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Ausgabe:

1953 Nr. 10

Spalte:

633-634

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Arnold, Franz Xaver

Titel/Untertitel:

Dienst am Glauben 1953

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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633

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 10

634

Arnold, Franz Xaver, Prof. Dr.: Dienst am Glauben. Das vordringlichste
Anliegen heutiger Seelsorge. Freiburg: Herder 1948. 92 S.
gr. 8° = Unters, z. Theologie der Seelsorge, hrsg. v. F. x. Arnold.
Bd. I. DM 4.-.

— Grundsätzliches und Geschichtliches zur Theologie der Seelsorge. Das

Prinzip des Gott-Menschlichen. Freiburg: Herder 1949. 172 S. gr. 8°
= Untersuch, z. Theologie der Seelsorge. Bd. II. Kart. DM 5.80

In diesen beiden Schriften werden Anliegen, welche einst
innerhalb der einigen abendländischen Christenheit die Reformation
verfocht, und gegen welche damals die Polemik des der
Reformation abgeneigten Teiles der Christenheit kämpfte, nun
innerhalb des römischen Katholizismus vertreten, im Namen
sowohl eines echteren vor- und auch nadi-reformatorischen Katholizismus
als auch im Namen des Evangeliums. Die innerkatholischen
Gegner, gegen welche sich Arnold dabei richtet, bezeichnet
er als den nachtridentinischen Antiprotestantismus und die katholische
Aufklärung; ihnen wirft er vor, daß sie das Echt- und
Ursprünglich-Katholische verdarben, speziell in der katechetischen
und homiletischen Praxis, im sakramentalen Leben, in der
Seelsorge überhaupt, aber auch in der Theorie (Katechetik, Homiletik
, Liturgik, Lehre von der Seelsorge). Das Verderben in der
Praxis wird sichtbar am Verderben in der Theorie, und die Frage
bleibt, ob das Verderben in der Theorie der Grund für das Verderben
in der Praxis sei oder umgekehrt. Es geht nun bei Arnold
hauptsächlich um zwei Lebens- und Problem-Kreise: 1. um den
Verfall der Glaubenspredigt und Glaubenskatechese (wozu unsereiner
vergleicht Conf. Aug. art. XX: cum igitur doctrina de
fide, quam oportet in ecclesia praeeipuam esse, tamdiu iacuerit
ignota . . .); 2. Um die rechte Vermittelung zwischen dem Wirken
Gottes zum Heil der Menschen und dem Wirken des Menschen
in dieser Gnadensphäre (vgl. Form. Conc. II. Pars, Sol. Deel. De
libero arbitrio: Hoc vero ipsum, quod cooperamur, non ex
nostris carnalibus et naturalibus viribus est, sed ex novis illis
viribus et donis, quae Spiritus Sanctus in conversione in nobis
inchoavit).

Demnach entrollt Arnold in seinem ersten Bändchen den
Primat des Glaubens, nämlich des Glaubensaktes, der fides, qua
creditur. Dieser Glaube wird unumwunden als die Hauptsache
aller Hauptsachen herausgestellt. Auch das opus operatum der
Sakramente geschieht nur innerhalb dieses Glaubens (nach
Arnold; vgl. Conf. Aug. art. XIII: Itaque utendum est sacramen-
tis ita, ut fides accedat. . .). Aus antiprotestantischen und später
aus aufklärerischen Gründen wurde, nach Arnold, die fides, quae
creditur, das Glaubens-B ekenntnis, also die menschliche
Antwort auf Gottes Heilstat, in Katechese, Predigt und Seelsorge
überhaupt zur Hauptsache aller Hauptsachen gemacht und
so die Glaubensverkündigung vom Glaubensakt her radikal verbogen
. Arnold weist darauf hin, daß gerade vor der Zeit der
Reformation die Glaubenspredigt und Glaubenskatechese im
Sinne der fides, qua creditur in der Christenheit darnieder lag —
nachher nahm man aus Antiprotestantismus und aus aufklärerischem
Geiste wieder dieselbe Haltung ein. Deswegen verlangt
Arnold eine heftige Erneuerung der Glaubenspredigt und der
Glaubenskatechese, ja der Glaubensscelsorgc, welche Erneuerung
den Glaubensakt als göttliche Gabe in den Vordergrund rückt
und die Momente und Kräfte des Glaubensaktes entfaltet (wie
Jungmann es tut, und wie es Hirscher tat). Diesem aktuellen
Verlangen zuliebe strebten einige zunächst nach einer eigenen
»Verkündigungstheologie" („Seelsorgetheologie") gegenüber der
Schultheologie. Aber sie ließen sich durch Schmaus, Soiron u. a.
belehren, daß man auf diese Weise die Theologie auseinander-
hreche. So bleibt es bei der einen Theologie, aber auch ihr wird
die Glaubensverkündigung als das große Anliegen der Praxis
vor die Fenster gestellt.

