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Ausgabe:

1953 Nr. 10

Spalte:

603-604

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Coppens, Joseph

Titel/Untertitel:

Les harmonies des deux Testaments 1953

Rezensent:

Strathmann, Heinrich

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603

Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 10

604

näher zu bringen. Gut erscheint mir auch, wie im AT und im
NT der Begriff „Botschaft" in der Mitte steht und wie er entfaltet
wird.

Man spürt dieser Einführung in die Bibel an, daß sie aus
einem Land kommt, das in den letzten Jahrzehnten durch keine
schweren Erschütterungen hindurchmußte. Sie ist weit ab von
den Situationen, in denen die Bibel im Zuchthaus, in der Baracke
eines Gefangenenlagers oder im Lärm einer Schlacht sich
als der Halt angesichts des Todes und mitten in der Verzweiflung
erweist. Dies ist aber nur ein Zeichen dafür, daß beim Hören
auf die Bibel die Lage, aus der heraus auf sie gehört wird,
notwendig mitspricht.

Gelegentlich wünschte man sich ein wenig mehr Eingehen auf die
Wege, die heute beim Erforsdien der Bibel gegangen werden. Es wird
nur einmal S. 40 die „stilkritische Methode" genannt und negativ beurteilt
. Das ist etwas wenig. Doch wird die wissenschaftliche Arbeit an
der Bibel als solche durchweg bejaht. — Eine Einzelheit am Schluß:
Warum fehlt auf dem Umsdilag in dem sehr dick gedrucktenrPlÖN'lD
das K ?

Berlin Claus Westermann

C o p p e n s, J.: Vom diristlichen Verständnis des Alten Testaments. —

Les Harmonies des deux Testaments. Supplement bibliographique. —
Bibliographie J. Coppcns. Bruges: Desclee de Brouwer; Freiburg/Br.:
Herder 1952. 99 S., 1 Titelb. gr. 8° = Folia Levaniensia Fase. 3—4.
Leuvense Universitaire Uitgaven. bfr. 50.—.
— les Harmonies des deux Testaments. Essai sur les Divers Scns des
Ecritures et sur l'Unite de la Revelation. Nouvelle edition revue
et augmentee. Tournai-Paris: Casterman 1949. 148 S. gr. 8° = Ca-
hiers de la Nouvelle Revue Theologique VI. bfr. 50.—.

Der Verfasser, Prof. an der katholischen Universität Löwen,
hat im Juli 1951 auf Einladung der katholisch-theologischen Fakultäten
in Bonn und Münster einen in dem ersten Heft vorgelegten
Vortrag über Fragen des mehrfachen Schriftsinns gehalten,
um in knappster Form gewisse Grundgedanken darzubieten, die
er schon früher, und besonders in der oben an zweiter Stelle
genannten Schrift eingehend erörtert hat. Er möchte damit dem
infolge des auch in der katholischen Kirche neu erwachten Interesses
an der Bibel und speziell dem Alten Testament stärker sich
meldenden Bedürfnis dienen, auf die Frage nach der inneren Einheit
der beiden Testamente und nach den „christlichen Lebenswerten
" des Alten Testamentes eine befriedigendere Antwort zu
bekommen, als sie bisher meist gegeben werde. „Wie soll man
das Alte Testament lesen und auslegen, um das Antiquarische,
welches es enthält, zu eliminieren oder in wertvolle Elemente,
Lebenselemente umzuwandeln? Wie wird der Hiatus zwischen
dem Alten und dem Neuen Testament am besten überbrückt?"

Die von manchen empfohlene „spirituelle Exegese", bei der
sich der Leser dem Raunen des göttlichen Geistes überläßt, wird
als unwissenschaftlich und der Gefahr des Illusionismus unterliegend
abgelehnt. Die heute neu aufblühende typologische Auslegung
leiste zwar wertvolle Dienste und folge einem biblischen
Denkmotiv, unterliege aber der Gefahr phantastischer Allegoresc
und der Verflüchtigung des niemals zu umgehenden Litcralsinncs.
Wirkliche Befriedigung gewähre nur die Erfassung des „Tiefe n-
oder Vollsinnes" der alttestamentlichen Texte. Was ist
damit gemeint? „Der Vollsinn ist der biblische Tiefensinn, welcher
von Gott selbst bei der Revelation und Inspiration eines
Gotteswortes, gewöhnlich über das Bewußtsein des Hagiographen
hinaus, als im Literalsinn beschlossen beabsichtigt, intendiert ist."
„Er wird direkt aus dem Literalsinn als dem Samenkorn gewonnen
. Subjektiv, vom Standpunkt der Erkenntnis, beruht er auf
dem Beistand des hl. Geistes, welcher den Scharfsinn der Kirche,
insbesondere des kirchlichen Lehramts, vermehrt und
ihn befähigt, um über den buchstäblichen und literarischen Wortsinn
hin die Realitäten selbst der Offenbarung nach ihrem ganzen
Inhalt zu ergründen." „Es gibt biblische Perikopen, wo das
kirchliche Magisterium prophetische und dogmatische Bedeutungen
nachweist, während es der historisch-philologisch-kritischen
Methode nicht gelingt, diese zu erforschen." Das habe sich besonders
in der Assumta-Frage gezeigt! Der Vollsinn ist nicht
Objekt der kritischen Exegese. „Nur das kirchliche Lehramt und
der christliche Glaube kann einen Vollsinn im Tiefensinn des

