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Ausgabe:

1953 Nr. 11

Spalte:

679-682

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Stählin, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Zusage an die Wahrheit 1953

Rezensent:

Nitschke, Horst

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 11

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diese Auflage in den kommenden Jahren mit gleicher Intensität
im Ganzen der EKD benutzt werden wie die erste Auflage in den
Jahren nach 1933.

Heidelberg Edmund Schlink

Lackmann, Max: Zur reformatorischcn Rechtfertigungslehre. Stuttgart
: Evang. Verlagswerk [1953]. 119 S. 8°. kart. DM 5.-.

L. ist bereits als Gegner der Rechtfertigungslehre Luthers
literarisch hervorgetreten. In der vorliegenden Schrift greift er
sein Anliegen erneut mit großem Nachdruck auf. Er redet im
Tone des Klägers und Anklägers: „Ich erhebe mit dieser Schrift
die Klage, daß sich die evangelische Christenheit einer treulosen
Verwaltung der Geheimnisse Gottes schuldig gemacht hat" (11);
und: „Ich klage an, daß die evangelisch-lutherische Christenheit
.. . dieses Evangelium nicht weitergegeben hat, wie es die
apostolische Christenheit aus den gütigen Händen Gottes empfing
" (11), und öfter.

Leider geht L. auf die Probleme der von ihm bekämpften
Lehre Luthers so gut wie gar nicht ein. Seine Argumentation
beschränkt sich im wesentlichen darauf, die absprechenden Lirteile
Luthers über den Jakobusbrief zusammenzustellen und demgegenüber
die Ganzheit des Kanons geltend zu machen. Im übrigen
habe aber Luther den von ihm bekämpften Jakobus auch
gründlich mißverstanden (76 ff.). L. will dies Mißverständnis
aufklären und darüber hinaus Luthers Rechtfertigungslehre als
eine verhängnisvolle Verkürzung der Wahrheit erweisen. Dabei
unterlaufen ihm bei seiner Arbeitsweise einige sehr starke Vergröberungen
. Nur zwei Beispiele für eine offenbar verfehlte Polemik
seien genannt: „Betonte Luther unablässig: ihr müßt auf
das allein sehen, was Christus am Kreuz für euch getan hat,
wenn ihr eures Gottes und des ewigen Lebens gewiß werden
wollt — so betonen wir heute mit dem gleichen Nachdruck:
Jawohl, aber wenn euer Sehen auf das, was Christus für euch
getan hat, ohne Wandlung zum selbstverleugnenden, eurem Ich
den Tod gebenden Gehorsam und Dienst unter Gottes Willen
ist; . .. dann werdet ihr eures Gottes und des neuen Lebens
nicht gewiß!" (94), und: ,,... es (das Evangelium) dispensiert
aber den Menschen nicht von der Erfüllung des im Evangelium
ihm begegnenden konkreten Gebotes, vielmehr ermächtigt es ihn
Gott ähnlich zu sein und in diesem Sein Gott auf seiner Seite
zu haben — insofern sind gewichtige Fragen an Luthers Interpretation
des Evangeliums zu stellen" (l 13). Wo hat denn Luther
gesagt, daß das Evangelium von der Erfüllung der Gebote
dispensiert? Oder wo hat er verschwiegen, daß ein Herz und
Leben nicht erneuernder Glaube kein Glaube ist? L.s Polemik
müßte viel differenzierter sein.

L.s Forderung, sich für eine Kritik an Luther und auch an
seiner Rechtfertigungslehrc offen zu halten, können wir bejahen.
Dazu bedürfte es aber einer weit gründlicheren Würdigung Luthers
auf breiterer Quellen- und Literaturbasis als in der vorliegenden
Broschüre.

Halle/Saale E. Schott

Stählin, Wilhelm. Bischof D. Dr.: Zusage an die Wahrheit. Das
Bekenntnis der Kirche. Kassel: Stauda-Verl. 1952. 190 S. 8°. kart.
DM 4.50; Lw. DM 6.50.

Eine Auslegung des christlichen Credo. Stählin wird auch
damit etlichen in etlichen Partien nicht das rechte Lied singen.
Aber daß sein Lied immer nur das Lied der Kirche sein wollte,
das möchte der Siebzigjährige mit diesem Buche, das er beim
Abschiede von seinem Bischofsamt herausbrachte, noch einmal
zusammenfassend zeigen.

St. will also, wenn er den Text des Apostolicums und des
Nicänums (wie dieses Bekenntnis im kirchlich-liturgischen Sprachgebrauch
nun einmal heißt!) an die Spitze stellt, mit dem, was
er hernach sagt, nicht einen Kommentar zu einem kirchenhistorisch
mehr oder weniger belangvollen Dokument liefern. Sein
Buch darf, nach Absicht, Inhalt und Form, bescheiden und anspruchsvoll
zugleich, eine Glaubenshilfe genannt werden.

