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Ausgabe:

1953 Nr. 11

Spalte:

669

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Privat, Emil C.

Titel/Untertitel:

Hugenottisches Leben 1953

Rezensent:

Chambon, Joseph

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669

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 11

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„Margarita Theologica". Es handelt sidi um das im Übergang zum
Luthertum der Konkordicnformel bedeutsame Buch „Margarita theologica
" des Generalsuperintendenten Adam Francisci.

A. Gabler hat sich mit seiner fleißigen Arbeit nicht nur den
Dank der Familienforscher erworben. Diese werden aus dieser
Veröffentlichung überaus reichen Stoff gewinnen, sich das Leben
und Treiben ihrer Vorfahren etwa in der näheren und weiteren
LImgcbung dieses schwäbisch-fränkischen Grenzgebietes in
recht anschaulicher Weise vorzustellen. Der Herausgeber hat
diese Möglichkeit noch dadurch vermehrt, daß er wertvolles Bildermaterial
aus alter und neuer Zeit in reichem Maße beifügte.
Vor allem aber hat auch die Pfarrhausforschung überaus reichen
Stoff erhalten — weit mehr, als etwa die aus der gleichen Gegend
und Zeit vorliegende höchst anschaulich geschriebene Selbstbiographie
des Balthasar Sibenhar bietet. Bei keinem anderen evangelischen
Pfarrhaus jener Zeit können wir so unmittelbar Zeuge
aller Lebensäußerungen werden wie hier. Die Familienverhältnisse
und die wirtschaftlichen Zustände im Pfarrhaus, das Leben hier
und im Dorf im Kreislauf des. Jahres, die amtliche Tätigkeit des
Pfarrers, seine und seines Dorfes Beziehungen zur nahen Reichsstadt
Dinkelsbühl und reiche Zusammenstellungen an volkswirtschaftlichen
Einzelheiten und an sprachlichen Einzelbeobachtungcn
füllen das Buch. Ein gutes Orts-, Personen- und Sachregister hilft
seinen Inhalt erschließen. Sein ganzer Reichtum freilich wird nur
dem zuteil, der sich nicht mit den Registern begnügt, sondern
das Buch durchliest, und es ist ja so geschrieben, daß man es
wirklich gerne liest und sich dadurch einmal so in die Zeit um
das Ende des 16. Jahrhunderts versetzen läßt, daß man in ihr zu
leben wähnen kann. Ein wesentliches Stück des kirchengeschicht-
lichen Inhalts der Tagebücher wurde von ihrem Bearbeiter bereits
in der „Zeitschrift für bayer. Kirchengeschichte" (20, 1951)
26—40 (..Geeenreformatorische Bestrebungen in der Umgebung
von Dinkelsbühl") veröffentlicht.

Nürnberg Matthias Simon

Privat, E. C: Hugenottisches Leben. Bilder aus der Friedrichsdorfer
Chronik. Baden-Baden: Verl. f. Kunst u. Wissenschaft 19 50. 141 S.,
löTaf., 2Faks. 4°. kart. DM 8.50.

Das Buch Privats, der selber einer alten Familie der bekannten
hugenottischen Kolonie Friedrichsdorf bei Homburg entstammt
, ist in Text und Bildern ausgezeichnet ausgestattet und
enthält eine dankenswerte Sammlung von Einzelheiten aus der
allgemeinen und kulturellen Entwicklung dieser reformierten
Einwanderer-Insel innerhalb des Schicksals der neuen Heimat.
Dem „hugenottischen Leben" im religiösen Sinne ist leider (als
Auszug aus der alten Gemeinde-Chronik) nur eine Drittel-Seite
gewidmet; das Schlußkapitel „Lebendige Tradition" enthält
überhaupt kein Wort mehr über den Glaubensstand des hugenottischen
Gemeinwesens mit Ausnahme der schlimmen Sentenz:
II faut aider le bon Dieu ä faire du bon ble". Privats Versuch
eines Zurückgreifens auf die geschichtliche kalvinistische Basis
enthält unmögliche Sätze, wie den, daß der Kalvinismus in Frankreich
„ ... im Anbeginn seiner Entstehung".....vor allem (sie!)

eine politische Bewegung gewesen ist", oder die Charakterisierung
der Protestanten Frankreichs im 17. Jahrhundert durch den
Satz: „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott" als „eigentliche innere
Kraft (siel) der Bewegung".

Privats sorgfältige und wohlwollende Darstellung der Marie
Blanc, der Abenteurerin noch über Lady Hamiltons Bild hinaus:
Königin der Spielbanken von Homburg, Monaco und Monte
Carlo, — eine der „drei Großen von Friedrichsdorf", der Groß-
millionärin „mit der einen Leidenschaft für schönen Schmuck",
ist ins Unerträgliche gesteigert durch erfreute Angaben über den
Segen der Spielhöllen-Gelder, der durch Marie Blanc. das Friedrichsdorfer
Kind, allgemein und speziell in die Hugenotten-
kolonic zurückfloß. Irgendein klares Wort des Abstandnehmens
von diesen Dingen und eine Rückbesinnung auf die sprichwörtliche
kalvinistische Tradition von einer absoluten Sauberkeit
und Gewissenhaftigkeit in Geldsachen bringt der Verfasser im
obigen Zusammenhang nirgends auf.

