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Ausgabe:

1953

Spalte:

653-656

Autor/Hrsg.:

Molin, Georg

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1953

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der Säkularisation des Lebens sich immer deutlicher den Augen
der Bevölkerung offenbaren; ein Wandel in ihrer Haltung und
Einstellung macht sich bereits spürbar und wird in den Äußerungen
einiger unserer tiefsten zeitgenössischen Denker zum Ausdruck
gebracht. Zwar ist und war die ausgesprochene Pflege des
Glaubens immer Angelegenheit der Kirche, aber ein Gefühl für
die Wichtigkeit desselben zu erwecken, gehört auch mit zu der
Verantwortung einer öffentlichen Erziehung. Indem die Schule
solch ein Gefühl erweckt, bringt sie nur ihre erzieherische Aufgabe
zur letzten Erfüllung, muß es doch ihr Ziel sein, dauerhafte
und wegweisende Anschauungen über die Bedeutung des Lebens
und auf ihnen fußende Verpflichtungen für persönliche Lcbens-
gestaltung zu übermitteln. Natürlich kann die Schule solche
Überzeugungen und Verpflichtungen ihren Schülern nicht aufzwingen
, aber sie kann doch, und sollte es gewißlich auch, einen
Sinn der Verantwortlichkeit dafür pflegen, in der Verwirklichung
jener sittlichen Normen die Erfüllung des höchsten Imperativs zu
sehen, und zu diesem Zweck ihre Schüler und Studenten in Be-
| rührung und Begegnung mit den geistlichen und göttlichen Quellen
bringen, aus denen Gemeinschaft sich bildet und gespeist
wird.

Laßt uns nichts von unserem Enthusiasmus für wissenschaftliche
Lehre und Forschung und deren nützliche und praktische
Anwendungen aufgeben, aber laßt uns dabei stets eingedenk sein,

j daß nur ein starker Glaube die Verworrenheiten des Lebens lösen
und daß nur eine dauerhafte, auf hohe Ziele gehende Verpflichtung
der Erziehung Vollständigkeit und Vollkommenheit

i verleihen kann."

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in l

26. Hat die Sekte von Khirbet

Von Georg

Mit voller Absicht hat die Überschrift dieser Zeilen ein
Fragezeichen erhalten. Es ist nicht ihre Aufgabe, eine neue Hypothese
aufzusteilcn, wozu ich auf einem mir so fremden Fachgebiet
auch kein Recht besäße, sondern lediglich die Kenner des
hellenistischen Ägypten und besonders der jüdisch-ägyptischen
Diaspora auf einige Züge im Bilde der Sekte aufmerksam zu machen
, die nach Ägypten weisen und sie dadurch zu genauerer Untersuchung
der Fragen anzuregen.

Ich selber vertrete nach wie vor die Ansicht, daß das Gedankengut
der Sekte vor allem aus alttcstamentlichen Begebenheiten
abzuleiten ist, doch ist hie und da das alttestamcntliche
Gut ein wenig umgefärbt worden, so daß man wohl auch an
fremde Einflüsse denken kann, die aber kaum direkt eingewirkt
haben, sondern schon gesiebt, umgedacht und judaisiert den Begründern
der Sekte zugekommen sind, als hätten sie den Filter
einer jüdischen Diaspora durchlaufen. An Ägypten, dessen Diaspora
wohl das reichste geistige Leben hatte, erinnern die fol- I
genden Züge im Bilde der Sekte und der mit ihr zusammenhängenden
Funde, die ohne Rücksicht auf ihre Bedeutsamkeit
nur als Hinweise aufgeführt sind.

1. ) Wie bereits allgemein bekannt, wurden die ersten
Qumräntexte von 1947 eingewickelt in Leinen und verpackt in
zylindrische Tongefäße gefunden. Auch die Grabungen in Kh.
Qumrän und die Untersuchung der umliegenden Höhlen haben
Gefäße dieser Art zu Tage gefördert. Auf Grund der Tatsache, ;
daß eines davon im Boden eines Raumes eingelassen gefunden
wurde, hat de Vaux seine erste Ansicht vom hellenistischen Ursprung
dieser Gefäße und ihrer Sonderanfertigung für Bibliotheks-
zwecke zurückgezogen und sie für geläufige Vorratsgefäße erklärt
. Der Krug im Boden des Gebäudes von Kh.Qumrän war
aber leer, obwohl mit einem großen Stein abgedeckt. Er fand sidi |
im Nebenraum des großen Saales noch in situ. Es liegt nahe, daß j
er nicht zur Aufbewahrung von Vorräten, sondern von Büchern
gedient hat, die bei den Versammlungen im großen Saal benötigt
wurden. Der Gefäßtyp beschränkt sich in Palästina auf die
Pündgruppe von Kh. Qumrän. Weder die zeitlich nicht allzuweit
abstehenden Funde vom Wadi Murabba'at noch die Gräber von !
Jerusalem weisen etwas Ähnliches auf. Dagegen berichtet Milik j
yon zwei ganz gleichartigen Gefäßen des Turiner ägyptischen j
Museums, die in Der cl Medina bei Theben gefüllt mit in Leinen j
gewickelten Papyri gefunden wurden, aus deren Datierungen sich
einwandfrei die Herkunft aus ptolemäischer Zeit ergibt. Größe,
Form und Technik dieser Gefäße entsprechen ganz dem mittel- |
großen Typ von Kh. Qumrän. Die zylindrische Form und die
Sdnuirösen an der Schulter erinnern an Steingefäße schon der j
zweiten ägyptischen Kultur. Es wäre nicht unmöglich, daß die j
billigen Tongefäße zur Aufbewahrung von Urkunden und Büchern
einst teure steinerne Vorgänger gehabt hätten.

