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Ausgabe:

1953 Nr. 10

Spalte:

598-602

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Radhakrishnan, Sarvepalli

Titel/Untertitel:

Die Gemeinschaft des Geistes 1953

Rezensent:

Rosenkranz, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 10

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Mystik" führt M. ein, wie es ihrer historisch-kritischen, religionswissenschaftlichen
Erforschung in der Gegenwart cntspridit.
Gegenüber synkretistischen Versuchen, sich des Christentums
von einer angeblichen Mystik des Neuen Testamentes aus zu
bemächtigen, ist seine Feststellung wichtig, daß nicht nur „die
Frömmigkeit Jesu durchaus unmystisch war" (S. 337), sondern
auch im Johannesevangelium und bei Paulus „Mystik auszuschließen
" ist (S. 3 37 f.).

Vom japanischen Shinto („Shintoismus" ist eine Tautologie
) nimmt M. an, daß „diese Religion sich bis heute weniger
als lebendige Religion in Japan erhalten hat, als vielmehr als
offizieller Staatsritualismus" (S. 229). Das ist zu flächig gesehen.
Auf dem Boden der Shintö-Mythen, die M. mit Recht übergangen
hat, ist, von alten Gebeten bis zu modernen Psalmen,
ein Wort gewachsen, das seine Lebendigkeit heute zunehmend
in mannigfachen Formen des Shinto bezeugt.

Tübingen Gerhard Rosenkranz

Finegan, Jack: The Archeology of World Religions. The Back-
ground of Primitivism, Zoroastrianism, Hinduism, Jainism, Bud-
dhism, Confucianism, Taoism, Shinto, Islam, and Sikhism. Prince-
ton, N.J.: Princeton Univ. Press 1952. XL, 599 S„ 260 Abb. auf
Taf., 9 Kt. gr. 8°. Lw. $ 10.-.

Das opulent gedruckte und vorzüglich ausgestattete Werk
des an der „Pacific School of Religion" in Berkeley wirkenden
Verfassers will eine Ergänzung und ein Gegenstück zu seinem
früher erschienenen Budie „Light from the Ancient Past. The
Archeological Background of the Hebrew-Christian Religion"
darstellen. Es läßt sich am besten als eine durch reichliche Zitate
erläuterte Geschichte der 10 nicht auf die Bibel gegründeten
Religionen unter teils stärkerer, teils geringerer Hinzuziehung
der Archäologie und Kunstgeschichte charakterisieren.

Der Titel ist ungenau, denn nur Buddhismus und Islam
wird man als „World Religions" bezeichnen können, immerhin
liegt hier der Fall vor, daß das Buch in dieser Hinsicht mehr
gibt als es verspricht. Der Verfasser hat jedenfalls gut daran
getan, heute, im Zeitalter des schwindenden Kolonial-Imperia-
lismus, den früher in derartigen Fällen üblichen Ausdruck „heidnische
Religionen" zu vermeiden.

Das Buch gliedert sich in 10 Abschnitte. Im ersten wird
zunächst die Religion der Primitiven in ihren gemeinsamen
Hauptwesenszügen umrissen, dann wird unsere heutige Kenntnis
von der Religion der prähistorischen Menschen dargestellt,
schließlich weiden die Glaubcnsvorstellungen einiger besonders
interessanter heutiger Naturvölker beschrieben: der Kongo-
Pygmäen, der Buschmänner, der Andaman-Insulaner, der Azandc
(im Sudan) und einiger nordamerikanischer Indianerstämme. Auf
diese Einführung folgt dann die detaillierte Darstellung der heute
noch lebendigen großen Religionen „in an Order suggested both
by geographical and chronological considerations", nämlich:
Zoroastrianismus, Hinduismus, Jainismus, Buddhismus, Kon-
fuzianismus, Taoismus, Shintoismus, Islam und Sikhismus. Gegen
diese Anordnung ließen sich mancherlei Einwände erheben,
nach meinem Dafürhalten wäre es sinnvoller gewesen, wenn
erst die vorderasiatischen, dann die indischen und schließlich die
ostasiatischen Religionen abgehandelt worden wären.

Die Darstellung ist im Einzelnen sehr ungleich, was zum
Teil wohl darin seinen Grund hat, daß der Verfasser nicht überall
an die erforderliche Literatur herangekommen ist und daß
das, was ihn an den einzelnen Religionen interessiert, sehr voneinander
abweicht. So wird im Abschnitt „Jainism" sehr ausführlich
die Metaphysik und Welthistorie behandelt, während
sich Finegan beim Buddhismus auf eine Beschreibung des Lebens
Buddhas mit Wiedergabe der Predigt von Benares beschränkt
«nd über die ganze Lehre nur ein Zitat aus dem Milindapafiha
"nd eine kurze Bemerkung über die Bodhisattvas und Buddhas
des Mahäyäna bringt, so daß der Leser vom Wesen des Buddhismus
kaum eine richtige Vorstellung gewinnen kann. Daß
der Hinduismus ein einzigartiges sozial-religiöses System darstellt
, wird auch nicht genügend zum Ausdruck gebracht; in
einem Werk, das ausführlich von Tempeln und Götterbildern

