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Ausgabe:

1953 Nr. 11

Spalte:

660-662

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Hahn, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Gottesdienst und Opfer Christi 1953

Rezensent:

Delling, Gerhard

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659

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 11

660

entrissene Heidelberger Neutestamentier Martin Dibelius in
einem Aufsatz in der Gunkel-Festschrift, „Stilkritisches zur Apg."
darauf hingewiesen, daß die beiden Teile des lukanischen Geschichtswerkes
nicht unter den gleichen Formgesetzen stehen,
denn in der Apg. handelt es sich nur zum Teil um Wiedergabe
geformter Tradition. Er hatte durch eine stilkritische Analyse
der in der Apg. verwandten Stoffe festen Boden zu ihrer Beurteilung
zu bereiten gesucht. In dem letzten Jahrzehnt seines Lebens
hat Dibelius sich oftmals und an verschiedenen Stellen
unter dem gleichen Gesichtspunkt mit der Apg. beschäftigt und
zwar mit sie als ganzes betreffenden Fragen („Die Apg. als Geschichtsquelle
" 1947; „Der erste christliche Historiker" 1948)
wie mit einer Reihe von Einzelfragen („Die Reden der Apg. und
die antike Geschichtsschreibung" 1949; „Die Bekehrung des
Cornelius" 1947; „Das Apostelkonzil" 1947; „Paulus auf dem
Areopag" 1939; „Paulus in Athen" 1947; „Der Text der Apg."
1941). Diese an zerstreuten und z.T. schwer zugänglichen Stellen
veröffentlichten Aufsätze, zusammen mit dem Beitrag aus
der Gunkelfestschrift und zwei unveröffentlichten Stücken aus
geplanten größeren Arbeiten („Die Apg. im Rahmen der urchristlichen
Literaturgeschichte" und „Paulus in der Apg.") hat Heinrich
Greeven gesammelt und, mit einer Reihe von Verweisen,
z. B. auf Erweiterungen einer englischen Fassung, mit Hinweisen
auf andere Äußerungen Dibelius', mit Verweisen zwischen den
abgedruckten Aufsätzen und mit einer Reihe von Registern versehen
, herausgegeben.

Es ist natürlich nicht zu vermeiden gewesen, daß dabei
mancherlei Wiederholungen vorkommen, doch ist es dankenswert
, daß alles in vollem Wortlaut gebracht worden ist, um die
Positionen von Dibelius so klar wie möglich zu machen.

Überblickt man den Ertrag dieser lebenslangen Arbeit an
der Apg., so tritt uns statt eines Redaktors, der Quellen mehr
oder minder ungeschickt zusammengeleimt hat, im Verfasser der
Apg. ein Mann entgegen, der mit den Mitteln seiner Zeit beides
vereint: Historiker und Prediger zu sein. Statt ihm schulmeisterlich
Fehler und Widersprüche anzukreiden, lehrt uns Dibelius,
zuerst nach seinem Wollen und nach seinen Zielen zu fragen,
denen er seinen Stoff, ihn gestaltend, erweiternd und kürzend,
dienstbar machte. Seine einzige „Quelle" war das Itinerar, das
auch im „Wir-Bericht", aber nicht nur da, zugrunde liegt. Die
Apg. tritt uns als das Werk des Paulusschülers Lukas entgegen,
der seiner Zeit, Christen und Heiden, das Walten Gottes in der
Geschichte der ersten Gemeinden nahezubringen suchte und auch
in die Zukunft wies damit, daß er „früher als andere spürte,
was der christlichen Predigt not tat, wenn sie von den Gebildeten
gehört werden sollte" (S. 75, zur Areopagrede).

Einige Hauptpunkte seien genannt. Die Corneliusgeschichte
ist von Lukas aus einer einfachen, nicht grundsätzlich
gemeinten Legende zu einer Geschichte gestaltet, die
zeigt, daß Gott und nicht Menschen den Weg zur Heidenmission
gewiesen haben. Dann müssen bei dem Apostelkonzil
auch die Reden des Petrus und Jakobus, die sich auf die so gestaltete
Corneliusgeschichte beziehen, als Arbeit des Lukas erkannt
werden und es bleibt außer den einleitenden Versen und
dem Aposteldekret nichts Konkretes mehr übrig. Letzteres ist
nicht erfunden, aber nach antiker Art hier erst eingefügt worden
, Lukas hat es „irgendwo in Antiochia, Syrien oder Kilikien"
angetroffen und den Beridit vom Apostelkonzil gestaltet, um
erneut zu zeigen, daß Gott selbst seinen Willen zur unbeschränkten
Heidenmission offenbart habe. Historisch kann Apg. 15 dann
nicht neben Gal. 2 bestehen. Mit der Areopagrede weist
Lukas in die Zukunft. In Kap. 27 sind in einen profanen Seefahrtsbericht
(auf Grund besonderer Kenntnis?) ein paar Notizen
über Paulus eingefügt. Das „Wir" macht dieses Stück noch
nicht zu einem persönlichen Dokument, wie das Fehlen des „Wir"
nicht das Abbrechen des benutzten Itinerars bedeutet. Bei dem
TextderApg. müssen wir auch dem ägyptischen Text gegenüber
stärker mit Textentstellungen rechnen, da der Text länger
als bei dem Evangelium nicht durch kirchlichen Gebrauch relativ
geschützt war, wir müssen und dürfen daher mehr den Mut zu
Konjekturen haben. Besonders wichtig ist der Aufsatz über die
Reden der Apg. und die antike Geschichtsschreibung. Wie

