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Ausgabe:

1953 Nr. 10

Spalte:

625-627

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

Von der Erkennbarkeit, vom Wesen und von den Vollkommenheiten Gottes 1953

Rezensent:

Hessen, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 10

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Auch die ,.Frühkirche" ging den vorreformatorischen Weg. Wenn Andren
sich für die These: „Die Frühkirche sah im Abendmahl (zuvörderst)
die Sündenvergebung" auf eine Epiklese im I Clem beruft, „wo der
Hl. Geist angerufen wird über die Elemente, damit diejenigen, welche
daran Teil bekommen, unter anderem (!) Sündenvergebung erhalten",
so schießt dies über die Wirklichkeit hinaus. Im I Clem gibt es überhaupt
keine Epiklese; dagegen in der sog. „klementinischen" Liturgie
des VIII. Buches der Ap. Konst. steht so etwas, wie es Andren zitiert
— aber diese Epiklese gehört nicht in die Frühkirche. (Dagegen
hat schon die vorreformatorische Linie die Betonung der Vereinigung
der Abendmahlsgäste untereinander).

Die Bedeutung des Lateranbeschlusses 1215 (Lat. IV. cap. 21) ist
geringer als Andren sie sieht. Nicht Forderung der Beichte vor dem
Abendmahl, sondern einmal im Jahr alle Sünden in Einzelbeicht dem
eigenen Priester beichten — und, wenigstens an Ostern zur Kommunion
gehen! (Denzinger-Bannwart-Umberg 19 51 p. 204). Vergleicht
man LThK II 100 ff., so erkennt man: das Lat. IV. ermäßigte die verschiedenen
üblichen Forderungen! Aber im Gange war die consuetudo,
vor der Kommunion zu beichten, wie das Tridentinische Konzil (Den-
zinger p. 308) es als ecclesiastica consuetudo erklärt, daß Priester und
Laien sich durch die Beichte zum Abendmahlscmpfang vorbereiten.
Ecclesiastica consuetudo! Eben darum hinkte aber Schweden keineswegs
nach, wenn dort erst Ende des 13. und im 14. und 15. Jhdt. diese
ecclesiastica consuetudo bezeugt ist, denn sie war erst seit 1000 im
Werden (Jungmann, Miss. Soll. II 442).

Schließlich: die Rolle der Bußdisziplin („öffentliche Buße") sowohl
für jene ecclesiastica consuetudo wie auch für das Fasten vor dem
Abendmahlsgang, wie Andren die Sache darstellt, ist durchaus bestreitbar
. (Augustins Sermo 351 kann nicht für Andren sprechen, im
Gegenteil.) Man wird für das Werden der ecclesiastica consuetudo bei
der Frömmigkeitsbeichte der Klöster via keltische Disziplin bleiben
müssen.

Wohin verschwand übrigens jene „heimliche Beichte" Luthers, für
welche er im Kleinen Katechismus von 1529 eine Form skizzierte, die
er im Kl. Kat. von 1531 durch eine andere ersetzte? Man liest bei
Andren oft und oft, daß die „private Beichte und Absolution" freigestellt
blieb — was war das für eine Beichte?

Veit Dietrichs Einstellung zur Beichtsache muß neu untersucht
werden.

Doch mindert der Inhalt dieser „Randkritik" in gar keiner
Weise den großen Gewinn, den die Forschung von dem Andren-
schen Buch haben kann und haben soll. Gerade die deutsche Lutherforschung
ist am stärksten beteiligt. Wie denn die Lunder
Fakultät mit den „Samlingar och Studier" immer wieder der deutschen
Lutherforschung die helfende Hand reicht.

Augsburg Leonhard Fendt

D e 1 i u s, Walter: Justus Jonas 1493—1 555. Lehre und Leben. Gütersloh
: Bertelsmann [1952]. 132 S. 8°. kart. DM 4.80.

Was Walter Delius mit dieser Neuerscheinung bietet, ist
eine ansprechend geschriebene biographische Darstellung des Jonas
. Dabei versteht es der Verf., Leben und reformatorisches
Wirken des Jonas in stetem Zusammenhang mit den kirchlichen,
geistigen und politischen Ereignissen der Reformationszeit zu
schildern. Besondere Beachtung dürften die humanistischen Beziehungen
des Jonas beanspruchen, die der Verf. ja schon früher
m seiner Studie über „Justus Jonas und Erasmus" (Theologia
Viatorum, Berlin 1948—49) behandelt hatte. Aber auch die
kirchliche Wirksamkeit des Jonas ist hier in knapper und doch
erschöpfender Zusammenfassung dargeboten. Daß hinter der Arbeit
umfassende Quellenstudien stehen, beweist der reiche An-
merkungstcil.

Zwei kleine Korrekturen: Auf S. 32 Z. 8 v. u. ist doch wohl
»sollich" zu lesen, und in dem Literaturverzeichnis auf S. 127
•st der Name des Verf. selbst an unrichtige Stelle geraten!

Kirchhain (Bez. Kassel) Winfried Zell er

PHILOSOPHIE UND liEUGIONSPHlLOSOPHIE

Bri"ktrine, Johannes: Die Lehre von Gott. l.Bd.: Von der Erkennbarkeit
, vom Wesen und von den Vollkommenheiten Gottes.
Paderborn: Schöningh 1953. 298 S. gr. 8°. Lw. DM 14.80.