2. ) Die bisher auf dem Friedhof von Kh. Qumrän geöffneten
Gräber enthielten fast alle Leichen in N-S Lage, den Kopf nach |
Osten gewendet, die Hände eng am Körper ausgestreckt oder |

»alästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

Qumrän Beziehungen zu Ägypten?

M o I i n, Graz

über dem Magen gekreuzt. Das erinnert an die Lagerung der Toten
in Ägypten von der frühdynastischen Zeit an. Die Wendung
nach Osten könnte auch mit der Schätzung der Sonne in den
Sitten der Sekte zusammenhängen, die vielleicht selbst wieder
etwas mit Ägypten zu tun hat.

3. ) Der hellenistische Philosoph Chairemon, der ägyptischer
Herkunft war, berichtet von den ägyptischen Priestern, daß sie
nur selten lächelten, nie lachten und ihre Hände in den Ärmeln
des Gewandes verborgen hielten. Damit vergl. man DSD VII, 15 ff.

4. ) DSD und CDC sprechen oft von den rabbim, über denen
die mebhaqqerim stehen. Ähnlich technisch verwendet Pseudo-
Aristeas plethos und hegoumenoi.

5. ) Nach Yahuda liebt der ägyptische Kurial- und Sakralstil
endlose finale und konsekutive Konstruktionen sowie Verwendung
des Infinitivs in imperativischer Bedeutung. Damit vergl.
man den Stil der DSS, besonders von DSD.

6. ) Philo kennt in Ägypten eine der Sekte ähnliche Bewegung
, die Therapeuten.

7. ) Die Sekte verwendet einen Kalender, der sich vom üblichen
jüdischen stark unterscheidet. Er rechnet nicht mit einem
Mond — Sonnenjahr, sondern mit einem reinen Sonnenjahr von
12 Monaten zu 30 Tagen und je einem Schalttag im Vierteljahr
. Genaue Parallelen scheinen bisher dazu nicht bekannt zu
sein. Am nächsten kommt der ägyptisdie Kalender mit 12 Monaten
zu 30 Tagen und 5 Epagomencn am Schluß des Jahres.
Über den Jahresbeginn bei der Sekte ist kaum etwas auszumachen.
Ihr Kalender ist eine sehr rationale Neuschöpfung und, bis auf
den Fehler von einem Tag, dem ägyptischen sogar überlegen.

8. ) Die Sekte siedelt trotz ihrer zeitweiligen, aus CDC ersichtlichen
, Beziehung zu Damaskus im Süden Palästinas. DSW
spricht noch vor dem Aufenthalt in Damaskus von Judäern und
Benjaminiten, die heraufgezogen sind aus der Wüste der Völker,
um zu lagern in der Wüste Jerusalems. Die Traditionen des Wüstenzuges
spielen in ihrer Organisation eine große Rolle.

9. ) Ungleich dem sonstigen palästinensischen Judentum
scheint die Sekte keine leibliche Auferstehung zu kennen. Sie
wird zumindest dort nicht erwähnt, wo man sie erwarten müßte.
Doch kennt sie ein seliges Leben der Frommen nach dem Tode.
Auch das verwandte Jubiläenbuch spricht vom Ruhen des Leibes,
während die Seele Freude habe.

10. ) Nadi Josephus liegt der Ort der Seligkeit jenseits des
Ozeans, das heißt im Westen. Der ferne Westen gilt in Ägypten
schon seit vorgeschiditlidier Zeit als die Gegend des Totenreiches.

11. ) Die Erschaffung der Welt durch Gott selbst, ihre weitere
Regierung aber durdi Mittelwesen kennt schon der jüdisch-alexan-
drinischc Philosoph Aristobul um 150 v. Chr.

12. ) Fraglich ist, wie weit für den in der Sektentheologie so
wichtigen Gegensatz Licht — Finsternis und die Anschauung von
der Organisation der Welt in Gegensatzpaaren ägyptischer Ein-