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Ausgabe:

1953 Nr. 11

Spalte:

674-677

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Peuckert, Will-Erich

Titel/Untertitel:

Geheim-Kulte 1953

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 11

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Klausers „Abendländische Liturgiegeschichte" zeichnet in vier
Abschnitten die liturgiewissenschaftlichen Kenntnisse vor 1914,
um dann jedesmal die neueren und neuesten Resultate der Forschung
bis 1949 jenen gegenüberzustellen. Das geschieht in lauter
großen Zügen, aber diese „Züge" haben es in sich. Die vier Epochen
, welche den vier Abschnitten den Sachgrund geben, hat
Klauser so umschrieben: I. Die Epoche der schöpferischen Anfänge
: von den Anfängen bis zu Gregor dem Großen (590); hier
werden die Ursprünge behandelt; die Lichter, welche Hippolyts
„Apostolische Überlieferung" ansteckte; die Wandlung der Sprache
(vom Latein zum Griechischen); der Kanon; die Mysterienfrage
und Odo Casel; die Insignien (Alföldi). II. Die Epoche der
fränkisch-deutschen Führung: von Gregor dem Großen bis Gregor
VII. (590-1073). Hatte Klauser für die Kenntnis der I.Epoche
selbständige Bedeutung, da er die Latinisierung des griechischen
römischen Gottesdienstes ins 4. Jhdt. setzte, während er
für die bürgerliche Sphäre die Latinisierung dem 3. Jhdt. beließ,
so steht Klauser für die II. Epoche unter den führenden Forschern
voran: dem 8., 9., 10. Jhdt. teilt er die Vorarbeit der fränkisch-
deutschen Kirche in liturgicis zu, die Rettung der römischen Liturgie
, dem 10. Jhdt. die Rückflut des fränkisch-römischen Gutes
nach Rom. Die III. Epoche: die der Vereinheitlichung von Gregor
VII. bis zum Konzil von Trient (1073-1545): Brevier und
Missale der päpstlichen Hauskapelle durch die Franziskaner aufgenommen
und verbreitet; Aufhören der Kommunion unter beiden
Gestalten; Auscinanderfallen von Opfer und Kommunion
beim Volke; der Kanon nun als Stillgebet; der Altar jetzt an die
Wand gerückt, der Celebrant also von der Gemeinde abgewandt:
der Opfergang eingestellt; die Kniebeugung als Adoration.
IV. Die Epoche des Stillstands oder der Rubrizistik: vom Konzil
von Trient bis zur Gegenwart: Missale Romanum 1570, Brevia-
rium Romanum 1 568; der Rubrizist als der des liturgischen Rechtes
Kundige und so der Liturgie Mächtige; die neuere Frömmigkeit
als Andacht zum „eucharistischen Christus", zum „Herzen
Jesu", als Marienverehrung, als „Betrachtung", als Individualismus
an der Liturgie vorbei; das Zeremoniell vor dem „Sanctis-
simum" als barocke Königshuldigung vor Christus; die Messen
angesichts des vom Beginn bis zum Schluß zur Schau gestellten
„Sanctissimum" eine Befriedigung der Volksseele, welche die
„Schau" der Hostie als Hauptstück verlangt; der Heiligenkalender
extrem römisch zugeschnitten; die klassische Form der Kasel
usw. zugunsten barocker Mißbildungen proskribiert; der Sanc-
tus-Gesang der Gemeinde dem Chore zugeschoben und zertrennt.

Man soll, wenn man Klausers Büchlein studiert, auch in England
Luthers Formula Missae et Communionis von 1523 daneben
legen, jenen nie genug zu lobenden Kommentar zur Messe. Bei
Klauser geht die Kritik aus dem Zentrum katholischer, bei Luther
aus dem Zentrum biblischer Frömmigkeit hervor. Dazu hat Klauser
eine Forschung im Griff, welche Luther nicht kannte. Und
gerade diese Forschung ist fähig, Luthers Büchlein zu illustrieren
und zu verbessern, wie anderseits Luthers hellsichtige Intuition
jener Forschung neue Antriebe geben kann. Jedenfalls hatte Cross
recht, den Anglikanern die Klausersche Arbeit auf den Tisch zu
legen.

Augsburg Leonhard Fendt

Hauschiidt, Karl: Die Christusverkündigung im Weihnachtslied
unserer Kirche. Eine theologische Studie zur Liedverkündigung.
Göttingen: Vandcnhocck k Ruprecht. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1952]. 232 S. gr. 8" = Veröffentl. d. Evang. Gesellschaft für Liturgieforschung
, hrsg. v. O. Söhngen u. G. Kunze, Bd. 8. Kart. DM-West
12.80. geb. DM-Ost 14.80.

