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Ausgabe:

1953 Nr. 1

Spalte:

38

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Zen'kovskij, Vasilij V.

Titel/Untertitel:

Das Bild vom Menschen in der Ostkirche 1953

Rezensent:

Stupperich, Robert

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Theologische Literaturzeitung 1953 Nr. 1

38

Sehr zu bedauern ist das Fehlen eines Personenregisters. Dies
sind nur einige kritische Hinweise. Sie ließen sich vermehren.
Trotzdem bleibt das Buch eine ausgezeichnete Leistung, wie einleitend
betont wurde. In jeder Zeile spürt man die große Liebe
des Verfassers zur christlichen Ökumene. Freilich wird gerade in
dem Schicksal Baaders und dem Mißerfolg seiner Bestrebungen
die Gefahr des Utopischen dieser Bestrebungen deutlich. Neben
der Liebe zu der Ökumene, die alle Bücher von Benz in so hohem
Maße kennzeichnen, kommt das Verantwortungsgefühl des
Verfassers für die Stellung der Deutschen den slavischen Völkern,
besonders den Russen gegenüber, zum Ausdruck. So kann
auch die Besprechung schließen mit dem Wunsche des Verfassers
in seinen schönen Schlußworten des Buches: Daß die Deutschen
vor allem beizutragen haben, ,,die aus Angst und Überheblichkeit
gemischte dumpfe Abwehrstellung und Interesselosigkeit
des Westens gegenüber dem Osten zu durchbrechen und jene
Einstellung durchzusetzen, die im Glauben an die übermenschliche
Idee unter den Menschen aufs neue mutig versucht, die aus
übermenschlichen Quellen gespeisten Strömungen des Hasses
und der Selbstsucht zu überwinden."

Berlin E. Winter

B c r d j a j e w, Nikolai: Existentielle Dialektik des Göttlichen und
Menschlichen. München: C.H.Beck 1951. VIII, 196 S. 8°. DM 10.50;
Lw. DM 13.50.

Obwohl sich Berdjajew schon durch den Titel seines Buches
zu einer ..dialektischen" Theologie bekennt, sieht er das Verhältnis
des Göttlichen und Menschlichen doch in einer sehr anderen
Weise als die theologische Richtung, die mit diesem Namen benannt
wird. In der von der Barthschen Theologie vollzogenen Absonderung
Gottes vom Menschen, in der Behauptung, „daß der
Mensch nichts und Gott alles" sei, sieht er einen „verschleierten
Monismus, ja eine Art Pantheismus" (27), durch welchen die
wahre Dialektik aufgehoben wird. Für B. ist Gott nicht nur der
Gebende, sondern auch der Nehmende, er braucht den Menschen,
hat Sehnsucht nach ihm, und seine sehnende Liebe zum Menschen
gleicht in mancher Hinsicht derjenigen des Menschen zu Gott
(von hier aus lehnt B. auch Nygrens Auffassung von Eros und
Agape ab: s. S. 121); er vertritt energisch und bewußt einen klaren
„Synergismus" und die Anschauung, daß der Mensch die für
dieses „Mitwirken" notwendige Freiheit besitzt. Dem Abfall des
Menschen folgt nicht ein Strafprozeß, der nur mit Verurteilung
oder Begnadigung enden könnte, sondern ein Drama, in dem Gott
seinen freien Partner zu sich zurückzuführen sucht (S. 47).

Im deutschen und protestantischen Geist sieht B. einen verhängnisvollen
Zug zum Monismus, zur Preisgabe dieser Dialektik
zwischen Göttlichem und Menschlichem. Eckehart, Luther,
Calvin und Hegel kennen das Menschliche nicht, sondern nur
das Göttliche. Aber zur geheimnisvollen Dialektik des Göttlichen
und Menschlichen gehört, daß die Leugnung des Menschen
zur Leugnung Gottes führt (Feuerbach), und das Ende ist Nietzsche
, bei dem „das eine wie das andere sich aufgelöst hat, um
dem Schreckbild übermenschlichen Titanentums Platz zu machen"
(37).

Vom Standpunkt dieser theologischen Anschauung aus wird
am kirchlichen Christentum aller Konfessionen (B. kann auch
nicht als spezifischer Vertreter der östlichen Orthodoxie gelten)
eine teilweise heftige Kritik geübt. Es wird ihm vorgeworfen,
daß es den Gottesbegriff rationalisiert und naturalisiert habe;
daß es anthropomorphe und soziomorphe Begriffe auf Gott übertragen
und sie, die als Symbole ihren Wert haben, dann für adäquate
Wescnshcstiiumungen von absuluter Gültigkeit gehalten
habe. Das kirchliche Christentum aller Konfessionen hat nach
B. in theologischem Utilitarismus Mißbrauch getrieben mit Teufel
und Hölle (85) und ein Regiment der Furcht aufgerichtet (159),
es hat durch einen falschen Vorsehungsglauben oft gerade die
tiefsten und ernstesten Menschen zum Atheismus und aus der
Kirche hinaus gedrängt, hat das Mysterium des Leidens Gottes
zu einer Gott und Mensch in gleicher Weise entwürdigenden
iuristischen Manipulation profaniert, hat aus Furcht vor der
Wahrheit die historische Kritik der in der Bibel berichteten angeblichen
historischen Tatsachen verhindert, bekämpft oder ignoriert
, nicht beachtend, „daß es keine Religion gibt, die höher
steht als die Wahrheit" (16).

