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Ausgabe:

1953 Nr. 11

Spalte:

683-685

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Haack, Hans Georg

Titel/Untertitel:

Die Amtshandlungen in der evangelischen Kirche 1953

Rezensent:

Nagel, William

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683 Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 11 684

tisch-theologischen und dem dogmatischen Anliegen des Nygren-
schen Traktates fühlbar. Mit einem Bekenntnis zur lutherischen
Kirche und dem schönen Satz, daß Gott nicht nur ein Gott
derer ist, die an ihn glauben, schließt das inhaltsreiche Büchlein
, das dem Geistlichen das Freudevolle und Erhebende seines
Berufes in der Verkündigung der Botschaft von Christus vor
Augen stellt.

Erlangen Hans Qrass

PRAKTISCHE THEOLOGIE

H a a c k, Hans Georg: Die Amtshandlungen in der evangelischen
Kirche. 2., neubearb. Aufl. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [Lizenzausgabe
des Leopold Klotz Verl., Gotha] 1952. 174 S. 8°. Lw. DM 6.—.

Die durch Wünsche von vielen Seiten veranlaßte Neuautlage
des zuerst 193 5 erschienenen Buches erweist, daß es noch immer
eine Lücke in der praktisch-theologischen Literatur schließt. Das
gilt auch nach dem Erscheinen der zweiten Auflage von Riet-
schels Lehrbuch der Liturgik; denn das Buch von H. greift wesentlich
über die Aufgabe einer (hier natürlidi nur in Auswahl
möglichen und nötigen) liturgiegeschichtlichen Darstellung hinaus
. Es will dem Anfänger im Amt eine fundierte Einführung in
den gesamten Komplex „Amtshandlungen" geben, damit eine
Aufgabe wahrnehmend, der die Praktischen Theologen im akademischen
Lehramt sich bei der Bedeutung der Amtshandlungen
im pfarramtlichen Wirken vielleicht ganz anders annehmen sollten
. Das Buch vermag darüber hinaus gerade dem „routinierten"
Praktiker zu neuer Versenkung in die vielseitige Problematik
der Amtshandlungen und damit zu heilsamer Erschütterung einer
allzugroßen Sicherheit zu helfen.

Nachdem zunächst einführend über diese Problematik und
deren Bedeutsamkeit gehandelt ist, ergeben sidi von hier aus
ernste Forderungen an die Zurüstung des Pfarrers zu jeder einzelnen
Amtshandlung. Danach werden in fünf Kapiteln Taufe,
Konfirmation, Trauung, kirchliche Bestattung und Kranken-
abendmahl behandelt. Der Aufbau jedes Kapitels ist der gleiche:
zunächst werden die liturgiegeschichtlichen Zusammenhänge dargestellt
, danach in einer kirchenkundlichen Umschau das Gefüge
der betr. Kasualie in anderen Konfessionen und verschiedenen
Kirchengebieten umrissen. In einem weiteren Abschnitt wendet
sich der Verf. auf der Grundlage der geltenden Preußischen
Agende und des Agendenentwurfes von 1931 den für die Gestaltung
jeder Amtshandlung gegebenen Möglichkeiten zu,
diese aus anderen Agenden und nach eigenen Versuchen vielfach
ergänzend. Diesem Teil wird man naturgemäß mit einer
gewissen Zurückhaltung begegnen. Es ist dankenswert, daß auch
kirchenmusikalische Möglichkeiten in den Gesichtskreis des Lesers
treten; man vermißt freilich neben der Erwähnung Schöberleins
in der Literaturübersicht das „Handbuch der Deutschen
evangelischen Kirchenmusik", das speziell in der Reihe der Sonderdrucke
aus dem II. Band „Das gesungene Bibelwort" wertvolles
Gut zur Hebung der oft noch so sehr im argen liegenden
Kirchenmusik bei Kasualien bereitstellt. In einem letzten Abschnitt
wird dann jeweils die Aufgabe der betr. Kasualrede behandelt
. Der Verf. scheint mir dabei eine gesunde grundsätzliche
Einstellung zu vertreten: gegenüber allen hochkirchlichen Bestrebungen
auf Verdrängung der freien Rede aus der Taufe, der
Trauung, der Bestattung hält er an ihr fest, um freilich zu betonen
, daß nicht sie, sondern die liturgische Handlung das Herzstück
der Kasualie darstelle. Wir müssen es in jedem Fall begrüßen
, wenn angesichts eines bibel- und gottesdienstentwöhntjn
Geschlechtes die Notwendigkeit eines Brückenschlages zwischen
„dem Wort" und dem Standort der Hörer in Gestalt freier Verkündigung
nicht in Frage gestellt wird; wir könnten sonst einer
Magisierung des sakralen Wortes Vorschub leisten. Jenem Anliegen
der Vergegenwärtigung des Wortes entspricht es auch,
wenn der Verf. die Aufgabe der Kasualrede darin sieht, sich auf
dem schmalen Grat zwischen der Scylla einer Religiosierung persönlicher
Lebenssituationen und Daseinsbeziehungen und der in
diesem Fall als „Charybdis" zu bezeichnenden völlig objektiven
Wortverkündigung zu bewegen. Von unserm Wegbereiten

durch menschlich verstehende und gütige Worte wird zwar
des von uns zentral zu bezeugenden Evangeliums Wirkung nicht
abhängen, aber es könnte sein, daß wir ohne jenes Bemühen
als solche erfunden würden, die nicht alles in ihre Verantwortung
Gegebene in des Evangeliums Dienst gestellt haben.

