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Ausgabe:

1953 Nr. 11

Spalte:

664-665

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Höffner, Joseph

Titel/Untertitel:

Christentum und Menschenwürde 1953

Rezensent:

Lerche, Otto

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663

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 11

664

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATION UND GEGENREFORMATION

Kjöllerström, Sven: Biskopstillsättningar i Sverige 1531—1951.

[Mit dt. Zusammenfassg.] Lund: C.W.K. Gleerup 1952. 248 S.
4° = Studia Theologica Lundensia. Skrifter utgivna av Theologisca
Fakulteten i Lund 2. skr. 20.—.

Die Besetzung der Bischofsstühle ist in der Geschichte des
Kirchenrechts derjenige Abschnitt, in welchem sich der jeweilige
Status des Kirchenrechts wie in einem Auszug zu rekapitulieren
pflegt. So bedeutet denn für uns das Buch von Kjöllerström
zunächst jenen Abriß des schwedischen Kirchenrechts. Kjöller-
ströms eigene Absicht ist es aber, durch Heranführung des ganzen
ihm erreichbaren Quellenmaterials die Wandlungen aufzuzeigen,
welche seit der Reformation in Schweden die Bischofseinsetzung
durchgemacht hat. Diese Wandlungen traten auf a.) in der Frage
der Wahl, electio (hier: Welche Wahlkörperschaft? Echte oder
Schein-Wahl? Wahl als Privilegium oder als Recht? Ergibt die
Wahl den electus episcopus oder bloß einen Dreier-Vorschlag?),
b.) in der Frage der Bestätigung, confirmatio (Hat der König den
electus des Wahlaktes zu bestätigen, oder erst einen aus dem
Dreiervorschlag Ausgewählten?), c.) in der Frage der Aufstellung
ohne Wahl, nominatio (Ist der Benannte schon der Ernannte?).
Es erweist sich nun bei der Lektüre der Kjöllerströmschen Materialien
, daß Schweden seit der Reformation dieselben Probleme
durchprobieren und durchfechten mußte, welche auf dem katholischen
Gebiete vorher, gleichzeitig, nachher und immer wieder
die Eingriffe des Papstes und der katholischen Landesherren in
die kanonische Ordnung stellten. Ja man kann mit Nachdruck sagen
: Das lutherische Schweden fuhr mit seinen Königen in der
Bischofsangelegenheit mindestens nicht schlechter als die katholischen
Länder mit dem Papste und den katholischen Landesherren!
Und wenn die Entwicklung in Schweden schließlich auf den heutigen
Rechtsstandpunkt zulief: Das Domkapitel (beim Erzstuhl
Uppsala: die Domkapitel des Reiches) und die Geistlichkeit des
betreffenden Bistums sind die Wahlkommission, welche den
Dreiervorschlag durch Wahl zustande bringt, und einen von diesen
Dreien ernennt dann der König zum Bischof — so wird man
anerkennen müssen: Dieser schwedische Modus ist auf dem Boden
der christlichen, ja kanonischen Tradition (Wahl durch die Gemeinde
— Wahl durch Klerus und Volk — Wahl durch das Domkapitel
) kein Wildling, sondern ein edler Zweig. Gewiß hat so
der König von Schweden „die letzte Hand", aber eben nicht als
ein summus episcopus, oder Pseudopapst, sondern als König,
nämlich als der lutherische König in der lutherischen Bischofskirche
seines Landes. Daraus kann man sogar den Einfluß des
„Laienvolkes" bei der Bischofseinsetzung konstruieren.

Die Dinge der electio, confirmatio, nominatio behandelt
hier Kjöllerström abschließend, hingegen hat er für die Fragen
der Bischofsweihe (ordinatio, consecratio) eine eigene Schrift bereit
, die dem Liturgiker neue Aufschlüsse und dem Kirchenrechtler
von der Liturgik her Unterstreichungen geben dürfte. Jedenfalls
trifft heute Kjöllerströms Werk gerade in Deutschland auf
ein ganz anderes Gehör in den lutherischen Kreisen als zur Zeit
der „genehmigungspflichtigen Ekklesiologie". Und darum ist es
Kjöllerström besonders zu danken, daß er die alte Sitte, eine
deutsche „Zusammenfassung" beizusteuern, wieder aufleben läßt.

Augsburg Leonhard Fendt

Specker, Hermann: Die Reformationswirren im Berner Oberland
1528. Ihre Geschichte und ihre Folgen. Freiburg/Sdiweiz: Paulusverl
. 1951. XII, 112 S., 1 Kt. gr. 8° = Zeitschrift für Schweizerische
Kirchengeschichte Beih. 9. sfr. 5.—.

