Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1953

Spalte:

682-683

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Nygren, Anders

Titel/Untertitel:

Das lebendige Wort Gottes 1953

Rezensent:

Graß, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

681

682

kcit ist auch hier die Rede, da der Mensch in der Wirksamkeit
des Heiligen Geistes Objekt und Subjekt des Heiligen Geistes
zugleich ist (143). In diesem Lichte ist dann auch die Taufe zu
sehen. Der Schluß lenkt zum Anfang zurück: „Ich füge mich ein
in die unübersehbare Schar und will mit meinen Vätern und
meinen Enkeln und mit allen Seligen und Vollendeten leben
im Raum der Kirche" (189) —, so spricht der Ausleger des Credo
es — am Ende des letzten Abschnittes, der die Wirklichkeit
ecclesia (und in ihr das Abendmahl) als die der „leibhaften
Gestalt der Gnade" (165) besingt, — denen vor, die er auf dem
Wege der Zusage an die Wahrheit mitgenommen haben möchte.

Es bedeutet einen schmerzlichen Verzicht, die einzelnen Ausführungen
In diesem Rahmen nicht näher reproduzieren zu können. Statt
dessen halte idi gerade im Interesse der dankbaren Bejahung dieser
„kirchlidicn Dogmatik" in ihrer Konzeption und ihren Einzelerkcnnt-
nissen ein paar Anmerkungen für angebracht:

1. Ist es wirklich wohlgctan, die Reihenfolge der einzelnen Aussagen
des Credo so zu andern, wie es hier geschieht? Ist — um des
Credo willen/ — diese Korrektur des Credo nötig? Sind die Umstellungen
um der Leser willen, denen dieses Buch doch offensichtlich eine
Glaubens- und Erkenntnishilfe sein soll, wirklich ratsam? Kann man der
Gefahr, daß die Rede von den letzten Dingen zu kurz komme, nicht
anders entgehen, als daß man die resurrectio mortuorum und die vita
venturi sacculi aus ihrem originalen Zusammenhange herauslöst — um
den Preis, daß statt dessen der Spiritus sanetus an den hierfür zu dünnen
Faden „Pfand der Hoffnung" und „Energie" zur Vollendung des
Zieles geknüpft wird und daß die Rede vom Wege und Werke Christi
abgebrochen wird, ehe sie das Credo beendet hat? Denn mit dem Bekenntnis
zum venturus endet der zweite ArtikelI Ebenso wird hier die
Verbindung zwischen dem confitcor baptisma und dem credo ecelesiam
durchschnitten, und es läßt sich nicht einschen, warum allein das Abendmahl
im Artikel von der Kirche auftaucht. Für die Betonung der Glied-
zusammengehörigkeit der Artikel kann man nur dankbar sein. Aber
gerade dann müßte es ohne die Austauschung der Glieder genausogut
gehen.

2. Nodi beklagenswerter sdieinen mir die Umstellungen um des
trinitarischen Charakters des Credo willen zu sein. St. weist darauf
deutlich genug hin. Aber der an das exspecto angehängte dritte Artikel
wird dann in seinem Ansatz und seiner Durdiführung dem nioht genügend
gcredit, daß es sich hier um das Bekenntnis zur dritten Person
der Trinität handelt. Die von St. ausgesprochene Erkenntnis der Bedeutung
der Trinitätslehrc für christliches Bekennen scheint mir in der
Interpretation der einzelnen Aussagen nicht hinreichend fruchtbar gemacht
zu sein. Ich würde gerade angesichts der Hilflosigkeit des
modernen Menschen (auch des kirchlichen!) der Trinitätslehre gegenüber
ein ausführliches Eingehen hierauf am gegebenen Orte und eine Strukturanalyse
des Credo als eines Bekenntnisses zum dreieinigen Gotte —
auf der Basis dessen, was im Rahmen des ersten Artikels, d. h. also
in diesem Buche erst in der Mitte, über die Zusammengehörigkeit von
Christusglaubcn und Vaterglaubcn gesagt ist, — bereits am Anfang,
nämlich da, wo vom credo in unum Dcum gesprochen ist, für empfehlenswert
halten.

3. Wenn im gleidien Zusammenhange (S. 108 ff.) auf das Problem
der Unteilbarkeit der Werke des dreicinigen Gottes und also auf das
Mitsein des Sohnes und des Geistes beim Werke der Sdiöpfung eingegangen
wird, so erhebt sich auch bei dem mitdenkenden Laienlcser
notwendig die Frage, warum denn aber im Credo das Werk der Schöpfung
dem Vater appropriiert wird. Diese Frage findet jedoch leider
keinerlei Beachtung.

4. Ebenso müßte der Vollständigkeit halber das qui locutus est
per prophetas in der nächsten Auflage, und sei es nur mit zwei Sätzen,
erklärt werden.

5. Nur noch dies: Man kann die Zusammengehörigkeit des cruci-
fixus und des resurrexit noch konzentrierter durchführen. Ich meine, es
wäre gerade der auch in diesem Budic so beglückend zutagetretenden
ökumenischen und liturgischen Um-sicht des Autors nicht unangemessen
, wenn er zur Unterstreichung seiner Konzeption hier auf die
römische Liturgie am Feste der Kreuzerhöhung, am Karfreitag bei der
Kreuzverehrung und am Karsamstag sowie auf die Auferstehungs-
ikonen der Ostkirche hinwiese.

