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Ausgabe:

1953 Nr. 10

Spalte:

595-596

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bertholet, Alfred

Titel/Untertitel:

Wörterbuch der Religionen 1953

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 10

596

europäischen Wissenschaftsgeschichte, Bibliographie, Bibliotheksgeschichte
, Bibliotheksverwaltung, Bibliotheksbau: diese kurze
Aufzählung zeigt die Vielfalt der Wissensgebiete, die in dem
Buch behandelt werden. Dem Zweck der Reihe, in der das Buch
erscheint (Winters Studienführer), entsprechend, werden die historisch
-philologischen Forschungsaufgaben ausführlicher dargestellt
als die Fragen der Organisation und Praxis der Bibliotheksarbeit
und die technischen Probleme des Bibliothekswesens. Eine große
Stoffmenge ist geschickt behandelt, wenn auch natürlich oft nur
andeutend.

Münster (Westf.) Erwin Steinborn

Krause, Adalbert, DDr. P., O.S.B., Stiftsbibliothekar: Die Stiftsbibliothek
in Admont. 2., verm. Aufl. Linz: Oberösterreich. Landesverlag
1949. 48 S. m. 20 Abb. kl. 8° = Kunst der Heimat. Reihe III:
Kirchen und Klöster, H. 4. Brosch. S 4.60.

Der gelehrte Bibliothekar des oberösterreichischen Stifts Admont
gibt in dem ersten Teil des reich illustrierten Heftes einen
Überblick über die Admonter Stiftsbibliothek von der Bücherschenkung
des Erzbischofs Gebhard von Salzburg im 11. Jahrhundert
an bis zur Gegenwart. Diese Geschichte zeigt das fast
überall zu beobachtende Auf und Ab der Entwicklung. Die meisten
mittelalterlichen Handschriften sind in Admont bis auf den
heutigen Tag erhalten geblieben — eine große Seltenheit. Nach
Erfindung der Buchdruckerkunst haben sich die Äbte und Bibliothekare
um die ständige Vermehrung der Bibliothek bemüht, so
daß diese am Ende des 18. Jahrhunderts bereits etwa 3 5 000 Bände
besaß. Der Klosterbrand am 27. April 1865 verschonte die Bibliothek
. Die Wirtschaftskrise um 1930 brachte das Stift in große
finanzielle Notlage und zwang zu dem vielbeklagten Verkauf
wertvoller Handschriften und Frühdrucke. Schwer waren auch die
Jahre 1938—1945: die Abtei wurde enteignet. Die Benediktiner
widmeten sich nach ihrem Wiedereinzug tatkräftig der Wiederherstellung
der Bibliothek. Gegenwärtig enthält die Bibliothek
etwa 120000 Bände, darunter 1060 Handschriften.

Der zweite Teil der Arbeit gibt eine Beschreibung des Prunksaals
der Bibliothek, vor allem der Gewölbefresken und der Plastiken
. Die Bibliothek ist ein Kleinod benediktinischer Kultur
und ein Meisterwerk österreichischer Barockkunst.

Münster (Westi.) Erwin Steinborn

Seeland, Hermann, Domkapitular: Von alten Klosterbibliotlieken
in der Stadt Hildesheim. Hildesheim: Druckerei Franz Borgmeyer
1952. 55 S. 8° = Zeitschrift des Museums zu Hildesheim, N. F. H. 4,
1952. Hrsg.: Dr. H. Kayser. DM 2.—.

Das auf umfassender Benutzung der Quellen und der Literatur
beruhende Werk des verdienten Erforschers der Geschichte
Hildesheims ist ein wertvoller Beitrag zur Bibliotheksgeschichtc.
Es schildert die älteste Dombibliothek, die Bibliotheken der Benediktinerklöster
St. Michael und St. Godehard, die Bibliotheken
der Franziskaner, Dominikaner, Augustiner-Chorherren, Kartäuser
, des St. Johannisstiftes und des Kreuzstiftes sowie der
Fraterherren und Kapuziner. Auch in den Hildesheimer Klöstern
bestand schon früh eine enge Verbindung von Schreibstube (scrip-
torium) und Bibliothek (armarium). Die religiösen Wirren des
16. Jahrhunderts und die Greuel des Dreißigjährigen Krieges
brachten den Klosterbibliotheken große Verluste durch Brände,
Plünderungen und Zerstörungen. Die Säkularisation zu Beginn
des 19. Jahrhunderts bedeutete das Ende der Kloster- und Stiftsbibliotheken
. Die Geschichte der Klosterbibliotheken Hildesheims
ist wie die vieler anderer Orte eine Geschichte der Leiden.

Münster (Westf.) Erwin Stei nbor n

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Bertholet, Alfred: Wörterbuch der Religionen. In Verb. m. Hans
Frhr. v. Campenhausen verf. Stuttgart: Kröner [1952]. VII, 532 S.
kl. 8" = Kröners Taschenausgabe Bd. 125. Lw. DM 15.-.