Auslegung der Symbole als Glaubenshilfe! — dann ist also
Glaube der Nach- und Mitvollzug des kirchlichen Bekenntnisses,
dann besteht also diese Hilfe darin, den von unserm dämoni-

sierten saeculum umringten Menschen hineinzunehmen in den
Raum der Kirche. Darum beginnt der Glaube mit der abrenun-
tialio, der ,,A b s a g e" (davon handelt der einleitende Teil des
Buches) an den „Trug und Wahn" dieser vordergründigen Welt;
darum geschieht Glauben im Einstimmen in das Bekenntnis und
Lobopfer derer, die der lebendigen Wirklichkeit Gott ihre „Z u-
s a g e" (so ist der zweite, eigentliche Hauptteil überschrieben)
geben. D a ß es eine Wirklichkeit ist, zu der das in das
Wir hineinverwobene Ich des Credo (erster Abschnitt des zweiten
Teiles) die Pforte aufstößt, darauf kommt es St. von Anfang
sehr an; und was es im einzelnen für eine Wirklichkeit
ist, die so bezeugt und der so, sei es auch stellvertretend für
die Welt, in der Kirche gehuldigt wird (credo!), das wird dann
entfaltet, indem die einzelnen Aussagen des Credo zur Sprache
kommen.

Dabei setzt der Autor freilich nicht mit dem ersten Artikel
des Symbols ein, sondern greift das als Zentrum des ganzen
Credo verstandene incarnatus est als erstes heraus: als die
Stelle, an der „der zur Erde kommende Gott" „die verschlossene
Tür" jener eingangs analysierten vordergründigen und in
sich selbst scheiternden Welt sprengt. (5 5). In welcher Weise
bezeugt das Credo mit den um die Inkarnation kreisenden Aussagen
diese Wirklichkeit und „wie steht der Mensch in der
Welt, der dieser Wirklichkeit begegnet ist und sich ihr liebend
und verehrend zuwendet?" (51), diesen, es so zu sagen: existentiellen
Fragen ist St.'s Auslegung hier dienstbar. Die im Bekenntnis
dem incarnatus vorangehenden, das Wesensgeheimnis des
Gottmenschen ertastenden Formeln insbesondere des Nicänums
werden in diesem Zusammenhange, d. h. also in der Meditatton
dieser konkreten Einbruchsstelle des homo factus est
erwogen. Von hier aus wendet sich dann St. den weiteren Einzelheiten
des 2. Artikels zu, und er faßt sie, sich des Wagnisses
wohl bewußt (68), zusammen unter dem Thema crueiiixus
resurrexit, wobei jedoch das tertia die ebenso wenig eingeebnet
wird wie das biblische Zeugnis von den vierzig Tagen. Das
Gcneialanliegen: der Zusammenstoß der gnädigen Gotteswirklichkeit
mit dieser Welt, leitet auch hier den Gedankengang;
besonders eindrücklich in der Interpretation des passus in der
dreifachen Beziehung: „Die Welt ist so, daß Christus in ihr
gekreuzigt wird" (73) (Tod, Leiden, Sünde), „Christus ist so,
daß Er sich in dieser Welt kreuzigen läßt" (76), „Gott ist so,
daß Er Seinen Sohn und damit sich selbst an das Kreuz der Welt
gibt" (79); aber unübersehbar auch in den den descensus (der
selbstverständlich zum Status exaltationis gezogen wird), die
resurrectio, die ascensio und die sessio behandelnden Ausführungen
, so daß es hier gegen Ende zusammenfassend heißt:
„Dieses Mysterium des Karfreitags und des Ostermorgcns ist
zugleich das Mysterium der Kirche und die Mitte der Welt"
(90). Ist doch „dieses Mysterium von Tod und Auferstehung
Christi... der eigentliche Inhalt alles christlichen Gottesdienstes.
Der Tod und die Auferstehung Christi, Sein Opfer und Sein
Sieg ereignen sich gegenwärtig hier und jetzt an uns, die wir
daran Anteil empfangen" (92 f). Von dieser Mitte her versteht
St. den Anfang und das Ende, das „unbedingte Woher"
und das „unbedingte Wohin" unserer Existenz in dieser Welt.
Vom ersten hört er den ersten Artikel, den er unter der Überschrift
pater omnipotens behandelt, reden; — hier macht sich
Verf. vor allem verdient, indem er das „mit allen Kreaturen"
mit nicht geringerer Liebe und Gründlichkeit durchdenkt als die
Kreatur homo selbst, indem er den homo — gerade im Ernstnehmen
seiner Sonderstellung! — dem creator omnium untergeordnet
sieht innerhalb einer „Rangordnung unter den Kreaturen
" (101) (Engel! Kosmische Ordnungsmächtc . . . ). Wohin?
- das meinen die sich mit den letzten Dingen befassenden Aussagen
des zweiten und dritten Artikels; St. überschreibt diesen
Abschnitt zusammenfassend mit dem exspecto des Nicänums.
Es soll bei dieser Anordnung der Gefahr vorgebeugt werden,
die Lehre von den letzten Dingen „als ein im Grunde überflüssiges
Anhängsel" (138) vom Zentrum zu isolieren. Vielmehr erschließt
sich die Rede vom Heiligen Geiste als Bekenntnis zum
dominus viviheans gerade erst „vom Ende", von dem Blick
des Christen auf das im venturum saeculum vollendete Ziel aus
(ib.). Von der Begegnung des Menschen mit der Gotteswirklich-