in der Antike überhaupt, sind auch in der Apg. an die Reden
nicht die Maßstäbe historischer Zuverlässigkeit zu stellen; sie
sollen vielmehr hier wie dort den Dienst grundsätzlicher Erhellung
der Lage leisten. So liegt auch Lukas „nicht an der Darstellung
eines einmaligen geschichtlichen Vorgangs, . . . ihm liegt
an der Typik..." 133. Die Frage nach der Historizität der Reden
ist dabei „ganz im Dunkeln zu lassen" — sie ganz verneinen
, dazu haben wir kein Recht (S. 141 A. 1.) Nur eine
kritische Bemerkung möchte ich hier anschließen: bei den Reden
der Apg. ist das eigentliche Kerygma meist auffällig kurz in
einem Satz zusammengefaßt (2, 36; 13, 38 f.; 17, 30 f.): der Anmarschweg
ist Lukas wichtiger. Warum? Das Kerygma war eins
und bekannt, die Anmarschwege wechselten. Rö. 1 ist nicht
Wiedergabe der paulinischen Missionspredigt mit ihren Anmarschwegen
, sondern eine grundsätzliche Besinnung über die Grundlagen
seiner Predigt. Beides zusammen muß das Urteil über die
Areopagrede doch modifizieren.

Aber wieweit man auch in diesen oder anderen Stücken
Dibelius zu folgen vermag, unabhängig davon bleibt, daß er dadurch
, daß er aufzeigt, wie Lukas den Zusammenhang und den
„Richtungssinn" der Ereignisse sichtbar gemacht hat (S. 110),
die Erforschung und das Verständnis der Apg. und ihres Verfassers
ein ganz wesentliches Stück weitergeführt hat und man
dankt auch dem Herausgeber für seine sorgfältige Arbeit.

Hornheide über Münster/W. Werner Foerster

Hahn, Wilhelm: Gottesdienst und Opfer Christi. Eine Untersuchung
über das Heilsgeschchcn im christlichen Gottesdienst. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1951 (Lizenzausgabe d. Evang. Verlagsanstalt
, Berlin). 142 S. gr. 8° = Veröffentl. d. Evang. Gescllsch. f.
Liturgieforschung H. 5. Hlw. DM 9.60.

Das Buch, aus der Fragestellung des praktischen Theologen
herausgewachsen (9—13), ist eine Untersuchung zur Theologie
des Neuen Testaments. Da es um die grundsätzlichen Erkenntnisse
geht, wird das NT — das bestimmt die gesamte Untersuchung
wesentlich — als Einheit gesehen.

A I: Das NT lehnt nicht den Kultus überhaupt ab. Der alttcsta-
mentliche Kultus hat sein heilsgeschichtliches Recht; er wird durch das
eschatologische Geschehen in Christus abgelöst (15—24).

A II: 1. Die Bezeichnungen der Amtsträger und die termini für
das gottesdienstliche Handeln der Urchristenheit meiden zwar offensichtlich
kultische Begriffe (diese werden vielmehr in den ethischen Bereich
übertragen); doch soll damit nach H. lediglich eine Eintragung
synkretistischer Vorstellungen vermieden werden (24—28).

2. „Das ganze Leben der Urchristenheit fließt aus dem Gottesdienst
und ist ihm einbezogen" (29[—33]; das wird besonders anhand
von Ag. 2—5 dargelegt [29—31]).

3. Urchristlicher Gottesdienst ist „da, wo Menschen zusammenkommen
und Christus der Mittelpunkt ihrer Versammlung wird"
3 5[—37], also (so betont H. gegen Cullmann) auch in der Missionsversammlung
, ja selbst im Synagogengottesdienst, sofern in ihm Christus
gepredigt wird (34 f.).

B I: 1. Der von seinem Ursprung her unkultische, im palästinischen
Bereich z. T. eschatologisch gefüllte Begriff ixxXtjala bezeichnet „die
sich im Gottesdienst sammelnde Gemeinde" Gottes (42; überh. 40—43).

2. Im Gottesdienst (insbesondere im Abendmahl) kommt die
xoivwvia mit Christus zustande, die sich u. a. im Leiden der Christen
vnd in ihrer Verbundenheit untereinander auswirkt (43—49).

3. oeü/zo ist schon Rom. 7, 4 und 1. Pt. 2, 24 „der alle Christen ...
umschließende... Leib Christi" (51); diese Wortverbindung möchte
H. herleiten (57 f.) von dem Jesuswort über das Abbrechen und Aufbauen
des Tempels in drei Tagen (dessen ursprüngliche Form herausgearbeitet
wird [52—56]). Der „Leib Christi" ist dann (das ist dem
Vf. wichtig [73]) „streng christologisch der Kreuzesleib von Golgatha
..., in dem sich die Kirche bereits als geschaffen... weiß"; diese
ist die eschatologische „Kultgemeinde", die „durch das . . . Opfer Christi
gegründet wurde" (59). H. sieht seine Vermutung durch den Abschnitt
Eph. 2, 11—22 bestätigt, der „einer Homilic über das lesuswort
gleicht" (59; z. St. 59—64). Durch das Abendmahl werden die Christen
„in den Christusleib am Kreuz hineingezogen" „und werden ein»"