Dieses nach Alfred Bertholets Tode erschienene Wörterbuch
der Religionen entspricht seiner Idee nach ohne Frage einem oft
empfundenen Bedürfnis. Man wird aber fragen müssen, ob angesichts
der ungeheueren Ausweitung des Gebietes der allgemeinen

Religionsgeschichte ein einzelner Verfasser dem Anspruch auf
Mitteilung des neuesten Standes der Forschung in allen in Betracht
zu ziehenden Fragen genügen kann. Diese Frage wird man
verneinen müssen, wenn man von einem derartigen Wörterbuch
mehr verlangt als eine Erklärung des Wortsinnes der Stichworte.
Größere Artikel finden sich denn auch nur für die einzelnen Religionen
bzw. Konfessionen und bestimmte historische Abschnitte
(Mittelalter, Reformation, Gegenreformation etc.). Sonst
bietet das Buch vornehmlich kurze mit einzelnen Belegen unterbaute
Worterklärungen. Bei dem begrenzten Umfang des Ganzen
wird man wiederum audi nicht erwarten können, daß die
sehr zahlreichen Stichworte, unter ihnen viele aus der Kirchen-
geschichte, die man hier nicht sucht, erschöpfend behandelt werden
. Obwohl es also für den beschränkten LImfang des Buches
zu viele Stichworte sind, vermißt man unter ihnen die Namen
sowohl der lebenden als auch der verstorbenen Religionsforscher.
Namen wie Nathan Söderblom und Rudolf Otto dürften in einem
religionswissenschaftlichen Wörterbuch außer vielen anderen
nicht fehlen. Von diesen Bedenken, die in der Anlage und Idee
des Ganzen begründet sind, abgesehen, wird dieses Wörterbuch
zuverlässige Dienste zur Einführung in die Welt der Religionen
und in die Terminologie dei Religionswissenschaft leisten.

Bonn Gustav Mensch ing

Menschin g, Gustav, Prof.: Das lebendige Wort. Texte aus den
Religionen der Völker, hrsg. Darmstadt, Genf: Holle Verl. [1952].
45 5 S. 8°. Lw. DM 12.80.

M. hat aus bewährten Sammlungen von Übersetzungen religiöser
Texte, u. a. aus Bertholets „Religionsgeschichtlichem
Lesebuch" und aus dem „Textbuch zur Religionsgeschichte" von
Lehmann-Haas, d i e Stimmen untergegangener und heute noch
lebender Religionen zusammengestellt, aus denen nach seiner
Meinung ,,das ewige und lebendige Wort dieser Religionen"
spricht, „wie es aus ihrer jeweiligen Lebensmitte, d. h. aus ihrer
spezifischen Weise der Begegnung mit dem Heiligen und ihrer
spezifischen Antwort darauf entspringt" (S. 9). Er nennt seine
Auswahl einen Versuch. Der Versuch ist gelungen. Angeleitet
durch sachliche, d. h. entsprechend dem religionsgeschichtlichcn
Charakter des Buches auf Wertung verzichtende Einleitungen
und Erklärungen zu jeder Textgruppe, hat der Leser Gelegenheit,
dem Herzschlag der jeweiligen Religion zu lauschen, sich ihrer
besonderen Schönheit und Wahrheit zu öffnen.

„Die religiösen Weltmächte wissen zu wenig voneinander", so
leitet M. die Sätze ein, in denen er die Absicht seines Buches darlegt.
Er fährt fort: „Sie sollten sich nicht bekämpfen — zumal angesichts
der drohenden Einheitsfront des Unglaubens —, sondern sich verstehend
miteinander besdtäftigen, indem jede Religion ihre tiefsten Werte
zur Rettung der Welt anbietet ... Da wir von dem Augenblick, da
dieser edelste Wettstreit unter den Religionen anhebt, noch weit entfernt
sind, wird hier der objektive und tendenziöse Versuch gemacht,
das lebendige Wort nicht nur der lebenden Religionen, sondern auch
der im Laufe der Religionsgeschichtc untergegangenen Religionen zu
vermitteln. Das geschieht . . . nicht, damit daraus eine Einheitsrcligion
der Zukunft konstruiert werde, sondern damit durch diese Textaus-
wahl der Mensch von heute einen Zugang finde zur ewigen Welt des
Heiligen und damit zu den tragenden Untergründen unserer Existenz —
welchen der geschichtlich gegebenen Wege, deren Gleichwertigkeit keineswegs
behauptet werden soll, er auch wählen mag" (S. 10).

Der Mensch, der sich vorurteilsfrei aus einem reichen Angebot
seine Religion wählt — ist das nicht zu abstrakt gesehen?
Läuft es nidit der dem Menschen in seiner ganzen Existenz beanspruchenden
Dynamik des „lebendigen Wortes" zuwider, die
M. so eindrucksvoll herausstellt? M. spricht anschließend davon,
daß „Religion stets, solange sie lebendig ist, persönliche Entscheidung
ist". Er definiert „Entscheidung" als „Entscheidung
zwischen Gott und Mensch" und „zwischen den verschiedenen
religiösen Möglichkeiten, die es auf der Erde gibt". Das ist
phänomenologisch richtig. Aber muß nicht auch für den Rcli-
gionswissenschaftler, vom Theologen ganz zu schweigen, der
Akzent auf der „Entscheidung zwischen Gott und Mensch" liegen
? Nur dann bleiben Wahl und Wechsel einer Religion - die
Praxis der christlichen Mission etwa bietet dafür viele Gegenbeispiele
- objektiv echt, subjektiv wahrhaftig.

In die Texte des „Urchristentums" und der „Christlichen