Wiederholt wurde nach dem Grund des Bernischen Zögerns
in der Unterstützung der Zürcherischen Politik gegenüber den
katholischen Orten in der Zeit der beiden Kappelerkriege von
1529 und 1531 gefragt. Die Historiker Hermann Escher und
Leonhard von Muralt glaubten ihn darin zu sehen, daß Bern
stark nach Westen orientiert war, wo Savoyen als katholische
Macht eine ständige Bedrohung darstellte. Um hier freie Hand

zu haben, habe sich Bern gegenüber den eidgenössischen katholischen
Orten Zurückhaltung auferlegt. Specker vertritt nun die
Auffassung, daß Bern weniger im Blick auf die Expansion nach
Westen, als vielmehr aus innenpolitischer Rücksicht vor einem
Konfessionskrieg auf eidgenössischem Boden zurückschreckte.
Denn im gleichen Jahre 1528, das im Januar zum Durchbruch
der Reformation anläßlich des großen Glaubensgespräches führte
— Zwingli war auch hier der maßgebende Kopf —, brach in den
Berggebieten des Berner Oberlandes ein bedrohlicher Konflikt
aus. Die Oberländer Bauern, besonders die Gotteshausleute des
Klosters Interlaken, hatten von der Einführung der Reformation
eine Befreiung von drückenden Zinsen- und Schuldenlasten erwartet
. Diese Hoffnung ging nicht in Erfüllung, indem der Staat
Bern die Besitzungen des Klosters mit allen Rechten übernahm.
Die Enttäuschung brach sich nun darin Bahn, daß die Oberländer
die Rückkehr zum Katholizismus ins Auge faßten, in der Überzeugung
, so ihre angestammten Freiheitsrechte besser wahren
zu können. Sie fanden darin rasch Unterstützung beim katholisch
gebliebenen angrenzenden Unterwaiden, durch Brünig- und
Jochpaß geographisch mit dem Berner Oberland verbunden. Vielerorts
wurde die Messe wieder eingeführt, reformierte Prädi-
kanten verjagt und durch Meßpriester aus Unterwaiden und Lu-
zern ersetzt. Der November 1528 brachte die Entscheidung.
Bern gab nicht nach, sondern rüstete sich zur bewaffneten Intervention
in den aufständischen Gebieten. Ohne daß es zum
Kampfe gekommen wäre, gaben die Oberländer dem militärischen
Druck nach, Flüchtlinge fanden Aufnahme im katholischen
Nachbargebiet, die evangelischen Pfarrer kehrten wieder zurück.

Specker, Schüler des an der katholischen Universität Freiburg
in der Schweiz lehrenden Historikers Oskar Vasella, ging
den Ereignissen auf Grund des vorliegenden Quellenmaterials bis
in alle Einzelheiten nach. Insbesondere ist es ihm gelungen, die
enge Verflechtung der maßgebenden religiösen und wirtschaftlichen
Beweggründe aufzuzeigen, die dem Aufstand zugrundc-
lagen. In ihm erblickt er die Ursache der eigenartigen Bernischen
Konfessionspolitik. „ . . . Bern hatte dabei die Gefahr erkannt,
die in der Einstellung seiner Untertanen und in der Taktik der
V Orte lag. Indem es durch diese Erkenntnis weitgehend zu
seiner zurückhaltenden Politik in den Kappelerkriegen bestimmt
wurde, trug der Oberländer-Aufstand letzten Endes wesentlich
dazu bei, daß der katholische Glaube in der Schweiz erhalten
blieb."

Zürich Rudolf PMster

Höffner, Joseph, Prof. Dr.: Christentum und Menschenwürde. Das

Anliegen der spanischen Kolonialethik im Goldenen Zeitalter. Trier:
Paulinus-Verlag 1947. 333 S. gr. 8°. DM 18.—.

Der Verfasser dieses Buches, in dem kaum eine Zeile ohne
genaue Nachweisungen geschrieben steht, weist darauf hin, daß
das Buch in der Zeit schärfster nationalsozialistischer Bedrängungen
geschrieben ist. Die Menschenwürde sei wie bisher noch
nicht mit Füßen getreten.

Das goldene Zeitalter Spaniens dürfte wohl in der Regierungszeit
Ferdinands und Isabellas und Kaiser Karls V. liegen.
Von Karl Brandis abschließendem Werk über Kaiser Karl V.
(1937) nennt Höffner nur den ersten Band, der 1937 im Jubiläumsjahr
der Universität Göttingen erschienen ist; der zweite,
1942 erschienene Band, der umfangreiche Nachweisungen aufbereitet
, ist Höffner nicht zugänglich gewesen. Die Auseinandersetzung
zwischen dem Althergebrachten und der neuen Kolonialethik
, die sich gegen die uns nur zu wohl bekannte Art der Eroberung
und Kolonisierung der Spanier in Amerika wendet und
die eine neue Theorie des Zusammenlebens der Völker auf der
Erde zulassen wollte, bezeichnet zugleich den Höhepunkt der
spanischen Kolonialethik im goldenen Zeitalter. Der Hofhisto-
riograph Kaiser Karls V, Juan Ginez von Sepulvcda, bekannt
durch einen Essay über die Toleranz d. h. über die Duldsamkeit
der Völker in ihrer Auseinandersetzung und in ihrem Zusammenleben
und vor allen Dingen durch ein Buch von den gerechten
Ursachen des Krieges (vergl. Eduard Fueter: Geschichte der neueren
Historiographie 1911 S. 234 ff.) vertrat sozusagen die alte
konservative spanische Gesinnung und er vertrat sie sehr ener-