Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1953 Nr. 10

Spalte:

616-618

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Bertrand, Frédéric

Titel/Untertitel:

Mystique de Jésus chez Origène 1953

Rezensent:

Völker, Walther

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

615

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 10

616

ren, Fremdausdrücke vermeidenden Sprache, die nur selten vom
Luthertext abweicht, in der wissenschaftlichen Sauberkeit, die in
der Regel nur die Überzeugung des Verfassers bringt, in den
aus der Situation jeder Schrift entwickelten Zielangabe, in den
ausführlichen Gliederungen, in den vielfach eingestreuten Querschnitten
, die zu Vergleichen und zu eignem Nachdenken anregen
, und nicht zuletzt in der erstaunlichen Billigkeit und dem
übersichtlichen Druck! Das ist ein Buch nicht nur für Studenten,
Examenskanditaten und Pfarrer oder Lehrer, sondern für jeden
Bibelleser, der sich schnell, zuverlässig und einprägsam in die
Bibelkunde und ihre Fragen einarbeiten will.

Tübingen Martin Sehl unk

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Campenhausen, Hans Frhr. v.: Kirchliches Amt und geistliche
Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten. Tübingen: Mohr 1953
X, 339 S. gr. 8° = Beiträge zur historischen Theologie, hrsg. v.
G. Ebeling, Bd. 14. DM 3 5.-.

C.s Untersuchung ist für den Neutestamentier, Frühkirchen-
geschichtler und Kirchenrechtler in gleicher Weise bedeutsam.
C. stützt sich z. T. auf seine früheren Veröffentlichungen (Aufsätze
und Monographieen) und vereinigt das, was bisher zerstreut
und unübersichtlich vorlag, zu einer geschlossenen, sehr
eindrucksvollen Gesamtsdiau. Grade wer sonst schon für die Problematik
von Amt und Vollmacht dankbar von C. gelernt hat,
wird nun diese umfassende und gründliche Studie erwartungsvoll
zur Hand nehmen. Und er wird nicht enttäuscht. C. prüft das gesamte
ur- und frühchristliche Material bis hin zu Origenes und
Cyprian von neuem und kommt bemerkenswerterweise zu einem
Ergebnis, das sich der Sohmschen Position wieder erheblich
nähert. Er tritt damit in Gegensatz zu vielen Forschern der lebenden
und der jüngst verstorbenen Generation, ohne den Zusammenhang
mit ihnen zu verleugnen, und kennzeichnet jeweils
präzise seine abweichende Auffassung, vermeidet aber eine ausführliche
Einzelpolemik. Mancher Leser wird sich gelegentlich
ein stärkeres Eingehen auf die Literatur wünschen, aber die bei
C. erreichte innere Geschlossenheit und Gestrafftheit der Darstellung
ist doch entschieden ein Gewinn.

C. rekonstruiert auf Grund der Quellen folgendes Bild:
Gegenüber den „Urwirklichkeiten" von Wort und Geist sind
Amt und Charisma „prinzipiell untergeordnete Begriffe". „Einen
völligen Zusammenfall der amtlichen und charismatischen Vollmacht
gibt es... nur einmal, in der Person Jesu selbst". „Aber
auch die ,Apostel' sind weder Charismatiker noch Amtspersonen
im üblichen Sinne des Worts (325). Die Berufung der Apostel
„bezeichnet in einer so nie wieder möglichen Weise den Ursprung
aller kirchlichen Tradition". „Erst... in der dritten Generation
(sc. die an das apostolische Zeugnis im Geist und Glauben
gebunden ist) beginnt. .. das eigentliche, charakteristische
Gegenüber der geistlichen Vollmacht und der amtlichen Autorität
". Die charismatische Verfassung der paulinischen Gemeinden
kennt „überhaupt kein wirkliches ,Amt' " (326). „Neben
dem paulinischen entwickelt sich gleichzeitig der.. . judenchristliche
Typ der presbyterial geleiteten Gemeinde". Hier gibt es
„amtliche" Autorität, die aber dadurch innerlich begrenzt und
geprägt ist, daß alles Handeln in der Gemeinde „nach Ziel, Ursprung
und Weise" geistlich sein muß. Die Verschmelzung beider
Formen wird bei Lukas und im 1. Petrusbrief erstrebt (327).
Das in der Sache begründete „Gleichgewicht der Kräfte hat sich
auf die Dauer nicht halten lassen". Schon „die im übrigen unter
sich noch höchst verschiedenen Vollmachts- und Autoritätsbegriffe
in den Briefen des römischen Klemens, des syrischen Ignatius
und der kleinasiatischen Pastoralbriefe" zeigen eine „gleichmäßige
Tendenz zur einseitigen Vorordnung des Amts", und „im
Laufe des zweiten und dritten Jahrhunderts setzt sich diese Entwicklung
unaufhaltsam weiter fort" (328). Besonders achtet C.
auf die Ausgestaltung der Schlüsselgewalt im kirchlichen Bußverfahren
. „Die Kirche lebt nicht mehr im radikalen Sinn aus
der Vergebung Christi und versteht ihre Heiligkeit wie eine
menschliche Aufgabe, die von den Christen zu erfüllen und zu

fordern ist". „Indem man die Buße einseitig im Sinne der Erziehung
, der Zucht und des .Gerichts' versteht, werden die Bischöfe
als Inhaber der Schlüsselgewalt zu Herren der Buße" (329).
Im Endergebnis fallen „die rechtlich-politisch verstandene Autorität
des Amtes und die individualistisch gesehene Vollmacht
des Geistesmenschen ... auseinander" (331).