Damit ist es schon angedeutet: Dieses Buch ist so geschrieben
, daß es die, die es lesen sollen, fraglos mit bereitwilliger
Aufmerksamkeit lesen und an dem, worum es geht, Freude gewinnen
müssen. Das verbürgt die edle, aber klare und ganz unpathetische
Sprache; das verbürgt der weite und tiefe Blick in
Theologie und Liturgie, Geschichte und Philosophie, Musik und
bildende Kunst, den Verf. seiner Sache aufs neue dienstbar zu
machen weiß.

Wer sind die, die es lesen sollen? Jedenfalls doch wohl:
vornehmlich die Laien. Eine Laiendogmatik also? Dieses Buch
ist anders als eine Laiendogmatik - und mehr als sie. Es mangelt
uns nicht an Laiendogmatiken. Und wir brauchen sie auch.
Aber wen erreichen sie wirklich, und was erreichen sie? Ich
meine, selten die und selten das, was St. mit seinem Buche erreicht
haben dürfte. Gewiß: Auch das ist ein Buch für die Gebildeten
. Aber gerade, indem es gänzlich verzichtet auf jene,
Laiendogmatiken fast immer kennzeichnende, letztlich unbefriedigende
oder gar peinliche katechetische Art, dürfte es in
seiner Breiten- und Tiefenwirkung viel fruchtbarer sein. Dieses
Buch lehrt, indem es lediglich verkündigt und bekennt. Es ist
eine nichts demonstrieren wollende Meditation. Und es lockt
zur Zusage an die Wahrheit, indem es die Wahrheit erkennen
lehrt. Es will nicht die Geheimnisse des christlichen Glaubens
den Randsiedlern plausibel machen. Und vielleicht — hoffentlich
— ist es gerade so die Art von „Laiendogmatik", der die
Zukunft gehört.

aititlicll b. nalle H. Nitschke

Nygren, Anders: Das lebendige Wort Gottes. Ein Hirtenbrief — eine
Laiendogmatik. Stuttgart: Evang. Verlagswerk [1952]. 96 S. 8°.
kart. DM 3.80.

Der frühere Systematiker und jetzige Bischof von Lund hat
nadi der Sitte der schwedischen Kirche beim Antritt seines Bischofsamtes
an die Geistlichen seiner Diözese einen Hirtenbrief
gerichtet, dessen deutsche Ausgabe 1952 mit dem Untertitel eine
Laiendogmatik erschien. Das Büchlein beginnt mit einer Meditation
über den Frieden Gottes in Jesus Christus, der nicht ein
innerer subjektiver Seelenzustand sei, sondern eine objektive
Wirklichkeit, von der wir getragen werden. Die Aufgabe des
Geistlichen ist nicht primär die eines Lehrers, Erziehers und Seelsorgers
, erst recht nicht die eines religiösen Virtuosen, sondern
er hat der Botschafter dieses Friedens Gottes zu sein. So hat auch
die christliche Seelsorge nicht die seelischen Konflikte als solche
zum Gegenstand, denn dann wäre sie nur eine Psychotherapie mit
christlichen Mitteln, sondern sie ist persönliche Anwendung der
christlichen Botschaft auf den einzelnen. Die Darlegungen über
den Inhalt der Botschaft gehen davon aus, daß es nicht leicht
ist, eine alte vertraute Wahrheit jeweils als eine neue Botschaft
aufzufassen. Die Erkenntnis, daß der Mensch unter den Verderbensmächten
der Sünde und des Todes steht, öffnet den Zugang
zur Botschaft des Evangeliums. Sehr stark betont Nygren, daß die
Wende, die durch das Kommen Christi ins Fleisch geschehen ist,
eine Wende von kosmischen Dimensionen ist. Der alte Zwang
unter den Mächten des Verderbens ist vergangen, das Zeitalter
des Lebens hat begonnen, ist bereits Wirklichkeit. Das eschato-
logische Noch Nicht tritt zurück gegenüber dem eschatologischen
Jetzt. Dabei hat die Verkündigung klarzumachen, was diese Erlösung
und Befreiung ganz konkret bedeutet. Hier wird allerdings
der fromme und vor allem der dem Christentum fragend
gegenüberstehende Leser der Laiendogmatik wünschen, daß das
nun auch wirklich noch konkreter gesagt wird, als es bei Nygren
geschieht, weil er ja das faktische Weiterherrschen der Verderbensmächte
sehr stark empfindet.

Der Abschnitt über die Botschaft als Predigt enthält breite
Ausführungen über das Kirchenjahr und empfiehlt enge Anlehnung
an seine Perikopenordnung. So wertvoll das hier Gesagte
ist, so möchte ich doch meinen, daß manches an dieser Perikopenordnung
problematischer ist und auch von den Predigern ah
problematischer empfunden wird, als Nygren erkennen läßt.
Schön wird die Einheit von Wort und Sakrament betont, wenn
ich auch nicht sagen würde, daß das Wort ohne das Sakrament
nur Wort ist und nicht Gottes Tat zu unserer Erlösung (S. 64).
Aus Luther ließe sich das wohl kaum belegen, wenigstens nicht
aus Äußerungen des jungen Luther. Die Taufe wird als reale
Einleibung mit Christus beschrieben, das Wesentliche im Abendmahl
darin gesehen, daß Christus selbst gegenwärtig ist und seinen
Leib aufbaut. Recht ausführliche Darlegungen über das ewige
Leben sind dem Abschnitt über den kirchlichen Unterricht eingefügt
, obgleich man kaum wird sagen können, daß gerade die
Eschatologie ein beherrschendes Thema des Unterrichts ist. An
dieser Stelle wird eine gewisse Spannung zwischen dem prak-