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Ausgabe:

1953 Nr. 10

Spalte:

612-614

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Krämer, Helmut

Titel/Untertitel:

Griechische Wortkunde 1953

Rezensent:

Michaelis, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 10

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Logosbegriff er allerdings kaum verstanden hat. Inwiefern der dauernde
(?) Gebrauch „solcher abstrakter Ausdrücke" die „tragische
Ironie" der Erzählung „abkühlen" soll, wird uns nicht naher verraten.
Der Messias ist derjenige „junge Mann, den Gott salbte und dazu
auserwählte, sein Statthalter auf Erden zu sein". In dem Absdmict
über den Sohn Gottes zeigt sich besonders deutlich, wie die Inspiration
die Misdiung des katholischen Dogmas mit spekulativen Ideen begünstigt
. Als Menschensohn nahm Jesus, willentlich ein lallender Säugling
geworden, ein „längst verlorenes, außernatürliches Menschentum" an.
Die Wunder Jesu zeigen z. T. eine „okkulte Kunst", ein „Element
natürlicher Magie", womit es vielleicht zusammenhängt, daß der erweckte
Lazarus hier schon fünf Tage im Grabe lag. Die Gleichnisse
Jesu sieht der sonst gern katholisierende Verf. merkwürdigerweise
durch die Brille der Aufklärung. Während es als Gemeingut der heutigen
Theologie gelten darf, daß sie ohne Ausnahme Rcichgottcs-
gleidinisse sind, findet er in ihnen neue „Ideale", die er gegen Nietzsche
und andere neue „Heiden" meint in Schutz nehmen zu sollen.
Bei den Prophezeiungen und Geboten arbeitet er mit einer Art
mystischer coincidentia oppositorum. Christus bejaht durch seine Menschwerdung
die — an sich unverzeihliche und unverbesserliche — menschliche
Existenz in Zeugung, Nahrungsaufnahme und Kampf, indem er
sie zugleich „transzendiert" (Lieblingswort). Der Abschnitt über das
Gebet scheint mir mit am besten gelungen zu sein, wiewohl auch hier
etwas viel von Mystik und Symbolik geredet und die dritte Vaterunserbitte
dahin rationalisiert wird, daß wir uns lieber an die Rebellen
gegen Gott oder an unseren eigenen sündigen Teil wenden sollten und
diese dazu überreden, ihren Willen zu ändern. Die Darstellung der
Passion befriedigt vollends nicht. Daß die Salbende in Bethanien nach
falscher landläufiger Tradition mit Maria von Magdala indentifiziert
wird, nur nebenbei. Schlimmer ist, daß die Stiftung des Herrnmahls
grobschlächtig etwa im Sinne Ditlev Nielsens über den (bekanntlich
nicht geopferten) Sündenbock mit primitiv-magischen, selbst „kannibalischen
" Ideen in Verbindung gebracht wird. Joh. 19,25—27 geben
Anlaß zu Betrachtungen über eine irdisdie „Trinität": Jesus, Maria,
Johannes. Das Kreuz wirkt Erlösung als Veränderung des Herzens
(ohne iustitia extra nos posita also?). Die Auferstehung scheint zunächst
recht massiv verstanden zu werden. Aber der Auferstanden.- ist
„trauriger, vager, hilfloser" als zu seinen Lebzeiten. Am See Geneza-
reth versuchten sich die Jünger „von ihrer tragischen Enttäuschung zu
erholen". Die Zahl der gefangenen Fische (Joh. 21, 11) wird — kraft
Inspiration? — mit 135 angegeben. Unklarheit und Skepsis behaupten
das Feld.

Nach diesem auf dem Wege „literarischer Kritik" gewonnenen
„historischen" Aufriß will der zweite Teil systematisch
entwickeln, was von der Christusidee der Evangelien als „richtiges
Ideal" haltbar bleibt. Hier scheint nun der Verf. sich ausschließlich
auf den „gesunden Menschenverstand und auf die
weltliche Geschichte und Wissenschaft" stützen zu wollen. Er
zieht sich dann aber — ein katholischer Bultmann — auf das
Kerygma als maßgebliche Instanz zurück.