Im Unterschied zum kirchlichen Christentum wartet B. auf
eine neue, die dritte Offenbarung, die Offenbarung des Geistes,
die Offenbarung der Freiheit, der Liebe, der schöpferischen Kraft
des Menschen. Mit ihr soll nicht eine neue Religion begründet,
sondern das Christentum universal verwirklicht werden. Und die
Nacht der Gegenwart hält er für den Vorboten dieses neuen
Tages, an dem das Ewige Evangelium verkündet werden soll. So
verbinden sich am Ende Prophetismus, spiritualistische Mystik
und nationaler Messianismus zur Vision der „Kirche des Johannes
", in der es die Scheidung zwischen „heiligem Geist und Geist
schlechthin" nicht mehr geben wird (18 3).

Marburg/Lahn Ludolf Mii 11 er

Zenkowsky, Basilius, Prof.: Das Bild vom Menschen in der Ostkirche
. Grundlagen der orthodoxen Anthropologie. Stuttgart: Evang.
Verlagswerk [1951]. 68 S. 8°. DM 3.50.

Seit Jahrzehnten ist in bestimmten Kreisen der orthodoxen
Kirche die Forderung nach einem allgemeinen Konzil erhoben
worden. Das geschieht aus dem Bewußtsein heraus, daß die orthodoxe
Kirche zu zahlreichen Fragen der Theologie und des Lebens
Stellung nehmen und ihre Auffassung endgültig festlegen müsse.
Auch die Anthropologie gehört zu den Lehrfragen, die keine endgültige
kirchliche Festlegung auf den sieben allgemeinen Konzilien
erfahren haben. Sie wird behandelt von der Lehrmeinung
der Kirchenväter her und ihrer Interpretation der Schrift. Dem
Vf. ist auch die Religionsphilosophie der Slawophilen des
19. Jhs. wichtig, von der er sich wie die ganze Pariser Schule stark
beeinflussen läßt. Bedeutsam ist sein Verständnis der imago Dei
und die Deutung des Menschen von der „neuen Schöpfung" her.
Trotz seines vorläufigen Charakters ist der vorliegende Entwurf
wesentlich und zeigt die orthodoxe Denkweise deutlich an. (Die
französische Art der Transkription wirkt störend.)

Münster/Westf. R. Sttipperich

K1RCHENRECHT

H> Idebrandt, Walter, Dr. iur. utr.: Das Gemeindeprinzip der christlichen
Kirche. Die l ehre von der Gemeinde als der Verfassungsgnmd-
form der Kirche. Zürich: Zwingli-Vcrlag 1951. 213 S. 8°. kart. sfr.
10.40.

Im Untertitel dieser temperamentvollen und inhaltsreichen
Studie läßt der Verf. erkennen, daß er in der „Gemeinde" die
Grundform aller möglichen Kirchenverfassung erblickt. Das
mußte ihn zunächst auf den Ursprung der „Gemeinde": den
Jüngerkreis Jesu, führen. Er sieht deshalb den Ansatz evangelischen
Gemeindedenkens nicht erst bei der Reformation, aber auch
nicht einfach vor der Entstehung der „Bischofskirche", sondern
schon v o r der „petrinischen", jerusalemitischen LIrgemeindc mit
ihrem autoritativ-vertikalen Aufbau und vor den „paulinischen"
Missionsgemeinden mit ihrem genossenschaftlich-horizontalen
Verfassungstypus. Damit schließt er sich jener Entwicklung kano-
nistischen Denkens an, die von R. Sohm, der die Frage nach einer
rechtlichen Organisation der Jünger-und Frühgemeinde verneint
hat, über G. Holstein, der sie grundsätzlich bejahte, bis zu
K.L. Schmidts biblischer Grundlegung (1927) dieser Diskussion
und W. Vischers bahnbrechender Untersuchung der „Gemeindeordnung
" (von H. nicht zitiert) in die Gegenwart reicht.

Hildebrandt steht auf dem Boden der reformatorischen Theologie
zwinglianischer Prägung und bestimmt von da aus den
Gemeindebegriff theologisch als identisch mit dem Kirchenbegriff:
„Gemeinde" ist „Ortsgemeinde". In einer kirchenrechtshistori-
schen Einleitung (12-32) versucht er diese These zu stützen, wobei
eingehendere Auseinandersetzung mit Sohm, Holstein und
Stutz nützlich gewesen wäre. Die nur „exemplarisch" und vereinzelt
herangezogene Literatur erscheint allzu summarisch behandelt
, als das ihre Widerlegung ganz überzeugen könnte. Auch
fehlt jede Bezugnahme auf das reiche römisch-katholische Schrifttum
zur Frühverfassung der Kirche.

Die Betrachtungsweise ist überwiegend thetisch-disputierend
und entwickelt aus eigener Deutung biblischer Texte spekulative
Folgerungen, ohne sich mit der kirclienrechtsgeschichtlichen For-