Im zweiten Bande versucht Arnold der Praxis und der
Pastoraltheologie zu gunsten den Auglcich I.) zwischen Personalismus
(der Einzelne als Empfänger der Heilstat Gottes) und
kirchlicher Gemeinschaft, II.) zwischen dem Gotteswirken zum
Heile und der kirchlichen Verkündigung und Sakramentenspcn-
dung, III.) zwischen der Aktivität Gottes und der des Menschen
'n der Gnadensphäre. Zu I.) sagt Arnold der Übcrwuchcrung des
Kirchlichen über das Individuelle ebenso den Krieg an wie dem
Überwiegen des Individualismus über das Kirchliche. Die Überwucherung
des Kirchlichen über das Individuelle brachte nach
Arnold den Organismusbegriff in Flor („übernatürlicher Blutkreislauf
", „Eintritt in das reale Christusleben", „Lebensgemeinschaft
im eigentlichen Sinn"). Hier werde übersehen, daß der
weithin so beliebte Organismusbegriff auf die Kirche nur im
Sinne eines Analogon angewendet werden dürfe, aber nicht
schlechthin, als handle es sich um ein „kirchliches Kollektiv".
Dasselbe sagt Arnold von dem Gebrauch des Begriffs „Leib
Christi" für die Kirche: nicht „naturhaft" gemeint, sondern
„bildlich". Unter der Gottesgnade stehen vielmehr Personalismus
und Kirchengemeinschaft gleichbetont ineinander. Zu II.) erklärt
der Autor: Der Tätigkeit der Kirche in Verkündigung,
Sakramentenspendung, Seelsorge überhaupt, darf nicht mehr zugesprochen
werden als ihr in Wahrheit zukommt. Die Tätigkeit
der Kirche bringt nicht das Heil hervor, sondern vermittelt es
nur werkzeuglich. Die Urheberschaft ist Gottes, der werkzeugliche
Dienst eignet der Kirche. Das Amtspriestertum kann und
darf nicht überbetont werden. Zu III.) endlich meint Arnold: Die
Urheberschaft des offenbarenden Gottes schließt die freilich nur
sekundäre Urheberschaft der menschlichen Vernunftnatur gerade
im Glaubensakt nicht aus, sondern ein; beide Urheberschaften
stehen nicht nebeneinander, nicht gegeneinander, sondern ineinander
. Der Glaube ist nicht nur ein gnadenhafter göttlicher Akt,
sondern sekundär auch zugleich ein natürlich-Menschliches, ein
sittlicher, menschlicher Akt des Horchens und Gehorchens, des
uxoveiv und vnaxoveiv — darin liegt es auch, daß er nicht
bloß ein Ja zum Glaubensakt, sondern auch zum Glaubensinhalt,
zur fides, quae creditur ist. Speziell die Wirksamkeit der Sakramente
ist bedingt durch die passio Christi und die fides passio-
nis Christi; „auch im Sakrament, wie im Glauben, greifen Gottes
schöpferisches Tun und des Menschen freie geistige Glaubenstat
ineinander". Das Tridentinum wird zitiert (Sess. VII. De sacra-
mentis in genere can. 7): „Durch die Sakramente wird immer
und allen Gnade verliehen" — „quantum est ex parte Dei." Und
gerade weil die fides passionis Christi im Sakrament mitspielt,
darum weist Arnold die Aussage von Karl Heim und Martin
Dibelius zurück, im Katholizismus handle es sich um unpersönliches
Verwalten und Austeilen von Gnaden und Wundern.
Schließlich verleiht Arnold der Meinung Ausdruck: „Es ist die
Schicksalsfrage der kirchlichen Seelsorge und ihrer Theorie, also
der Pastoraltheologie, ob sie den Ausgleich zwischen dem menschlichen
und göttlichen Faktor findet oder verfehlt", und Arnold
beweist diese These durch eine interessante und schlagende Aufrollung
der Geschichte der Seelsorge und der Pastoraltheologie
im 19. und 20. Jahrhundert. Dennoch darf man Arnold fragen:
Ist jener „Ausgleich" menschenmöglich — wird damit nicht über
das Menschenmaß hinausgegangen? Zeigen nicht Arnolds eigene
Formulierungen zu III.) (siehe oben!), daß man schließlich diesen
„Ausgleich" nur konfessionsgemäß erarbeiten kann? Also aus
Prämissen, welche andere Konfessionen mit der Bibel in der Hand
bestreiten? Was Arnold meint, ist klar und ist richtig biblisch:
In Katechese, Predigt, Liturgie, Seelsorge muß Gott die Ehre
gelassen werden. Gottes Wirken — und er wirkt am Menschen
nicht wie an einem Stein oder Stock, sondern als an einem Menschen
; Näheres zu sagen, übersteigt unsere Kräfte — soll es aber
gesagt werden, so ist die oben gegebene Formulierung der Kon-
kordienformel (Theologie!) vorsichtiger und läßt Gott deutlicher
die Ehre als die Formulierung Arnolds. Dies vorausgesetzt
wissen wir uns mit den beiden Büchern Arnolds dem Sinne nach
völlig eins und begrüßen seine Arbeiten im Namen der Praxis
wie der Praktischen Theologie; diese Arbeiten sind wirklich
„Untersuchungen zur Theologie der Seelsorge" von Gewicht.

Aber wieder kommt uns das Unbehagen an: Wieso hat man
damals Luthers Pochen auf Glaubenskerygma und Gottes
Urheberschaft, auf passio Christi und fides passionis Christi,
so verketzert? Und wenn es also damals aus der gebrochenen
Katholizität der Gegner Luthers geschah, muß man dann nicht
Luthers Reformation auch als Griff nach dem „echteren
Katholizismus" ansehen? (Man vergleiche, was z. B. Maurer in
ThLZ 1952, lff. schrieb.)

(Ein Hinweis: Der Thalhof er der katechetischen Werke, z.B. II,
S. 132, ist nicht Valentin, sondern Franz Xaver.)

Augsburg Leonhard Ten dt