Die Frage, ob die geschilderten Ereignisse sich tatsädilich zugetragen
haben, ist in der Religion „trivial und irrelevant"! Der „monar-
diische Theismus" wird, spekulativ zwar preisgegeben, durch ein geschmackloses
Gleichnis (S. 188) verdeutlicht, als moralisch und religiös
überlegen anerkannt. Hinsichtlich des Schöpfungsgedankens verwickelt
sich S. trotz alles spekulativen Scharfsinns, vielleicht gerade durch ihn.
in Unklarheiten und sdiwer zu lösende Widersprüche. Über die Vaterschaft
Gottes redet er zu allgemein, unchristologisch, um zu befriedigen.
Dualismus, Mystik und selbst die doppelte Buchführung einer absoluten
Skepsis suchen sich einzuschleichen. Das Kapitel über den „Moralismus
" irrt vollends vom Thema ab und findet erst gegen Ende den
Anschluß wieder. Über die gegenseitige Liebe zwischen Gott und
Mensch spricht Verf. weithin mystisch, findet aber gelegentlich schöne
Formulierungen. „Gott wurde ausdrücklich deshalb Mensch, um all das
durchzumachen und zu transzendieren, was der Mensch etwa erdulden
muß, und in Christus steigt der Geist wieder empor zu Gott mit seiner
ganzen menschlichen Bürde, auf daß er diese Menschlichkeit bewahre
und verewige, wie allein der Geist es vermag — klar, siegreich und
in Frieden." Aber das Kapitel schließt mit stoischen Klängen im Stil
Marc Aurels. Die drei letzten Kapitel bringen gewissermaßen die
Eschatologie. Das zwingt zu einer Erörterung des Problems der animalischen
Psyche und der übernatürlichen Seele. Das Übernatürliche ist
das hypostasierte Ideal. Diese Hypostasierung ist zugleich tödlich, also
ein Irrtum, aber kein sinnloser, sondern ein fruchtbarer Irrtum. Hier
führen Plato und Aristoteles das Wort. Das festzustellen ist wichtiger,
als Einzelheiten zu korrigieren. Die Inspiration quillt aus den Tiefen
des Herzens. Wozu noch Christus? Er hilft zur Selbsttranszendcnticrung,
die sich allenfalls auch an dem Gleichnis des kastrierten Rindes verdeutlichen
läßt (S. 252). Gott im Menschen — das ist zuletzt alles,
wiewohl Verf. das Ungenügen pantheistischen Verständnisses sieht.

Die Übersicht wird deutlich gemacht haben, daß in dem Buch
eine reiche Problematik, obzwar mit unzulänglichen Mitteln,
ventiliert wird. Der Verf. steht irgendwie im Bann Christi und
weiß vermutlich auch manche Leser in ihn hineinzuzwingen. Nicht
selten findet er prägnante Formulierungen.

Ich nenne beispielsweise noch: S. 32—34 über den vierten Evangelisten
, S. 54 über die Verwandlung der Messiasidee, S. 95 über Esdia-
tologie und Bekehrung, S. 101 f. über Lk. 15, S. 108 gegen die Wegdeutung
der Eschatologie, S. 113 über Christus und Buddha, S. 125 f.
über die Demut und die freiwillige Selbstbeschränkung Jesu, S. 134
über die Wirkung des Gebets, S. 163 über das Leiden.

Ein besonderes Lob verdient endlich Luise Laportes flüssige
Übersetzung aus dem Amerikanischen (sie). Eine Bereicherung
der wissenschaftlich theologischen Literatur ist das Buch nicht.
Es kann sogar durch seine trübe Mischung von Katholizismus,
Aufklärung, Mystik und Philosophie die sattsam verbreitete
Unklarheit und Verschwommenheit steigern. Hoffen wir, daß es
hier und da auch Wegweiserdienste zu Christus tun kann.

Leipzig Alhrccht Ocpkc

Krämer, Helmut, Doz.: Griechische Wortkunde. Stuttgart: Kohlham-
mer [1952]. 72 S. 8° = Gricch. Unterrichtswerk für Studenten d.
Theologie, hrsg. v. H. Hommel, T. I. kart. DM 4.50.