Die am 30. September abgeschlossene, D. Heinrich Rendtorff
in Kiel gewidmete Arbeit will als „eine theologische Studie
zur Liedverkündigung" verstanden sein. Sie folgt zunächst
in 9 Abschnitten dem Lauf der Christusverkündigung im
Weihnachtslied unserer Kirche im Neuen Testament bis zur
Gegenwart. Am Ende jedes Kapitels wird in einem zusammenfassenden
Überblick Gehalt und Gestalt der Christusverkündigung
in den Liederräumen, durch die uns das Buch führt fd. h.
im Neuen Testament, in dem altkirchlichcn Weihnachtslied bis
zum 6. Jahrhundert, im mittelalterlichen Wcihnachtslied. im Weihnachtslied
der Reformationszeit 1524-1560, der Orthodoxie
1560-1675, des Pietismus 1675—1750, der Aufklärung 1750-

1800, im Weihnachtslied von 1800 bis 1935 und endlich von
193 5 bis heute), beschrieben. Die theologischen Motive, der liturgische
Ort, Erbfolge und Erbverzicht, die Formen, Dichtergruppen
und einzelne Dichter werden ins Licht gerückt. Dem
historischen Aufriß folgt in einem zweiten Teil in zwei Abschnitten
eine systematische Durchleuchtung der Christusverkündigung
im Weihnachtslied der Kirche, um den Anteil der Bibel, der
Kirche, der Künste (der Dichtkunst, der Tonkunst, der Bildkunst
), der Persönlichkeit (der schaffenden und verstehenden
Persönlichkeit), des Brauchtums an der Gestalt der
Weihnachtsbotschaft im Lied der Kirche zu Buche zu bringen
. Im letzten Abschnitt wird dem Leser die Entfaltung
der Christusbotschaft im Weihnachtslied der Kirche in den Verkündigungstypen
und „der Fleischgewordene" in 21, dem Weihnachtslied
entnommenen kurzen Sätzen (Merkmalen) gezeigt. Im
Lobpreis, in dem das Halleluja vom Kyrieleis, seinem Grunde,
wohl zu unterscheiden, aber nicht zu scheiden ist, klingt das
Ganze aus. An dem Schluß der Arbeit wird noch einmal deutlich
, wie fruchtbar das Thema ist, wie der hymnologische Ortssinn
mit diesem Buche geweckt und gebildet wird, so daß das
Buch als eine Schule der Hymnologie gelten kann. Auch die Anmerkungen
zeigen mit dem Literaturverzeichnis, wie tief und
wie weit der Blick des Verfassers reicht: die Exegese, die Kirchengeschichte
, die systematische, die praktische Theologie werden
zu Rate gezogen; die Literaturgeschichte, die Musikgeschichte,
die Kunstgeschichte, die religiöse Volkskunde werden gefragt.
Von dem alten Naumburger Schamelius bis zu R. A. Schröder
kommen die meisten zu Wort, die, oft an entlegenen oder vergessenen
Stellen, etwas zur Sache zu sagen haben. Was ich selbst
dem Literaturverzeichnis hinzuzufügen hätte, habe ich am Ende
meines Buches „Das deutsche evangelische Kirchenlied von Martin
Luther bis zur Gegenwart" genannt.

Das Buch ist reich an Hinweisen, die das Bekannte in ein
neues Licht rücken und zu neuen Fragen führen. Der Verfasser
schreibt im Blick auf das weihnachtliche Volkslied des 19. Jahrhunderts
mit „dem weichen, süßlichen Charakter der Texte":

„Die gern gesungenen Melodien tragen wesentlich dazu bei, daß
die weihnachtlichen Volkslieder so beliebt wurden, und verstärken den
unkirchlichen, sentimentalen und verweltlichten Zug der Christusverkündigung
. Die volkstümliche Kraft und Wirkung der Weihnachtsmelodien
sowie die allgemeine künstlerische Höhe vermögen nicht, den
Schwund der Christusverkündigung aufzuhalten, weil das Lied kirdilich
und liturgisch entwurzelt ist. Das hindert aber nicht, daß das weihnachtliche
Volkslied eine missionarische Aufgabe an der entkirchlichten
Masse erfüllt und nur in seiner verhalten christlichen Art dazu in der
Lage ist." (S. 130)

Ist das wirklich wahr? Gilt es immer? Gilt es überall? Der
Verfasser redet von einer „latenten dogmatischen Liedverkündigung
", einer Verkündigung „ohne die feste Stabilität dogmatischer
Prägnanz", die „dem Liedcharakter entsprechend vorwiegend
bildhaft-schwebend bleibt" und „sich weithin theologischer
Begrifflichkeit entzieht." (S. 17) Aus dem Sachverhalt, der damit
zum Ausdruck kommt, haben beispielsweise einst Martin Rade
in seiner „Glaubenslehre" (s. „Erinnerungen eines alten Gesangbuchchristen
") und Julius Smend in seinen „Vorträgen und Aufsätzen
" Folgerungen gezogen. Der Verfasser ist dem Leser unserer
Tage noch manches schuldig geblieben, was der Klärung
dienlich gewesen wäre. Es ist zu wünschen, daß das beachtliche,
nicht immer glatt lesbare Buch vielen den Dienst leistet, den es
leisten kann.

Halle/S. Paul Oabriel

RELIGIÖSE VOLKSKUNDE

Peuckert, Will-Erich: Geheimkulte. Heidelberg: Carl Pfeffer Verlag
[1951]. 664 S. m. 49 Abb., 20Taf. 8°. kart. DM 19.50; Lw
DM 22.-.

W. E. Peuckert ist Volkskundler, wovon die stattliche Reihe
seiner Werke zeugt. Das hier zu besprechende Buch aber durchbricht
die enge Fachgrenze und wandert in das Gebiet der Völkerkunde
hinüber. Der Schritt ist nicht neu. Es sei daran erinnert,
daß die ehemalige „Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprach-