anfang erblicken wollte.
Schon vorher war auch Lafitaus Urmonotheismus, zwischendurch
vergessen, wieder aufgetaucht, nämlich bei dem schottischen
Romancier Andrew Lang („The Making of Religion", 1898), der
aber nicht direkt von Lafitau beeinflußt war, sondern von deutschen
Romantikern wie Friedrich C r e u z e r und Otfried M ü 1-
1 e r. Lang war selbst eine Art Nachromantiker, und in seiner
Theorie fehlen die romantischen Elemente nicht. Er schrieb nicht
nur religionswissenschaftliche Bücher, sondern auch Novellen
und Jugendbücher poetischen Charakters, und war überhaupt als
Literat zu seiner Zeit berühmt. In seiner Urmonotheismustheorie
griff er auf A. W. H o w i 11 s Feldforschungen unter den Südostaustraliern
zurück, bei denen letzterer die Vorstellung eines
„höchsten Wesens" entdeckt hatte. Da die australischen Eingeborenen
eine sehr altertümlich anmutende Kultur haben, meinte
Lang, der Monotheismus sei nunmehr als älteste Religion der
Menschheit erwiesen; Polytheismus, Dämonen- und Geisterglaube
und Zauberei seien dagegen spätere degenerative Wucherungen.

Lang als Religionsforscher ist wiederentdeckt worden von
P. Wilhelm Schmidt, S. V. D., der, an ihn anknüpfend, eine
eigene Theorie des Urmonotheismus in den ersten sechs Bänden
seines Werkes „Der Ursprung der Gottesidee" (Band I l.Aufl.
1913, Band VI 1935) entwickelt hat. Schmidts Aktivität ist eine
vierfache: l) Als Religionswisscnschaftler hat er die Lehre vom
Glauben an Einen Gott als ältester Religion der Menschheit vorgetragen
und diese zugleich als katholischer Theologe durch die
Lehre von der „Uroffenbarung" Gottes zu unterbauen versucht.
2) Als Völkerkundler bekämpfte Schmidt den „Evolutionismus"
des 19. Jhdts. und trug, in Anlehnung an F. Gräbner, eine
kulturhistorische Schichtcnlehre (Kulturkreislehre), gestützt auf
die Gräbnerschc „kulturhistorische Methode", vor. 3) Als Sprachkorrelatives
System von „Sprachenkreisen" zu unterbauen.
4) Als Organisator endlich schuf sich Schmidt in der Zeitschrift
„Anthropos" ein Publikationsorgan, begründete eine Schule, und
ermunterte eine große Anzahl von Missionar-Forschern, hinauszuziehen
und Kultur, Religion und Sprachen der Eingeborenen zu
erforschen. Die bekanntesten dieser Forscher sind P. Wilhelm
K o p p e r s, P. Martin G u s i n d e und P. Paul Schebesta
(alle S. V. D.) geworden. Alle diese Betätigungen liefen nicht
beziehungslos nebeneinander her, sie stützten sich vielmehr gegenseitig
; auch wird immer mehr erkennbar, daß die Urmono-
the>ismustheorie ein Kernstück aller dieser Bestrebungen ist.

Hat diese Lehre allgemeine Anerkennung gefunden? Wenn
man ihre eigene publizistische Aktivität betrachtet, könnte es
so scheinen. Es ist deshalb vielleicht angebracht darauf hinzuweisen
, daß die meisten Religionswissenschaftler ihr widersprochen
haben, wir nennen den Schweden Nathan Söderbio m, den
Niederländer G. van der Leeuw, den Italiener R. P e 11 a z-
z o n i und den Deutschen J. W. Hauer. Noch stärker ist der
Widerspruch von ethnologischer Seite (K. Th. Preuß, A. E. Jensen,
Paul Radin), selbst wohlwollende Kritiker (wie der dänische
Eskimoforscher W. Thalbitzer und der nordamerikanische Ethnologe
R. H. Lowie) haben ihre Bedenken nicht verborgen, und
sogar im Kreise Schmidts selbst sind schwerwiegende Bedenken
geäußert worden (A. Closs). Dennoch tritt die Theorie unter
Beiseiteschiebung aller Einwendungen mit dem Anspruch auf
wissenschaftliche Gültigkeit auf, und sie ist neuerdings sogar in
populärwissenschaftlichen oder doch für breitere Kreise bestimmten
Werken dargestellt worden. Die Tatsache, daß Schmidt
selbst im Rahmen einer neuen Darstellung der Weltgeschichte
(Historia Mundi Bd. I 1952) den Monotheismus der Urmenschheit
als eine historische Tatsache glaubte darstellen zu
dürfen, beweist den Anspruch der Theorie auf universale und
unbestrittene Geltung. Mithin besteht heute erneut ein Anlaß,
diesen Anspruch auf seine Berechtigung hin zu prüfen. Zum Teil
wird man dabei frühere Kritik wiederholen oder präzisieren müssen
. Zudem ist aber auch bei früheren Kritikern die Unklarheit
über die Möglichkeiten einer historischen Projektion des völkerkundlichen
Materials zurück in die Perioden einer angeblichen
„Urkultur" und „Urreligion" so groß, daß es erwünscht erscheint,
hierüber grundsätzliche Klarheit zu schaffen. Ferner ist die Frage
zu erörtern, wie weit überhaupt die Begriffe unserer eigenen theo-

U:Ö.TUa.

706