°a»t, Max: Welt und Gott. Philosophische Gotteslehre. Freiburg:
Herder 1952. VIII, 211 S. gr. 8° = Mensch, Welt, Gott. Ein Aufbau
der Philosophie in Einzeldarstellungen, hrsg. v. Bcrdimans-Kollcg in
Pullach, 6. Bd. Lw. DM 12.-.

1. In diesem ersten Band seiner auf mehrere Bände berechneten
Dogmatik behandelt der Paderborner Theologieprofessor
gemäß der ratio, der doctrina und den prineipia des „Doctor
communis" (wie der Codex juris canonici in can. 1366, §2 es
vorschreibt) die im Untertitel angegebenen Themen der Gotteslehre
. Der enge Anschluß an Thomas kommt schon darin zum
Ausdruck, daß an der Spitze der Literaturangabe durchweg die
Stelle der Summa theologica steht, an der die betreffende Frage
behandelt wird. So bietet das Werk reine Scholastik. Die Frage,
ob diese ganze Gotteslehre nicht zutiefst gesehen mehr als ein
Erzeugnis des griechischen denn des biblischen Denkens angesprochen
werden muß, kommt dem Verfasser anscheinend gar
nicht. Für ihn besitzt eben die Aristotelisierung der christlichen
Theologie durch Thomas absolute Geltung. Besonders deutlich
wird das im Anhang des Werkes, der über die Gottesbeweise
handelt. Diese hängen nach Ansicht des Verfassers am Kausalprinzip
. Sagt er doch: „Ob sich ein stringenter Gottesbeweis führen
läßt, hängt in erster Linie davon ab, wie man sich zu dem
Kausalprinzip stellt" (S. 248). Für den Verfasser ist das Kausalprinzip
ein analytisches Urteil; es läßt sich auf das Kontradiktionsprinzip
zurückführen. Mit dieser Ansicht beweist er, daß
er aus den Diskussionen über das Kausalprinzip nichts gelernt
hat (vgl. dazu mein Werk „Das Kausalprinzip", Augsburg 1928).
Denn in diesen Diskussionen ist jene Ansicht hundertmal widerlegt
worden. Selbst neuscholastisch gerichtete Philosophen haben
nachgewiesen, daß jeder Versuch einer Zurückführung des Kausalprinzips
auf das Kontradiktionsprinzip eine petitio prineipii
enthält, indem er das Kausalprinzip stillschweigend als gültig voraussetzt
. Für die Richtigkeit dieser These liefert — paradoxerweise
— Verf. einen neuen Beweis, und zwar in dem Satze; „Das
Unverursachte ist ein Sein, das durch sich existiert" (S. 252). Das
heißt also: Was nicht durch etwas anderes verursacht ist, muß
durch sich selbst existieren. Damit ist aber vorausgesetzt, daß
es überhaupt durch etwas existiert. Mit anderen Worten: das
Kausalprinzip, das für jedes Seiende einen realen Seinsgrund,
durch den es ist, fordert, bildet die latente Prämisse in diesem
Argument.

2. Mit dem Werk von Rast S. J. findet die von den Philosophieprofessoren
des Berchmans-Kollegs in Pullach herausgegebene
Sammlung „Mensch, Welt, Gott" nach längerer Unterbrechung
ihre Fortsetzung. Diese „Philosophische Gotteslehre",
die sich in drei Teile gliedert („Vom Dasein Gottes", „Vom Wesen
Gottes", „Gott und Welt"), ist ebenfalls reine Scholastik.
Nur tritt das nicht so deutlich hervor, wie bei dem Werk von
Brinktrine. Daß aber auch hier ein scholastisches Denken herrscht,
wird besonders in der Lehre von der menschlichen Gotteserkenntnis
offenbar. Während die heutige, am objektiven Phänomenbefund
orientierte Religionsphilosophie das religiöse Erkennen vom
rational-metaphysischen Erkennen deutlich abhebt, setzt Verf. es
mit diesem in eins und spricht es ganz im Sinne des Thomas als
ein kausales Erkennen an, das sich in Gottesbeweisen entfaltet,
die vom Kausalprinzip getragen sind. Damit vertritt Verf. eine
Position, die von allen, die sich heute mit religionsphilosophischen
Problemen ernsthaft befassen und von autoritären Bindungen
frei sind, als mit dem religiösen Phänomen im Widerstreit
stehend abgelehnt wird. Aber nicht nur von einer das religiöse
Phänomen vorurteilsfrei ausdeutenden Religionsphilosophie,
auch von einer an der Bibel orientierten Theologie muß diese
Anschauung zurückgewiesen werden. Denn diese Art der Religionsbegründung
ist nicht biblisches, sondern griechisches Gedankengut
. Sie ist bekanntlich unter dem Protest der augustini-
schen Richtung im 13. Jahrhundert durch den Aquinaten in die
christliche Philosophie eingeführt worden, der hier den Spuren
des Aristoteles, der ja für ihn der Philosoph ist, folgt und so
Wege beschreitet, die ihn weit vom biblischen Denken wegführen
. (Ich darf in diesem Zusammenhang wohl auf mein demnächst
erscheinendes Werk hinweisen „Griechische oder biblische
Theologie? Das Problem der Hellenisierung des Christentums in
neuer Beleuchtung", das eine eingehende Begründung der hier
gemachten Andeutungen bringen wird.)

Die beiden besprochenen Werke, die offensichtlich aus philosophisch
-theologischen Vorlesungen hervorgewachsen sind, sind
zweifelsohne geeignet, junge Theologen in die Gotteslehre der