I. Oenf/Zürlch Joseph C h a m b o n

Padellaro, Nazareno: Pius XII. Bonn: Athenäum-Verlag 1952.
520 S., 22Taf. 8°. Lw. DM 22.-.

Eine Papstgeschichte der neuesten Zeit, vollständig und
mit zureichenden Nachweisungen und quellenmäßig aufgebaut,
haben wir in ausgezeichneter Form von Josef Schmidlin. Die beiden
neuesten Bände enthalten die Biographien Pius X. und Benedikts
XV. (Band 3; 193 5) und Pius XL Beide Bände sind in der
Theologischen Literaturzeitung Jahrgang 1936 und 1940 von
uns eingehend besprochen. Dieses sehr anspruchsvoll auftretende
und üppig ausgestattete Buch befriedigt quellenmäßig in keiner
Weise. Wenn auch sehr viele Einzelheiten in ihm enthalten sind,
so sind doch die Kapitel über die außenpolitische Tätigkeit Pacel-
lis außerordentlich knapp und unzulänglich. Wer diese Dinge
nicht wissen will und wer sich mit Pilgerempfängen und anderen
großen kirchlichen Demonstrationen begnügt, der kommt auf
seine Kosten und liest mit Behagen das letzte Kapitel vom
Anno Santo 1950.

Berlin Otto Lerche

N e w m a n, John Henry, Kardinal: Der Traum des Cerontius. Übertr.
u. eingel. v. Theodor H a e c k e r. 3. Aufl. Freiburg: Herder [1952].
II, 48 S. 8° = Zeugen des Wortes, hrsg. v. K. Sdimidthüs u. R. Schc-
rer. Pp. DM 2.80.

Diese Dichtung Newmans erschien in England 1865, 20 Jahre
nach Newmans Übertritt zur Katholischen Kirche. Ob sie wirklich
das zentrale Stück seines Werkes ist, wie von einigen englischen
und deutschen Forschern behauptet wird, lassen wir offen.
Die Dichtung ist visionär, von liturgischem Klang, wie es dem
Übergang in die andere Welt entspricht. Nur der Gesang der
Seelen im Purgatorium besteht aus Bibelworten, sonst spricht
die Legende und das kirchliche Dogma mit. Dantesche Weite erreicht
das Ganze freilich nicht. Von der deutschen Übertragung
kann gesagt werden, daß sie klar, schön und dem Wesen der
Dichtung entsprechend ist.

Münster/Westf. R. Stupperich

KONFESSIONSKUNDE: DIE OSTKIRCHE

Smolitsch, Igor: Russisches Mönchtum. Entstehung, Entwicklung
und Wesen. 988—1917. Würzburg: Augustinus-Verlag 1953. 556 S.
8° = Das östliche Christentum, hrsg. v. H. Biedermann, N. F. H. 10/11.
kart. DM 36.— ; Lw. DM 38.—.

Der Vf., der schon durch eine Reihe von Arbeiten zur russischen
Geistes- und Kirchengeschichte hervorgetreten ist und
dessen besonderes Interesse von jeher dem russischen Mönchtum
gegolten hat, legt jetzt in einem monumentalen Werk eine Zusammenfassung
und Ergänzung seiner bisherigen Arbeiten über
dieses große Gebiet vor.

In drei Perioden wird die Geschichte des russischen Mönch-
tums eingeteilt: die altrussische, bis etwa zum Beginn des 16. Jhdt.;
die mittlere (16. und 17. Jhdt.), die durch den Kampf zwischen
zwei Richtungen des Mönchtums, der sich an der Frage nach der
Berechtigung des Klosterbesitzcs entzündet hatte, bestimmt wurde
und die bei äußerem Glänze eine tiefe innere Gefährdung des
Mönchtums bedeutete; und schließlich die mit den Reformen
Peters d. Gr. einsetzende „Säkularisationsepoche", die den Klöstern
ihren Besitz und ihre äußere Machtstellung weitgehend entriß
, aber gleichzeitig den Weg zu einer Neugeburt des Mönchtums
im 19. Jhdt., zu einer Rückkehr zu seinem eigentlichen Beruf
frei machte. Das letzte Kapitel ist dem Starzentum gewidmet.
Diesem gilt die besondere Liebe des Vf., aber man spürt es dem
Buche auch sonst an, daß es mit warmem Herzen geschrieben ist.

Der Vf. hat eine bestimmte Vorstellung vom „gesunden"
oder „wahren" Mönchsleben (S. 44 f.): das Koinobion als allgemeine
Grundlage, über dem sich die strengere Askese einzelner
besonders begnadeter Mönche erhebt, die, durch Starzcn geführt,
zu höherer Vollkommenheit des Lebens, der Gottesnähe, aber
auch der Demut aufsteigen, die aber mit den so gewonnenen
Schätzen des inneren Lebens dann wieder der „Welt" dienen, sei