Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1953 Nr. 11

Spalte:

695-696

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Jantzen, Hermann

Titel/Untertitel:

Die jüdische Auffassung vom Zwischenzustand und ihre alttestamentlichen Voraussetzungen 1953

Rezensent:

Jantzen, Hermann

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

695

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 11

696

Hamann, Gustav: Nomismus und Antinomismus innerhalb der
Wittenberger Theologie von 1524—1530. Diss. Bonn 1952 (Ref.
Bizer).

In einer historischen Einleitung zeigt die Arbeit das erste Auftreten
der später wirksamen Kräfte: Neben und aus Luthers reformatorischer
Theologie entfalten sich ein nomistischer und ein antinomisti-
scher Typ innerhalb der Wittenberger Theologie. Das 1. Kapitel zeigt
den Ansatz der Theologie Johann Agricolas (Eisleben) in der Zeit bis
1527. A. geht ganz von Luthers Christus-Anschauung aus, kann aber
die Mitte der reformatorischen Theologie, die Einheit von Wort, Christus
und Kreuz, nicht festhalten. So wird er dazu gedrängt, die Para-
doxien von Luthers Aussagen durch historische, rationale und ethische
Veranschaulichung aufzulösen, das Gesetz ganz hinter dem Evangelium
zurücktreten zu lassen und also einen antinomistischen Typ in der
Wittenberger Theologie zu entwickeln.

Das 2. Kapitel schildert den Verlauf des 1. Antinomerstreites.
Melanchthons (für die sächsische Kirchenvisitation von 1527 ausgearbeiteten
) Visitationsartikel zeigen deutlich den nomistischen Flügel
der reformatorischen Theologie: Vor dem Evangelium muß das (psychisch
wirksame) Gesetz gepredigt werden; erst wenn es so zu echter,
innerer Reue in der Buße gekommen ist, kann der Glaube geschenkt
werden. Es folgen Agricolas Kritik und Gegenschrift, die weitere Debatte
und Luthers Schiedsspruch.

Das 3. Kapitel zeigt das Echo des Streites und die Behandlung der
umstrittenen Punkte durch Melanchthon in der C A, gibt eine Zusammenfassung
und versucht auf die Frage, warum Luther sich Melanchthons
Nomismus gegenüber so tolerant verhielt, eine theologische
Antwort zu geben.

J a n t z e n, Hermann: Die jüdische Auffassung vom Zwischenzustand
und ihre alttestamentlichen Voraussetzungen. Diss. Kiel 1953.
Die Diss. beschäftigt sich mit den jüdischen Vorstellungen vom
Zwischenzustand, dem Zustand, der für die Seelen oder die Personen
mit dem Tode des Menschen beginnt und in Gericht oder Auferstehung
seinen Abschluß findet, und fragt dabei besonders nach dem „Wie"
der Existenz in ihm. Die alttestamentlichen Vorstellungen werden dabei
jeweils zuerst dargestellt. Da das Judentum auf diesem ganzen Gebiet
nicht einheitlich urteilt, sondern zwei verschiedene, gegensätzliche
Auffassungen vertritt, sind zunächst zwei Hauptteile gefordert. Der erste
behandelt die Seelenvorstellung des Judentums, nach der die Seele Träger
des jenseitigen Schicksals des Menschen ist. Die Frage nach den alttestamentlichen
Voraussetzungen führt dabei zur Untersuchung des Begriffes
nephes, da dieser von der LXX meist mit psyche übersetzt wird,
dem Wort also, das im Judentum für den Begriff „Seele" gebraucht
wird. Das Ergebnis ist, daß nephes mit der Seelenvorstellung nichts
zu tun hat, sondern in die ganzheitliche Auffassung von Menschen
gehört, die den Menschen als Einheit und Ganzheit versteht, und nicht
als Gegensatz von Leib und Seele, und die nephes streng an den Leib
bindet, beide als Einheit sehend, und nicht unabhängig voneinander.
Der Blick auf das Spätjudentum zeigt, daß dort psyche einmal im Sinne
von nephes, also im ganzheitlichen Sinne, und dann auch als Seele verstanden
werden kann. Beide Gebrauchsarten stehen einfach nebeneinander
. Im Rahmen der Seelenvorstellung wird die Seele zum Träger
des Personseins des Menschen und zum Objekt der jenseitigen Vergeltung
, und es kommt zu einem Zwischenzustand der Seelen.

Der zweite Hauptteil wendet sich der Unterwelt (Scheol und Hades
) zu und stellt fest, daß die Vorstellung von der Unterwelt ihrem
Wesen nach in die ganzheitliche Auffassung gehört, denn hier wird die
Person als solche nach dem Tode im Jenseits gedacht. Daß es hierbei

nicht zur Unterscheidung von Leib im Grab und Existenz im Jenseits
(Unterwelt) kommt, hat seine Ursache darin, daß Grab und Unterwelt
ineinander übergehen und systematisch nicht streng geschieden werden.
So kommt es zur Vorstellung einer personhaften Existenz nach dem
Tode, wobei sogar eine Leiblichkeit angenommen wird, und zwar ist
es die volle irdische Person, die dort existierend gedacht wird, was
auch für einen Teil der Stellen gesagt werden kann, die ihren Blick
nur auf das Grab richten. Mit einem Kapitel über eine auf andere
Weise erfolgende Überwindung des Todes durch den Glauben schließt
dieser Hauptteil.