spricht, wäre es auch notwendig gewesen, etwas über die Formen
des Kultus zu sagen. Die Geschichte des Hinduismus und
Jainismus wird an der Hand der Archäologie bis zum 13.Jhdt.,
die des Buddhismus in Indien bis zum 7. Jhdt. verfolgt, die spätere
Zeit fällt aus. In der Einleitung zu dem Abschnitt „Sikhism"
wird dann aber noch kurz über die politische Geschichte Indiens
von 1206-1857 sowie über Nänaks Vorläufer RAmänanda und
Kabir berichtet. Die aus der Anlage des Buches sich ergebende
Notwendigkeit, auch den Sikhismus „archäologisch" zu illustrieren
, hat zur Folge gehabt, daß hier nur ganz moderne Bauten
wiedergegeben werden konnten. Da der Sikhismus keine besondere
Weltreligion ist, wäre er besser statt am Schluß des Buches
als Anhang zum Hinduismus behandelt worden; wenn aber die
Archäologie nur bis 1200 n.Chr. reicht, hätte er als nicht in
den Rahmen des Buches fallend fortbleiben können.

Das Indien betreffende Drittel des Buches sdieint mir nidit
besonders gut geraten zu sein, auf dem Raum von 200 Seiten
hätte sich unter Beschränkung auf das Wesentlidie und Charakteristische
leicht etwas Tiefdringenderes und Umfassenderes geben
lassen. Besser sind dem Verfasser die Vorderasien betreffenden
Kapitel gelungen, wenn auch hier manche Wünsche offen
bleiben, z. B. die Abbildung eines Dakhma und der großen türkischen
Moscheen (die Geschidite des Islams endet aber um
1500) usw. Als dankenswert ist es zu begrüßen, daß sich der
Autor nicht auf die Gesdiidite des Islam beschränkt hat, sondern
auf 25 von den der Religion des Propheten gewidmeten 70 Seiten
das vorislamische Arabien behandelt, das in den meisten
Darstellungen des Islam zu kurz kommt. Der Abschnitt über
China schließt mit der konfuzianischen Renaissance des Chu
Hsi; in Korea wird nur der Buddhismus berücksichtigt, die Geschidite
des Shintoismus wird hingegen bis zur Gegenwart verfolgt
. Das Sdiicksal und die Monumente der chinesischen Religionen
in Annam (Viet-nam) fallen nicht in das Blickfeld des
Buches.

Ein Schmuck des Werkes sind die 7 Landkarten und seine
260 auf zweiseitigen Tafeln innerhalb des Textes verteilten
Illustrationen, von denen leider manche etwas unscharf ausgefallen
sind.

Trotz seines großen Umfangs, seines vorzüglichen Drucks
und der Fülle des mit großen Fleiß herangezogenen Materials
wird das Buch weder den Religionshistoriker noch den Archäologen
voll befriedigen, da sich in ihm die beiden Disziplinen
gegenseitig nicht durchdringen, wie es zu hoffen gewesen wäre.
Vor allem empfinde idi es als einen Schönheitsfehler, daß das
Werk abrupt mit einer Sdiilderung des Sikhheiligtums von Tarn
Taran schließt. Bei einem umfangreichen Buche wie diesem wäre
es angezeigt gewesen, im Sdilußabschnitt den Geist der verschiedenen
Religionen, der in ihren Kunstwerken zum Ausdruck
kommt, miteinander zu vergleichen und daraus Folgerungen zu
ziehen. So ist das Buch eine Arbeit, in der man vor allem durch
die reichen Literaturangaben vielfältige Belehrung und Anregungen
für ein eindringenderes Studium gewinnen kann, es ist
aber kein organisches, in sich ausgewogenes Kunstwerk, das der
Forschung neue Einsiditcn und dem Laien ein abgerundetes und
einprägsames Bild von den Religionen im Spiegel der Archäologie
zu geben vermag.

Tübingen Helmuth von Olasenapp

Radhakrishnan, S.: Die Gemeinschaft des Geistes. Östlidie Religionen
und westliches Denken. Darmstadt, Genf: Holle Verlag
[1952]. 415 S. gr. 8°. Lw. DM 26.—.

R. hat die in diesem Buche in Übersetzung vorliegenden, in
der englischen Originalausgabe unter dem Titel „Eastern Religions
and Western Thougth" bereits in 5. Auflage veröffentlichten
Vorlesungen und Vorträge in den Jahren 1936—1938
als Professor für vergleidiende Religionsgeschichte am Manchester
College in Oxford gehalten. Von 1949—1952 war er indischer
Botschafter in Moskau. Seit 1952 ist er Vizepräsident der
Indischen Republik.

Der L Abschnitt seines Buches („Die ungeborene Seele der
Welt") enthält seine Oxforder Antrittsvorlesung. Seine Berufung auf
den Oxforder Lehrstuhl sieht er „mit dem Wunsche gerechtfertigt.