Wilhelm, Hans-Eberhard: Griechisches Übungsbuch. Stuttgart: Kohlhammer
[1952]. XI, 53 S. 8° = Griech. Unterrichtswerk f. Studenten
d. Theologie, hrsg. v. H. Hommel, T.II. kart. DM 4.50.

Zu dem in dieser Zeitschrift 78. Jahrg. 1952 Sp. 616 ange
zeigten, unter dem Titel „Schola Verbi" erschienenen katholischen
„Lehrbuch des NT-Griechisch" von Joseph Dey tritt nunmehr
von protestantischer Seite, genauer aus den Kreisen der
Kirchlichen Hochschulen und ihrer Sprachlehrer, ein „Griechisches
Unterrichtswerk für Studenten der Theologie". Als Herausgeber
des Gesamtwerks (ob noch weitere Teile geplant sind, ist nicht
zu ersehen) zeichnet im Titel Prof. Dr. Hildebrecht Hommel,
Direktor des Studium Universale der Kirchlichen Hochschule Berlin
. Wie das Lehrbuch von Dey ist auch dieses Unternehmen für
Theologiestudenten berechnet, die Griechisch erst während ihres
Studiums nachlernen müssen. Im Unterschied zu dem Buch von
Dey jedoch, das den Umweg über das klassische Griechisch absichtlich
vermeidet und sich möglichst auf das NT-Griechisch beschränkt
, ist hier daran festgehalten, daß der junge Theologe
auch -in die Lage versetzt werden muß, Texte aus der Welt des
griechischen Geistes zu lesen. Im Vorwort zu seiner Wortkunde
hat Studienrat Helmut Krämer, Dozent an der Theologisehen
Schule Bethel, diesen Grundsatz kurz, aber eindrücklich entwik-
kelt, und es ist ihm darin zuzustimmen.

In seinem Vorwort begründet Krämer weiterhin, warum sich für
den genannten Zweck ungleich besser als Xcnophon, obsdion dieser
für eine erste Einführung in die griechische Lektüre vielleicht nidit ganz
zu entbehren sei, Piaton eigne. Seine Wortkundc ist demgemäß
auf dem Wortschatz Piatons und des NT aufgebaut. Von den insgesamt
etwa 2450 Vokabeln, die sie enthält, kommen etwa 3 50 mit einem
Stern bezeichnete im NT nicht vor, sind aber für die Platonlcktürc
unentbehrlich; umgekehrt finden sich etwa 650 mit einem Kreuz bezeichnete
Vokabeln selten oder gar nicht bei Piaton, sind aber für das
NT wichtig, während 1450 ohne Kennzeichnung gelassene Vokabeln
im NT vorkommen und außerdem häufiger bei Piaton. Diese 1450 und
jene 350, zusammen also 1800 Vokabeln sollte der Student dem Vorwort
zufolge bis zur griechischen Ergänzungsprüfung lernen. Dagegen
würde er nach Durcharbeitung dieser Wortkunde über 1450 + 650
= 2100 NT-Vokabeln verfügen. Das sind mehr als bei Dey, dessen
Register (ohne Eigennamen, die aber auch bei Krämer nicht berücksichtigt
sind) 1600 Vokabeln umfaßt, und es ist alles in allem ein beträchtlicher
Teil des gesamten, 4800 Vokabeln übersteigenden Wortschatzes
des NT.

Die Wortkunde Krämers ist systematisch geordnet, d. h. die R*J"
hcnfolgc ist alphabetisch, aber soweit Vokabeln eine Wortgruppc bilden
, stehen sie beieinander, und in diesem Fall ist das jeweilige Stammwort
maßgebend für den alphabetischen Platz, an dem die betreffende
Wortgruppe eingeordnet ist. Etwa 250 Vokabeln und Stämme, deren
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Wortgruppe dem Benutzer vielleicht
nidit bekannt oder nicht erkennbar ist. werden in Kleindruck an ihrem
alphabetischen Ort aufgeführt unter Hinweis auf das Stammwort, bci
dem Näheres angegeben ist (z. B. wird unter /nxnrvc auf /irni/if""'
verwiesen, unter o/i- auf ttg). Über die Zusammenfassung zu einer
Wortgruppe entscheidet die Etymologie, soweit diese als gesichert an-