Ein dritter Hauptteil behandelt die Auferstehungshoffnung und
die Erwartung eines im Jenseits stattfindenden Gerichts, um von daher
auf den Zwischenzustand schließen zu können, und gelangt zu dem
Ergebnis, daß auch von daher der Zwischenzustand als ein Aufbewahrungszustand
erscheint, in welchem für den Menschen eine wirkliche
personhafte Existenz angenommen wird. Der Tod bedeutet also für
das Judentum nicht Vernichtung der Existenz, sondern nur Wechsel des
Ortes und Änderung der Existenzmöglichkeit, was auch dort seine Bestätigung
findet, wo auf den Zwischenzustand selbst eingegangen wird.

Kalb, Friedrich: Die Lehre vom Kultus in der lutherischen Kirche zur
Zeit der Orthodoxie. Diss. Erlangen 19 50 (Ref. Eiert, Korref. Althaus
), 199 S.

Die Auflösung der gottesdienstlichen Formen in der lutherischen
Kirche von der Zeit der Orthodoxie bis hin zum Rationalismus läßt
nach ihren inneren Gründen fragen. Gleichzeitig vollzog sich ja auch
in der Theologie ein Abbauprozeß, der durch das Anwachsen der Vernunfttheologie
und damit durch die Auflösung der Offenbarungstheologie
gekennzeichnet ist. Die Epoche der lutherischen Orthodoxie hat
an dieser Entwicklung unbestreitbar Anteil, wie auch sonst, besonders
In den Fragen „Gesetz und Evangelium", bisweilen die reformatorische
Linie von ihr verlassen wurde. So ist man versucht, den Verfall der
gottesdienstlichen Formen ebenfalls als Folgeerscheinung dogmatischer
Erweichungen zu sehen. Dem ist aber keineswegs so, wie sich der Verfasser
der vorliegenden Untersuchung aufzuzeigen bemüht. Die gottesdienstlichen
Anschauungen Luthers finden in der Orthodoxie ihre systematische
Verarbeitung und Vertiefung. Wenn auch die altprotestantische
Dogmatik keinen eigenen Locus „De cultu" kennt, so läßt sie
die Lehre vom Gottesdienst, der das „christliche Ereignis überhaupt"
(Asmussen) ist, sich durch das ganze dogmatische System hinziehen
und hat damit jene die ganze Theologie übergreifende Bedeutung des
Kultus klar herausgestellt. So bricht nun durch das ganze System hindurch
fortgesetzt die Beziehung zum Gottesdienst hervor. Der cultus
internus ist die Grundhaltung für jeden Christen schlechthin, darf aber
freilich nicht dahingehend mißverstanden werden, daß der „äußere und
öffentliche Gottesdienst" zumal im Zusammenhang mit den im 17. Jahrhundert
üppig wuchernden mystischen Ideen verflüchtigt und für bedeutungslos
erklärt wird. Auch die recht verstandene Unio-mystica-
Lehre stellt keinen Einbruch in die reformatorischc Gottesdienstauffassung
dar. Wenn die altprotestantische Theologie den Kultus zumeist
auch nur nomistisch begründet hat, so hat sie doch die verhängnisvolle
liturgische Entwicklung nicht verursacht und die hauptsächlich aus
dem Pietismus einströmende liturgiezersetzende Tendenz scharf abgewehrt
. In diesem Zusammenhang wird auch wieder deutlich, daß das
Fehlurteil von der toten, erstarrten Orthodoxie nicht haltbar ist. In
der theologischen Literatur, wie auch in den zahlreichen Erbauungsund
Reformschriften der alten Dogmatiker tritt ihre Freude am Gottesdienst
und ihr eifriges Bemühen um die Erhaltung des Bestehenden
deutlich heraus.

VON PERSONEN

Das Lebenswerk Karl Beths

Am 12. 2. 1952 hat Karl Beth in Chikago, wohin er seiner emigrierten
Familie im Sommer 1939 nachgefolgt war, sein 80. Lebensjahr
vollendet. Dort lebt er noch in bemerkenswerter geistiger und
körperlicher Rüstigkeit, nachdem er fast ein Jahrzehnt lang in Chikago
selbst und an anderen Universitäten als theologischer Lehrer tätig
war. — Sein Lebenswerk ist abgeschlossen und gestattet nun eine
zusammenfassende Übersicht. Beth selbst hat 1926 in dem Sammelband
„Die Religionswissenschaft der Gegenwart" (herausgegeben von
Erich Stange, Verlag F. Meiner-Leipzig) eine Selbstdarstellung veröffentlicht
, die über seinen äußeren und inneren Werdegang und die Forschungsziele
, die ihm vorschwebten, erwünschte Auskunft gibt. 1872 als
Sohn des damaligen Schulleiters in Förderstedt geboren, hat er in
dem frommen Elternhause dort und hernach in Stendal (wo der Vater
Rektor wurde) eine sorgfältige Erziehung genossen und insbesondere
das kleine Leben in der Natur beobachten gelernt, Herbarien,
Terrarien, Aquarien angelegt und sich ein dürftiges chemisches Labora-

j torium eingerichtet, alsbald auch für die alten Sprachen eine besondere
Liebe empfunden, um sich schließlich durch die deutsche klassische Literatur
(Lessing, Herder, Goethe) nachdrücklich auf Philosophie und
Theologie hingewiesen zu sehen, zumal dem heranreifenden Gymnasiasten
ein guter Religionsunterricht zuteil wurde. „Wir empfanden

es wohltuend, daß da ein Mann vor uns stand (Karl Steycr) und
gleichsam mit uns arbeitete, mit uns rang, der nie etwas aufoktroyieren
wollte, sondern alles der eigenen, von ihm gewissenhaft unterstützten
seelischen Entwicklung überließ..." Der 18jährige Beth wollte
also auch Religionslehrer werden und ging für ein Semester nach Tübingen
und sodann bis zum Examen nach Berlin Theologie studieren.
A. Harnack, Pfleiderer, Dilthey waren seine Hauptlehrer. 1897 wurde