Wir versagen es uns, auf Einzelheiten einzugehen. C.s Urteil
ist, wie nicht anders zu erwarten, immer abgewogen und besonnen
, auch dort wo man zögert, ihm zu folgen. Auf die Quellen
, besonders auf viele neutestamentliche Stellen, fällt neues
Licht. Historisch ist C.s Konzeption wohl fundiert, soweit man
das bei der Lückenhaftigkeit des Materials sagen kann. Und wie
steht es mit dem kirchenrechtlichen Ertrag? Sohms These von
dem ausschließlichen Gegensatz zwischen Kirche und Kirchenrecht
nimmt C. nicht wieder auf. Auch den Versuch, das Kirchenrecht
sakral zu begründen, es aus dem Wesen der Kirche abzuleiten
oder als mit der Kirche wesenhaft gesetzt anzusehen, lehnt er
entschieden ab. Er will nicht einmal ein urtümlich-patriarchalisches
, nur .embryonal' vorhandenes Kirchenrecht in der Urge-
meinde zugeben (gegen G. Holstein u. a.). „Die zugrunde liegende
rechtliche Auffassung selber ist nicht angemessen" (30).
Um eins von vielen Beispielen zu nennen: die Kollekte wird
von Paulus nicht als Rechtspflicht, also nicht im Sinne der Tempelsteuer
, aufgefaßt (36 f.). Schließlich verwirft C. die soziologische
Begründung des Kirchenrechts (gegen Hatch-Harnack-Lietz-
mann): ,, . . . verantwortliche Vorsitzende . .. sind . . . nicht vorhanden
. Die Leitenden können auch keine regelmäßig tätigen
.Wirtschaftsbeamten' gewesen sein, die das, was neben der geistlichen
Versorgung noch .fehlte', in ihre Obhut genommen hätten
" (71). Also weder eine pneumatologisch-ekklesiologisch
begründete Ablehnung jeden Kirchenrechts noch eine sakral-juristische
oder sakral-politische noch eine soziologische Kirchenrechtsauffassung
können dem neutestamentlichen Ansatz gerecht
werden. Dies mit allem Nachdruck herausgestellt zu haben, dürfte
ein Hauptverdienst des C.schen Buches sein. Die Kirche ist geistlich
, sie lebt im Glauben und in der Liebe und besitzt dadurch
eine königliche Freiheit gegenüber allen Rechtssatzungen. Aber
die Kirche lebt nicht sich selbst. Sie hat eine geschichtliche Sendung
. Mit Recht spricht C. von ihr als „einer geschichtlich bestehenden
Gemeinschaft, die eine Überlieferung fortführen und
einüben, zu ihr hinleiten, in ihr bleiben und erziehen will".
Je nach der wechselnden geschichtlichen Situation wird sich die
Freigeborene eine Rechtsgestalt anbilden, sich in eine Rechtsordnung
schicken müssen, ohne sich als Glaubens- und Liebesgemeinschaft
aufzugeben. D.h.: die Stellung des kirchlichen Führers
darf „weder absolut und sakral noch auch rein weltlich und
nur praktisch-profan begründet werden". Beide Begründungen
kranken an ihrer Ungeschicklichkeit; sie sind starr, prinzipiell.
Das Kirchenrecht läßt sich aber nicht prinzipiell, nicht dogma-
tisch-ekklesiologiseh oder soziologisch deduzieren, sondern es
ergibt sich in mannigfachen Gestalten jeweils aus der geschichtlichen
Aufgabe, die dem Glauben und der Liebe zufällt.

Halle/Saale E. Schott

Bertrand, Frederic: Mystique de Jesus chez Origene. Paris: Aubier
1951. 160 S. gr. 8" = Theologie. Fluides publ. sous la direction de
la Faculte de Theologie S. J. de Lyon-Fourviere 23.

Die Origenes-Forschung der letzten zwei Jahrzehnte hat
sich vornehmlich um die Beantwortung einer doppelten Frage bemüht
. Man wollte zunächst größere Klarheit über Origenes als
Mystiker gewinnen (cf. den kurzen Überblick bei Andre Mehat
in der Einleitung zu seiner Übersetzung der Numeri-Homilien,
Sources chretiennes 29, 1951, S. 6 f.) und suchte ferner die Eigenart
der origenistischen Schriftauslegung schärfer zu erfassen
(cf. besonders die Monographie von H. Lubac: Histoire et esprit,
1950, und die einschlägigen Arbeiten von J. Danielou).

Von hier aus versteht man Themastellung und Art der Darstellung
im vorliegenden Werke. Verf. führt richtig aus, daß
der Wortlaut der Schrift lauter Geheimnisse in sich berge, 'ind
daß selbst die äußerlichsten Tatsachen, mögen sie an sich noch
so unbedeutend sein, Träger eines „Mysteriums" sein können
(S. 41).