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Ausgabe:

1953 Nr. 11

Spalte:

655-658

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schweizer, Eduard

Titel/Untertitel:

Geist und Gemeinde im Neuen Testament und heute 1953

Rezensent:

Schneider, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 11

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fluß in Frage kommt. Ebenso ist es nicht sicher, ob auf die Textform
der biblischen Handschriften von Kh. Qumrän die Septua-
ginta oder ihre hebräische Vorlage eingewirkt hat.

Wenn auch die näheren Umstände nicht ganz klar sind, so
ist doch bekannt, daß Onias IV., der Sohn des verjagten und
schließlich ermordeten Hohenpriesters Onias III., nach Ägypten
floh und dort von Ptolemäus Philometor gut aufgenommen wurde.
Von der Judenschaft Ägyptens als rechtmäßiger Hoherpriester
anerkannt, verstand er es, dem Könige hervorragende Dienste zu
leisten. Zum Danke erhielt er die Möglichkeit in Leontopolis,
innerhalb eines stark von Juden bewohnten Gebietes einen Jahwe-
Tempel zu bauen. Es ist interessant, daß nach Josephus die Begründung
dafür aus Jes. 19, 19 genommen wurde. Gerade Jesaia
spielt in der Gedankenwelt der Sekte eine große Rolle. Die Erbauung
dieses Tempels stellt eine revolutionäre Tat dar, da hinter
ihr die neue Anschauung steht, daß der legitime Hohepriester
dem legitimen Ort vorgehe. Onias IV. muß auch genügend Priester
und Leviten um sich gehabt haben, um den Tempelbetrieb
aufrecht erhalten zu können. Einem Mann seines Schlages könnte
man auch die ebenso revolutionäre Tat der Einführung eines
neuen Kalenders zutrauen, der für die Feste seines Tempels das
Jahr unter Anlehnung an den ägyptischen Kalender neu ordnen
sollte. Dem Hellenismus in gemäßigter Form scheint die Oniaden-
familie nie abgeneigt gewesen zu sein. Das Vorgehen der radikalen
Hellenisten und des Antiochus IV. in Palästina setzt schon
eine weitgehende Hellenisierung des Landes voraus. Die Sekte
von Kh. Qumrän ist zwar antihellenistisch, aber auch antimak-
kabäisch und prosadoqqidisch. Es wäre nicht unmöglich, daß sich
in ihr orthodox-nationale Elemente der Asidäerbewegung mit
solchen von Leontopolis mischten. Die Haltung des Ananias und
Chelkias, der Söhne des Onias IV, die nicht nur Priester von
Leontopolis waren, sondern auch hohe Führerstellen im ägyptischen
Heer innehatten, wäre dann freilich eine Enttäuschung für
sie gewesen. Hätte es doch in der Macht dieser Männer gelegen,
Alexander Jannai aus seiner, nach Meinung der Sekte angemaßten
, Stellung zu vertreiben.

Vergleiche zu Punkt:

1.) R. de Vaux: Fouille en Khirbet Qumrän, RB LX/l 1953
S. 85 ff.

J. T. Milik: Le Giarre dei Manoscritti del Mare Morto e del
Egitto Tolemaici, Bibl. 31, 1950 S. 540 ff.

Alex. Schärft: Grundzüge der ägyptischen Vorgeschichte, Morgenland
12, 1927 S. 35

2. ) de Vaux a. a. O.

A. Wiedemann: Die Toten und ihre Reiche im Glauben der alten

Ägypter, AO 2/2 1910 S. 23
Josephus BJ VIII/128
Jubil. 4, 29

3. ) Th. Hopfner: Orient und griechische Philosophie. BAO 4 1925

S. 23
DSD VII, 15 ff.

4. ) H. J. Bell: Juden und Griechen im römischen Alexandria, BAO 9

1926 S. 12
DSD, CDC

5. ) S.A. Yahuda: Die Sprache des Pentateuch in ihrer Beziehung

zum Ägyptischen, London 1936 S. 9 f.
DSD I. /'

6. ) Philo: De Vita contemplativa sive Therapeutis

7. ) Scharff a. a. O. S. 56

S. Talmon: Yom Kippurim in the Habakkuk-Scroll Bibl. 32 1951
S. 549—563

DSD X, l ff.

äth. Henoch 72—82,

Jubil. 6, 30 ff.

8. ) E. Sukenik: Megilloth Genuzoth I.

9. ) Josephus BJ VIII/154

Jubil. 23, 31

10. ) Josephus BJ VIII/155

Scharff a. a. O. S. 30
Wiedemann a. a. O. S. 31 f.

11. ) Kafka-Eibl: Der Ausklang der antiken Philosophie, S. 167 ff.

Euseb. Präp. Evang. VIII, 10 ff. XIII, 12 ff.
DSD 111,15 ff.

12. ) DSD III, 15 ff.