Die dankbare Anerkennung, die das Buch verdient, soll nidit dadurch
gemindert werden, daß der Kritiker nun auch Bedenken anzumelden
hat. Zunächst sei zu dem dem Verf. so wichtigen Symbolcharakter der
Amtshandlungen bemerkt: bezüglich der laute scheint mir das ungenügend
, wenn er ihrem Wesen als Sakrament dadurch gerecht zu
werden glaubt, daß er hier das symbolische Handeln als „die nach
altem liturgischem Christenbrauch gegebene Begleitung des Handelns
Gottes in Christus an uns" (S. 18) erläutert. Der Begriff „Begleitung"
wird der konstitutiven Bedeutung auch des Elementes für das Sakrament
nicht gerecht. Luther hat uns im Gr. Katechismus gewarnt, „beileibe
die zwei, Wort und Wasser nicht voneinander trennen zu lassen
"; er sieht das Wasser „mit Gottes Wort und Ordnung verleibet"
und kann es geradezu ein „Gotteswasser" nennen (WA 30l, S. 214 f.,
213).

Auf eine Forderung des grundsätzlichen Teiles möchte ich dagegen
mit besonderer Zustimmung hinweisen, nämlich aut die prinzipielle
Lokalisierung der Amtshandlungen im Kirdienraum als Feiern der Gemeinde
(,S. 19;. Hottentlich geht davon ein weiterer Anstoß aus, in
einer wadisenden Zahl von Gemeinden die entsprechenden Folgerungen
zu ziehen.

Gegenüber der Erwägung auf S. 3 5 (vgl. auch S. 61 f.), ob man
nicht in dem Grade, in welchem „die Voraussetzung für eine wahrhaftige
Übung der Kindertage weiter verloren gehen sollte [sc. durch
Anti- oder Akirchlichkeit der Eltern], unsere Tautpraxis starker zur
Erwachsenentaufe verlagern" müßte, inöditc ich meinen, daß wir den
Zugang zum Sakrament möglichst keinem Kinde, das uns gebradit wird,
versperren, sondern der im Sakrament zuvorkommenden Gnade dodi
etwas zutrauen und im übrigen unsere Verpflichtung als Kirche zu hingebendem
katechetisdiem Dienst praktizieren sollten; dann könnte
das Evangelium wohl den Zugang zu manch jungem Leben auch ohne
Beteiligung außerhalb der Kirche stehender Eltern finden, wie das im
Grund bei vielen Kindern aus kirchlidi gleidigülügen Häusern heute
bereits audi nicht anders istl Der Punkt, an dem einer „wahrhaftigeren
Tautpraxis" der Weg gebahnt werden könnte, wäre dagegen eine
Neubesinnung auf die Bedeutung des Patenamtes, mit dessen Zerfall
der Zerfall von Luthers Taufordnung Hand in Hand geht, und dementsprechend
die Beteiligung der Kirche an der Auswahl der Paten. Dann
würden auch die vom Verf. kritisierten Fragen an die Paten (statt des
Kindes) bei der Abrenuntiation in der Preuß. Agende Formular 1 (S. 4 3)
wieder begriffen als ein Ausdruck der glaubenserfüliten Liebe des Paten
, welcher aus solchem Glauben heraus wagt, stellvertretend für das
Kind zu handeln. Freilich muß der Pate seinerseits sich im Klaren darüber
sein, wie ein soldies Wagnis nur auf Grund des Vertrauens auf
den sich im Sakrament realisierenden Gnadenwillen Christi möglich
wird. So verstanden wird zugleich der Einwand des Verf. gegen die
Abrenuntiation hinfällig: „Die Fragen an den Säugling setzen die
menschliche Absage von dem Teufel wie eine Bedingung vor die Gnade
Gottes" (S. 53).

Nicht nur bei der Taufe mit ihrem „allzu nüchternen Charakter"
(S. 62) findet sich im Abschnitt über die iiturgische Gestaltung der Ge-
siditspunkt des „liturgisch Reicheren und Weihevollen" (S. 54). Er
kann sogar bei der Konfirmation zur Einfügung von Versen Marie
Sauers und Karl Geroks führen, denen man „gute Wirkung" (also rein
als Stimmungsträger!) zutraut (S. 93 f.). Darum sind diese liturgischen
Teile auch zweifellos die schwächsten des Buches. Sie beweisen nur
wieder, wie nötig gerade auch für die Amtshandlungen die baldmögliche
Wiedereinführung verbindlicher Formen ist, für deren Gestaltung
allein strenge Sachgebundenheit und eine ihr entsprechende Sprachgestalt
maßgebend sein dürfen I Wenn der Verf. glaubt, für die Konfirmation
in ihrer jetzigen Form geltend machen zu können, „daß die
meisten Geistlichen gerade die Konfirmation mit besonderer Freudigkeit
abhalten" (S. 74), so möchte ich dem nicht nur aus eigener langjähriger
pfarramtlicher Praxis ganz entschieden widersprechen. Wir
können die Familien in unseren Gemeinden zählen, die in Übereinstimmung
mit einem verantwortungsbewußten Unterridit die innere
Voraussetzung dazu bieten, daß die Konfirmation wirklich „zu einer
die christliche Jugend in eine neue Verantwortung hineinstellenden
Feier ernsten Willens und fröhlichen Bekennens" (S. 76) wird. Demgegenüber
sdicint mir die große Nüchternheit befreiend und wegweisend
, mit der die VELKD in ihrer auf der Flensburger Synode 1952
beschlossenen Konfirmationsordnung die Konfirmation ganz am Inhalt
der Erwadiscnentaufe ausrichtet und ihr Schwergewicht von weittragenden
Versprechungen auf die Fürbitthandlung verlagert, die die Bewahrung
der jungen Christen im rechten Glauben von Gott erbittet.
So richtet sich hier die Kritik nicht nur gegen den Verf., sondern auch
gegen die seinen Vorsdilägen zu Grunde liegenden unzulänglichen For-