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Ausgabe:

1953 Nr. 11

Spalte:

665-667

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Den Danske Kirkes Historie. V. 1953

Rezensent:

Schmidt, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 11

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gisch gegen den ersten Bischof von Chiapa in Mexiko, Bartolome
de Las Casas (Ord. Pr.) (hierzu vergl. Otto Adalbert Graf
von Looz-Corswarem: Juan Ginez von Sepulveda. Göttingen
1931). Erheblich war auch die Stellungnahme des ersten Erforschers
der Azteken, Bernardino de Sahagun, der bis in ein hohes
Alter hinein missionierend und lehrend in Mexiko tätig war.
Die Eroberung Mexikos durch Cortes und die von Peru durch
Pizsaro sind vom heutigen Standpunkte aus in keiner Weise
Muster und Vorbilder für eine missionierende Aneignung des
Landes gewesen. Da war in der Tat schon ein ethischer Zug in
der Kolonisierung angebracht.

Berlin Otto Lerche

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Den Danske Kirkes Historie, linder Redaktion af Hai K o c h og Björn
Kornerup. V.

Pedersen, Johannes: Pictismcns Tid 1699—1746. Kornerup,
Björn: Oplysningstidcn 1746—1799. Kopenhagen: Gyldendal 1951.
505 S. m. 108 Abb. 4°. dkr. 42.50.

Das repräsentative Werk, der 5. Teil aus der Gesamtkirchengeschichte
Dänemarks, dürfte künftig das Orientierungsmittel
für den behandelten Zeitraum, das 18. Jahrhundert in
diesem Lande werden. Hier ist ein reicher Stoff von zwei Verfassern
in einer ungemein lebendigen und übersichtlichen Form
gebändigt worden, wofür vor allem auch auf die sorgfältig unter-
gegliederte Kapitelcinteilung hingewiesen sei. Zu einem gültigen
Urteil dürfte nur der Spezialforscher im eigenen Lande, ausgerüstet
mit der vollen Beherrschung der Sprache und der Lokal-
traditionen, imstande sein. Der Außenstehende wird sich weitgehend
mit dem Dank und der Anerkennung für das Geleistete
begnügen müssen, er wird nur an die Gesamtauffassung Fragen
richten und Parallelen aus dem deutschen Bereich feststellen
können.

Der erste Teil, von Johannes Pedersen verfaßt, ist dem
Pietismus oder besser — wie der Titel sagt — der pietistischen
Zeit gewidmet, denn der Pietismus ist keineswegs die unbestrittene
beherrschende Erscheinung, so sehr auch die Dynamik der
Kirchengeschichtc von ihm ausgeht. Die Darstellung, programmatisch
unter das Wort des Acontius, Pietas superat doctrinam,
subsumiert, gibt in einem Einleitungskapitel ein Bild des allge-
mcincuropäischcn Hintergrundes, aufgebaut auf dem deutschen
Pietismus und dem englischen Puritanismus, außerdem kommen
vor allem der niederländische Präzisismus und Labadie zu Wort,
während die Rolle des mystischen Spiritualismus nicht berücksichtigt
wird. Schon damit wird — etwa beim vergleichenden Blick
auf die schwedische Entwicklung — deutlich, daß Einflüsse aus
England in höherem Maße am Werke waren als dort. Es folgen
im 1. Kapitel die Anfänge des dänischen Pietismus, als dessen
Entscheidungsjahr 1704 zu gelten hat. Damals kam der Spencr-
freund Frantz Julius Lütkens an den leichtfertigen Kopenhagener
Hof und fand an der Königin Louise, die unter dem Einfluß des
Hallenser ökumenischen Sendlings Heinrich Wilhelm Ludolf
stand, einen Rückhalt. Gleichzeitig starb die Geliebte des Königs
Friedrich IV, die Gräfin Vieregg, und der Landesherr erlebte
dadurch eine Bekehrung, die ihn dem Pietismus aufschloß.
In diesen Zusammenhang gehört seine erwachende Missionsliebe,
die zur Verbindung mit Halle führte. Da sich in Dänemark selbst
Keine Missionare fanden, schrieb Lütkens an Joachim Lange in
Halle und gewann so Bartholomäus Ziegcnbalg und Heinrich
Pötzschau. Ein weiterer führender Pietist war Otto Lorentzen
Strandiger, auf der orthodoxen Gegenseite standen Josua
Schwartz, der Gcncralsuperintendcnt, der Bischof Henrik Bornemann
von Seeland, die Professoren Masius und Wandal in Kopenhagen
. Der Pietismus zeigt sich zunächst in den üblichen Streitigkeiten
mit der Orthodoxie, sodann in der Pflege von Hausandacht
und Katechese, aber auch in der Verbreitung von Kingos
Psalmen, die das Gesangbuch der dänischen Kirche bis zu
Grundtvigs Singvärk bildeten, schließlich in der Übersetzung

deutscher und englischer Erbauungsliteratur, in der folgerichtig
Arnds Wahres Christentum und Baylys Practice of Piety an der
Spitze stehen. Außerdem entstand eine pietistische Erbauungsliteratur
neu, obwohl noch von der Orthodoxie her zahlreiche
Schätze da waren. Typisch pietistische Erzeugnisse sind Hans
Bernhoft, Skat over all Skat (1703) und das anonyme Herlige
Laerdomme og Regler om et retchristlelig Lefnet mit dem Anhang
Det nye Creaturs Regel (1710).