Gotteswortes entdecken." Der Exeget hat „an den Harmonien
zwischen den beiden Testamenten vor allem (!) auf Grund des
kritisch-philologisch erforschten Literalsinnes zu arbeiten." Aber
dann führt auf diesem Fundament der „Vollsinn" das Gebäude
in die Höhe, und „die Typologie schmückt es wie eine üppige
Schlingpflanze". Das Hauptinteresse des Verfassers scheint dahin
zu gehen, das Recht und die Pflicht der „wissenschaftlichen,
historisch-kritischen Forschung" zu verteidigen. Der „Vollsinn"
kann aber „nur als Tiefensinn des Literalsinns" aufgefaßt
werden. Das „Magisterium" stellt ihn fest. Das heißt zwar nicht,
„daß man einen Heißhunger für neue Dogmen erwecken soll".
Aber „da, wo die Kirche zu einer Proklamation geschritten ist,
nehmen wir im Glauben an, daß es genugsam Opportunitäts-
motive gab (!), um zur Definition überzugehen" (S. 27).

Damit hat sich der Verfasser — gewiß nicht leichten Herzens
— im Voraus allen seitens des „kirchlichen Magisteriums"
zu erwartenden Entdeckungen des „Tiefensinnes" biblischer Stellen
, unabhängig von dem Literalsinn, zugunsten als opportun
angesehener neuer Dogmen unterworfen. Es bleibt dann nur „die
Aufgabe, die Homogenität zwischen dem kritisch-philologischen
Litcralsinn und dem theologischen Vollsinn aufzudecken". —

Das Los des katholischen Exegeten, der wissenschaftlichem
Erkennen treu bleiben und doch mit dem kirchlichen Lehramt sich
nicht überwerfen möchte, ist nicht beneidenswert.

Erlangen H. Strathmann

B o m a n, Thorleif: Das hebräische Denken im Vergleich mit dem
griechischen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1952. 186 S.
gr. 8°. DM 9.80.

Es ist nicht die erste Arbeit, die der Vf. hier dem Unterschiede
hebräischer und griechischer Art widmet; aber die erste
in deutscher Sprache. Sie verdient es in der Tat, einem möglichst
weiten Kreise bekannt zu werden. Es werden lehrreiche Beobachtungen
zusammengestellt, und sie haben besondere Bedeutung
z. B. für das Verständnis der Entwicklung, die vom Judenchristen-
tume zum Griechendiristentume führt.

Vf. behandelt zunächst „dynamisches und statisches Denken".
„Die dynamische Denkart der Hebräer verraten besonders ihre Verben,
deren Grundbedeutung immer eine Bewegung oder Wirksamkeit ausdrückt
. Wenn ein Verbum einen Stillstand wie Sitzen oder Liegen ausdrücken
soll, geschieht es durch ein Verbum, das auch eine Bewegung
bezeichnen kann" (S. 19). Derartiges kommt auch im Griechischen vor
(ich erinnere etwa an i'attj/u), ist aber wohl für die hebräische Art
bezeichnend. Eine verwandte Erscheinung wird am hebräischen FIT!
aufgewiesen: es „bedeutet reales Werden" usw. (S. 28 ff.). Andererseits
ist „die Hochscha'tzung der Veränderung und Bewegung imgrie-
diisch: Heraklit steht mit seiner Lehre einsam in der gricchisdien
Philosophie" (S. 40); als Kronzeuge gilt Piaton Theät. S. 183b Anf.
In ähnlicher Weise erörtert Vf. den Begriff des nichtigen Seins, des
Wortes usw.

Ein zweiter Teil trägt die Überschrift „Eindruck und Aussehen".
„Das Alte Testament schildert nicht, wie die Arche, das Wüstenheiligtum
, der Tempel und der Palast Salomos ausgesehen haben, sondern
erzählt, wie sie gebaut wurden". „Die Griechen beschreiben das
wirkliche Aussehen der Gegenstände". „Bei Betrachtung eines Menschen
forscht der Israelit zuerst nach seinen Eigenschaften" (S. 60 ff.)-
Von hier aus werden die „grotesken" Bilder gedeutet, mit denen das
Hohelied das Aussehen von Menschen beschreibt. Aber auch das israelitische
Gottesbild wird jetzt verständlicher. „Wenn die Erwähnung
der Körperteile Jahwes als Anthropomorphismen zu verstehen wäre,
hätten wir erwarten sollen, daß in der ältesten und primitivsten Zeit
die Anthropomorphismen sich häufen sollten, um später mehr und
mehr abzunehmen. Das Entgegengesetzte ist der Fall" (S. 85). „Die
Hände Jahwes, besonders die rechte Hand, sind Bilder seiner Kraft"
(Ex. 15, 6; Ps. 95, 5; 119, 73) usw.

An dritter Stelle handelt Vf. von „Zeit und Raum", teilweise
im Anschluß an E. v. Dobschütz (lournal of Biblical Literature 1922
S. 212 ff.) und G.Delling (Das Zeitverständnis des NT 1940). v. Dobschütz
zeige richtig, „wie das Denken der Hebräer sich in der Zeit
bewegt, während die Griechen ebenso ausgeprägt den Raum als Denkform
benutzen" (S. 104). Wo der Grieche von Himmelskörpern redet,
spricht der Hebräer von Lichtern. „Einen Körper sieht man, besonders
beobachtet man seine Bewegungen am Firmament; dadurch bestimmen
die Indogcrmanen die Zeit. Das Licht empfindet man. «
hilft uns beim Sehen, es wärmt. Die Himmclsliditcr spenden verschiedene
Licht- und Wärmestärke. Dadurch geben sie die Zeit an" (S. Itf);