Sirach 33/16 46/12 49/10
Wiedemann a.a.O. S. 13

H. Greßmann: Tod und Auferstehung des Osiris AO 23/3 1923
G. Molin-Der Habakukkommentar von 'En Fercha in der alttesta-
mentlichen Wissenschaft BTZ 8/5 1952 S. 340 ff.
Zum Schluß: Talmon a.a.O.

A. Schlatter: Geschichte Israels von Alexander dem Gr. bis Hadrian
3. Aufl. 1925 S. 33 und 122 ff.
Josephus Ant. XII/9/7 XIII/3/1-3; BI l/VIl/lO II, Makk. 4,34

NEUES TESTAMENT

Schweizer, Eduard: Geist und Gemeinde im Neuen Testament und
heute. München: Chr. Kaiser 1952. 50 S. 8° = Theolog. Existenz
heute N. F., hrsg. v. K. G. Steck u. Gg. Eichholz, H. 32. DM 2.80.

Schweizer geht von dem Satz aus, daß die Eigenart der
Gemeinde in ihrem Geistverständnis sichtbar wird. Ein Überblick
über das Geistverständnis im NT ergibt folgendes Bild:

Bei M k. und M t. finden sich nur wenige Aussagen über den
Geist. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß sie noch at. Gepräge
tragen. Die Gegenwart des Geistes wird als Zeichen für das erst noch
Kommende verstanden. Bei L k. handelt es sich um den Versuch, die
Geistbegabung der Gemeinde und damit die Gemeinde selbst neu zu
verstehen. Aber da für Lk. hl. Geist fast ausschließlich Geist der Pro-
phetie ist, bleibt auch er noch an das jüdische Geistverständnis gebunden
. Der Durchbruch zu einem wirklich neuen Verständnis ist
bei ihm noch nicht vollzogen. Lk. hat wohl die Aufgabe gesehen,
den Geist nicht nur als ein Vorzeichen kommender Dinge zu verkünden
, sondern auch als Ausprägung der schon hereingebrochenen
Heilszeit, aber er hat das ihm gesetzte Ziel nicht erreicht. Das bedeutet
für das Gemeindeverständnis des Lk., daß die Gemeinde sich
hier gegenüber Israel noch nicht grundsätzlich neu verstehen kann.
Der Geist wird noch nicht als Gabe an alle verkündet, er wird nur besonders
Auserwählten für besondere Augenblicke geschenkt. Darum
kann die Gemeinde sich in ihrer Struktur und ihren Ordnungen nicht
anders begreifen als die jüdische Gemeinde, aus der sie langsam herauswächst
. Das wird erst anders in der vom hellenistischen
Denken geprägten Gemeinde, die den Geist als himmlische
Substanz auffaßt, die ihr gegeben wird. Damit wird auch die
Gemeinde neu verstanden. „Sie ist nicht mehr die wartende, sie ist die
besitzende Schar derer, die Himmelssubstanz zu eigen haben." Das
entscheidend neue Verständnis der Gemeinde aber wird von Paulus
vollzogen, wenn er die Gemeinde als Leib Christi bestimmt. Paulus
hat den Begriff des Leibes Christi vom gnostischen Denken her übernommen
. Denn für die Gnosis ist der Erlöser der durch den ganzen
Kosmos ausgebreitete, aus Geist, d. h. aus Himmelssubstanz bestehende
„Leib", welcher die Summe aller Geistfunken der Pneumatiker ist.
Aber Paulus hat den Begriff „Leib Christi" anders verstanden als die
Gnosis. Er meint mit dem Geistleib des Christus nicht mehr eine himmlische
Stofflichkeit, sondern ein „Kraftfeld", in das der Mensch versetzt
wird. Wenn die Gemeinde Leib Christi ist, so bedeutet das, daß
sie in Christus von den Heilsereignissen Kreuz und Aufertehung lebt.
Den Geist versteht Paulus nicht mehr als eine Kraft für außergewöhnliche
, auffällige Wundertaten, sondern als die den Glauben schenkende
, mit Christus verbundene Kraft. Diese Grundauffassung prägt
sich auch in der konkreten Gestaltung der Gemeinde aus. Die Gemeinde
kennt kein Amt mehr, sondern nur Dienste, welche die Gemeinde
ordnet. „Nicht weil einer zum Priester oder Presbyter oder
zum Gemeindevorsteher geweiht, gewählt, geordnet ist, darf er diese
oder jene Funktion ausüben, sondern weil ihm diese oder jene Funktion
von Gott geschenkt ist, wird ihm durch die Ordnung der Gemeinde
die Möglichkeit gegeben, sie auszuüben." Das ist die vollkommene
Überwindung der Ordnung der jüdischen Gemeinde. Noch
radikaler als Paulus denkt Johannes. Durch die schroffe Gegenüberstellung
von Fleisch und Geist steht Johannes der Gnosis noch
näher als Paulus. Er kann die Ausdrücke, die wir aus der Gnosis kennen
, „weit ungehemmter" übernehmen, weil für ihn das Neue, das
der Gemeinde gegeben ist, die koinonia mit dem Sohne ist, die Ge-
meinsdiaft mit ihm, „die zugleich die Anteilhabe an der Sphäre