In der folgenden Siegesgeschichte des Pietismus tritt eindrucksvoll
die Bedeutung des Missionssinnes und der Missionstat
für die Durchsetzung der neuen Frömmigkeit heraus, obwohl
etwa Hans Egede in Grönland, der Gesprächspartner des Herrn-
huters Christian David, noch ganz auf dem Boden der Orthodoxie
stand. Wohl in keinem Lande ist die Dynamik der Mission
für den Pietismus so groß wie hier. Unter Christian VI. bildet
die Verbindung mit dem Grafen Zinzendorf und sein Besuch im
Jahre 1731 das wichtigste Ereignis. Im Streit zwischen Halle und
Herrnhut um Dänemark hat Herrnhut gesiegt. Das schließt nicht
aus, daß noch um 1750 die hallische Prägung viele Pfarrer bestimmt
(S. 226). Die Entwicklung läuft dann der deutschen weithin
parallel, neben den kirchlichen Pietismus, dessen Führer der
hallisch bestimmte Erik Pontoppidan (1698—1764) wird, tritt ein
separatistischer, der die Bekämpfung durch staatskirchliche Verordnungen
erfährt. Beherrschend bleibt aber die kirchliche Haltung
des dänischen Pietismus.

Der zweite Teil des Werkes hat die schwierigere Aufgabe,
eine weit weniger geschlossene Epoche zu schildern. Er trägt darum
auch die allgemeine Bezeichnung „Die Zeit der Auflösung".
In 5 Kapiteln wird die Heraufkunft der Aufklärung unter der
Führung des Dichters Ludvig Holberg (1684—1754) erzählt, dem
sich der Eingang des Wolffianismus durch die jungverstorbenen
Professoren Andreas Lundhof (1710—1748) und Jens Kraft
(1720—65) einordnet. Gegenwirkungen erfolgen durch die Apologetik
Erik Pontoppidans und Peder Rosenstrand-Goiskcs
(1708—69). Der Rationalismus milderer Art wird durch den deutschen
Hofprediger, den mit Klopstock befreundeten Erzgebirgler
Johann Andreas Cramer (1723—1788) gefördert. Das Herrn-
hutertum wirkt als Unterströmung fort, besonders seit die Siedlung
Christiansfeld dafür einen beständigen örtlichen Quell-
punkt bot, außerdem aber tut die orthodoxe Erbauungsliteratur
des bei Amesius in Franecker gebildeten Jesper Rasmussen Broch-
mand und die spiritualistische Johann Arnds ihren Dienst.
Merkwürdigerweise scheint Jakob Böhme ohne Einfluß auf Dänemark
geblieben zu sein — hier wäre m. E. noch einmal energisch
nachzuforschen. Das Einströmen englischer Aufklärungsliteratur
wird deutlich, daneben freilich auch vorromantischer wie Youngs
Night-Thoughts, die Wirkung Deutschlands und Englands hält
sich nahezu die Waage. Eine glanzvolle Epoche des Supranatura-
lismus wird durch Ove Hoegh-Guldberg (1731-1808) bezeichnet,
Schul- und Universitätsreform, Teilnahme Dänemarks an der biblischen
Textkritik geben ihr ebenso das Gepräge wie Gottesdienstreform
(Abschaffung des Exorzismus) und Gesangbuchreform
. Darauf folgt — nicht ohne Beteiligung der gerade in Skan-
ninavien großen Begeisterung für die Französische Revolution —
der sog. „große Kirchenkampf" um die biblischen Wahrheiten
gegen ihre Bestreitung durch den Vulgärrationalismus. Wortführer
sind hier die radikalen Publizisten Matthe Moller (1771 —
1834) und Otto Horrebrow (1769-1823), ihr supranaturalistischer
Gegner vor allem Jens Winther Bentzon (1743—1823).
Außer dem kirchlichen Dogma war der Pfarrerstand heftigen Angriffen
ausgesetzt und wurde allein auf seine weltliche Brauchbarkeit
(in Kultur, Erziehung und Sozialgestaltung) befragt. Den
höchsten Grad kirchlicher Anpassung an diese Welle erreichte
Christian Bastholm (1740-1819). Ein letztes Kapitel schildert
die inneren Verhältnisse der Kirche, die Abnahme des Kirchgangs
, die soziale Stellung des Pfarrers, aber auch die rationalistische
Erbauungsliteratur, daneben Randerscheinungen wie Mystik
, Okkultismus. Aufnahme Lavaters und den beginnenden
Einfluß des Katholizismus. Die eingehende Schilderung der radikalen
Publizistik leistet den großen Dienst, das eigentümliche,
in Deutschland von seinen schwerfälligeren Verhältnissen aus
immer wieder mißverstandene Auftreten Kierkegaards aus der
dänischen Tradition verständlich zu machen. Es bliebe zu unter-